Mit ihrem vierten Album „Temper Temper“ pocht die Metalcore-Band „Bullet For My Valentine“ (BFMV) an die Tore der großen Hallen. Mit einem massentauglichen Hardrock-Sound wollen die Jungs aus Wales nun in neue Dimensionen eintauchen und sich dem breiten Publikum öffnen. „Wir machen uns keine Gedanken, was die Kritiker denken oder sagen“, sagt Sänger Matt Tuck. „Ich kann nachts hervorragend schlafen, weil ich weiß, dass die Jungs und ich die verdammt noch mal beste Platte gemacht haben, die wir überhaupt machen konnten.“ Und in arroganter Überheblichkeit teilen sie weiter mit, dass sie sich ja nichts mehr beweisen müssten. Als richtige „Männer“ wollten sie einfach zeitlose Songs schreiben. Mit „Temper Temper“ liefern BFMV eine Platte ab, die eigentlich gar nicht nach Metal klingt – und trotzdem elektrisiert.
Eine Platte für den vom Radio-Sound verwöhnten Mainstream-Rocker
Die Jungs wollen sich auch gar nicht in irgendwelche Genres oder Kategorien von Heavy, Power oder Nu Metal einteilen lassen. Ihre Songs schmecken irgendwie wie ein Teig aus Linkin Park, Megadeth und Iron Maiden. Die Plätzchen, die sie daraus gebacken haben, sind jedoch in Perfektion, Klang und Ästhetik unübertrefflich gelungen. Es ist ein Studioalbum geworden, das man nicht besser hätte produzieren können.
Eigentlich schade, denn man erkennt nicht, dass da wirklich eine Band die Musik eingespielt hat. Hier sitzt jeder Ton, jedes Riff, jede Pause, jeder Schlag – wie von computergesteuerter Präzision. Steril – und fast schon synthetisch irreal klingen die Songs. Dazu trägt auch die klare und monotone Stimme von Tuck bei. Nahezu jedes Gitarrensolo scheint vorher mathematisch berechnet worden zu sein – genauso wie die schnellen Beats der Double-Bass. Ganz klar: Hier soll nicht der Konzertbesucher in den Clubs oder Hallen angesprochen werden, sondern der vom Radiosound verwöhnte Mainstream-Rocker, der jetzt auch Zugang zum Metal finden kann.
Es ist kaum zu glauben, aber: Das Album wurde in einem Studio in Thailand aufgenommen – nach Tucks Idee des „record-as-we-go“. Es gab vorher kein Songwriting, keine Demosession. Erst im Studio wurden die Texte dafür geschrieben. Matt Tuck, Gitarrist Michael Paget, Drummer Michael Thomas und Bassist Jason James holten sich dazu erneut Produzent Don Gilmore, den man unter anderem von Linkin Park kennt, mit ins Boot. Die Bandmitglieder waren dabei so ehrgeizig, dass sie sich gerade mal zwei Tage Pause gönnten. Ein Elefantenritt und eine Tiger-Safari brachten zwischendurch etwas Inspiration für neue Songs …
Sind BFMV die Erfinder des „Konserven-Metals“?
Die Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Gilmore könnte gewinnbringend sein. Dafür sprechen der Bombast-Sound dieser CD – aber auch die fetten und kräftigen Grooves sowie die eingängigen Melodien. Auch Tempo und Härte wurden im Vergleich zu den Vorgängeralben etwas herausgenommen. Auf „Temper Temper“ sind mehrere Hammer-Nummern mit markanten Hooklines gepackt – die ganz große Stärke dieser Band. Womöglich sind BFMV ja die Erfinder des „Radio Metals“ oder „Konserven-Metals“?
Das Album zündet mit „Breaking Point“ – ein Song, der die ganze Stimmung der Scheibe zum Ausdruck bringt. Die Message lautet Tuck zufolge: „Jeder hat seinen Punkt, an dem sie oder er zerbricht.“ Die erste Nummer ist zugleich Einleitung und Zusammenfassung für die darauffolgenden Stücke. Der Titelsong beginnt mit einem flotten Beat und aggresiven Gitarrenriffs. Nach einigen Strophen im Sprechgesang entlädt sich das Ganze in einem eindringlichen und melodiösen Chorus.
Im selben Muster sind die Knaller „Truth Hearts“ und „Dirty Little Secret“ gestrickt, die von zunächst leiseren und zurückhaltenden Parts in einen Mitgröhl-Refrain übergehen. Ganz anders das langsamere und rhythmisch abwechslungsreiche „P.O.D.“: Da ist weniger mehr. Drei Powerchords und eine einfache Melodie reichen aus, um aus diesem Midtempo-Song eine wahre Perle zu machen. Mit ihrer Single „Riot“ werden BFMV sogar gesellschaftskritisch, in dem sie den Krawall und die Plünderungen beleuchten, die Großbritannien im Jahr 2011 erschütterten.
Dabei ist „Riot“ so ziemlich der härteste Song auf der Scheibe, weil er ein bisschen im Metallica-Gewand daherstampft. Bei „Tears Don’t Fall (Part 2)“ beweisen die Vier dann ihre Vielseitigkeit und Vorliebe für Rhythmenwechsel: Die anfangs eher ruhige Nummer explodiert kurz vor Schluss in einem zweistimmigen Gitarrensolo.
Fazit: BFMV präsentieren mit „Temper Temper“ zwar Metal-Musik aus der Konserve – dies jedoch auf vollendetem Niveau. Klingt wie ein Widerspruch? Auf dem Studioalbum jedenfalls nicht. Mal sehen, ob das auch live funktioniert …
Jason Ditshej