Freyung/München. Alexander Muthmann von den Freien Wählern gilt als sehr zielstrebiger Politiker. Einer, der genau weiß was er will – und wo er hin will. Nachdem er zuvor sechs Jahre lang als Landrat die Geschicke des Landkreises Freyung-Grafenau gelenkt hatte, sitzt der gebürtige Münchner seit 2008 für die Freien Wähler im Landtag, wo er sich unter anderem auch für die Interessen der Waidler einsetzt. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht der 56-Jährige über das jüngst so erfolgreiche Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren, die Erfolgsaussichten der Freien Wähler bei den kommenden Wahlen, über das „Fähnchen“ Seehofer und den Ude-Hype, mögliche Regierungskonstellationen, die Bedeutung regionaler Wirtschaftsförderung und der Technologie-Campi – und seine politischen Zukunftsambitionen.
„Menschen wollen keine Alleinregierung der CSU mehr“
Herr Muthmann: Die Freien Wähler haben in Bayern zuletzt neun Prozent bei einer Umfrage erreicht. Wie schätzen Sie die Chancen der Partei bei den Landtagswahlen im September dieses Jahres ein?
In den letzten zwei Jahren bewegen wir uns bei Umfragen recht stabil bei acht oder neun Prozent. Ein Zeichen dafür, dass unsere Arbeit honoriert wird. Wir gehen davon aus, dass wir auch im nächsten Landtag vertreten sind – und hoffen, dass wir uns noch steigern können. Aber das ist in jedem Fall eine solide Ausgangsposition für das Wahljahr 2013.
Glauben Sie, dass die Freien Wähler auch ein wenig von der momentanen Selbst-Demontage der FDP profitieren?
(schmunzelt) Die FDP ist seit Jahren auch recht stabil – unter fünf Prozent. Da spielen sicherlich bundespolitische Einflüsse wie die Rösler-Debatte eine Rolle. Wir nehmen als Freie Wähler in Anspruch, dass wir Landespolitik besser können als die FDP – und erwarten deshalb auch, dass die enttäuschten FDP-Wähler aus dem bürgerlichen Lager nicht bei der CSU landen, sondern bei uns. Wir haben mit 600 Bürgermeistern auch die größere kommunalpolitische Verankerung.
Unser Leib- und Magenthema ist das Schaffen gleichwertiger Lebensbedingungen in ganz Bayern, unser Engagement gilt insbesondere den wirtschaftsschwächeren Räumen wie dem Bayerischen Wald. Ein prominentes Beispiel ist der Breitband-Ausbau, wo wir seit 2008 vorbeten, was in diesem Bereich zu fördern ist. Hier hat der Wirtschaftsminister die vergangenen Jahre wenig Leidenschaft gezeigt. Ich hoffe und erwarte deshalb, dass die Wähler sehen, wer engagierte Politik für die Regionen Bayerns macht. Die Menschen wollen keine Alleinregierung der CSU mehr.
„Muss gesichert sein, dass unsere Politik zur Geltung kommt“
Das klingt jetzt a bisserl wie eine Bewerbung der Freien Wähler um den Platz des Regierungspartners in einer Koalition mit der CSU …
Wir legen uns nicht fest. Wir drängen uns nicht auf. Es gibt auch keine Beteiligung der Freien Wähler an der Regierung um jeden Preis. Das gilt für die CSU – aber auch für Rot-Grün.
Wenn das momentane Umfrage-Ergebnis dem Ergebnis bei den Wahlen in diesem Herbst entspricht, würde die CSU alleine regieren – das macht uns Sorgen, da bedarf es einer Korrektur. Die SPD liegt bei enttäuschenden 19 Prozent. Vom achtwöchigen Ude-Hype ist nicht mehr viel übrig. Die Grünen sind momentan relativ stabil bei gut 13 Prozent. Und unsere neun Prozent reichen im Verhältnis zur CSU natürlich nicht annähernd, um da einen Regierungswechsel herbeizuführen.
Für uns zählt, dass in Bayern gute Bildungsarbeit gemacht wird, dass wirtschaftsschwächere Räume durch die Politik der Staatsregierung gut gestärkt werden. Etwa mittels der Verlagerung von Behörden in die Region. Infrastruktur, Breitband, Verkehr – das sind die Themen, die uns wichtig sind. Es muss gesichert sein, dass unsere Politik im Falle einer Regierungsbeteiligung zur Geltung kommt.
„Sich festzulegen, wäre momentan nicht besonders seriös“
Man will also erst einmal abwarten, was möglich ist in Sachen Koalitionsbeteiligung?
Sich festzulegen, wäre zu diesem Zeitpunkt nicht besonders seriös. Ude wirbt immer um die Freien Wähler, weil ohne uns das Vorhaben Regierungswechsel weder rechnerisch noch tatsächlich realisierbar ist. In einer Allianz mit Rot-Grün wären wir Gewährsträger für eine moderne bürgerliche Politik. Andererseits müsste man auch Infrastruktur- und Bildungspolitik mit den Grünen und der SPD debattieren …
… was dann sicherlich größere Diskussionen geben wird?
Das dürfte nicht allzu einfach werden, richtig. Das gilt im Übrigen bei der CSU an anderen Stellen genauso. Nur um einige billige Position im Kabinett besetzen zu können, ist eine Regierungsbeteiligung mit den Freien Wählern nicht zu machen.
Einer unserer Leser fordert von den Freien Wählern dennoch die „klare Kante“ zur Koalitionsaussage. Denn: „Der Wähler will schon wissen, ob er mit seiner Stimme für die Freien Wähler die CSU an der Macht hält – oder eben deren Ablösung unterstützt!“
Nochmal: Es gibt ausdrücklich kein eindeutiges Bekenntnis in Richtung CSU, genauso wenig in Richtung SPD und Grüne. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
„Heute so, morgen so – Seehofer dreht sich wie ein Fähnlein“
Heißt also: Wer für die Freien Wähler stimmt, muss mit der Ungewissheit leben, dass er mit seiner Stimme entweder eine CSU-Regierung befürwortet – oder ein mögliches Dreier-Bündnis an die Macht wählt. Richtig?
Wir treten an, um eigene Politikvorstellungen durchzusetzen. Opposition ist keine besonders schöne Geschichte, klar. Ich würde niemandem empfehlen als Berufswunsch Oppositionspolitiker anzugeben (schmunzelt). Aber es ist notwendig, wie ich die letzten vier Jahre erfahren habe, Oppositionspolitik zu machen – und das erfolgreich. Wir konnten in den vergangenen Jahren eine Reihe von Themen vorantreiben. Vor allem solche, die die Förderung des ländlichen Raumes betreffen. Wir sind unserer Linie immer treu geblieben – und werden dies auch weiter tun. Das steht für uns auch nach dem Wahlergebnis im Mittelpunkt. Bei uns weiß der Wähler, wie er dran ist und für was wir uns einsetzen.
Anders sieht dies derzeit bei der CSU aus. Seehofer dreht sich wie ein Fähnlein im Wind, agiert so, wie es das Volk möchte. Bestes Beispiel ist die Abschaffung der Studiengebühren. Eine Partei, die nach dem Motto ‚heute so und morgen so‘ handelt, kann man doch gar nicht mehr ernst nehmen. Der Wähler kann sich doch gar nicht mehr sicher sein, dass die Versprechungen, die vor der Wahl gemacht werden, auch danach gelten.
„… hätten die Herrschaften das alles still und leise abgewickelt“
Sie sprechen von erfolgreicher Oppostionspolitik. Gibt es ein konkretes Beispiel?
Das prominenteste Beispiel ist das Thema Wirtschaftsförderung für Niederbayern. Im letzten Jahr lag der Haushaltsansatz für Fördermittel bei etwas mehr als 160,2 Millionen Euro. Dieses Geld verteilt das Wirtschaftsministerium, jeder Regierungsbezirk bekommt einen bestimmten Anteil.
Ich habe Anfang 2012 nachgefragt, wie die Verteilung genau gestaltet ist – und siehe da: Oberfranken hätte 43,5 Millionen, die Oberpfalz 40 Millionen – und Niederbayern hatte nur 26,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Die Unterschiede zwischen diesen drei Regierungsbezirken waren völlig unerklärlich. Niederbayern etwa ist sehr wohl mit der Oberpfalz vergleichbar. Auf meine Nachfrage hin, warum es diesen Unterschied gebe, erhielt ich keine plausible Antwort von Seiten des Ministeriums.
Mitte letzten Jahres hatten wir dann einen Antrag gestellt, dass die niederbayerischen Fördermittel zumindest auf das Niveau der Oberpfalz aufgestockt werden. Im Wirtschaftsausschuss wurde unser Antrag leider abgelehnt. In Niederbayern hat dies jedoch zu großer Unzufriedenheit geführt: bei der Handwerkskammer, der IHK usw. Die Folge: Die Regierung geriet nach und nach in Verlegenheit – und am Ende vom Lied sollte Niederbayern mehr als 62,6 Millionen anstatt der ursprünglichen 26,4 Millionen Euro bekommen – das hat mich sehr gefreut.
Hätten wir aus der Opposition heraus der Regierungskoalition das nicht immer wieder aufs Butterbrot geschmiert, hätten die Herrschaften das alles still und heimlich wie geplant abgewickelt …
„Wegen eines restaurarierten Dorfplatzes bleiben die Menschen nicht“
Wie wichtig ist Ihnen das Thema Wirtschaftsförderung des ländlichen Raumes?
Ein ganz zentraler Punkt. Man kann auch Dorfbrunnen fördern, aber: Wegen eines restaurierten Dorfplatzes bleiben die Menschen nicht in der Region … es geht vielmehr um die Fragen: Gibt es Ausbildungsmöglichkeiten? Arbeitsplätze und Betriebe? Es gilt viele niveauvolle Beschäftigungsmöglichkeiten in der Region zu halten bzw. in die Region zu bringen. Wir sollten uns nicht damit zufrieden geben die Abwanderung nur zu dämpfen. Das Problem dieser Region ist, dass uns junge, talentierte Menschen verlassen und in die Ballungsräume gehen. Nur mit der Zielsetzung zu arbeiten den Abwanderungstrend abzumildern, ist der falsche Ansatz. Die richtige Zielsetzung muss lauten, Menschen aus den Ballungsräumen hierher zu bewegen.
Wie schafft man das Ihrer Meinung nach?
Die Politik kann hier einwirken, indem sie etwa öffentliche Arbeitsplätze in unsere Region verlagert. Man müsste deshalb die Behördenlandschaft des Freistaats systematisch daraufhin untersuchen, wo die nicht-Standort-gebundenen Behörden sitzen – und über die nächsten Jahre hinweg ein neues Konzept entwerfen.
Was wäre hier für den Landkreis Freyung-Grafenau möglich?
Bisher ist hier zu wenig geschehen. Ein Beispiel, welchen positiven Effekt Behörden für den ländlichen Raum haben können, ist die Bußgeldstelle in Viechtach, die seit 20 Jahren dort ist. Dort sind mehr als 200 Menschen beschäftigt. Es war ja auch schon im Gespräch, das Finanzamt Grafenau zu erweitern – das wird dann auch immer mit großem Balihu angekündigt, doch wenn man genauer hinschaut ist die Umsetzung sehr viel bescheidener …
„Fördergelder sind zum Teil das Ersetzen von Eigenkapital“
Es ist ein solides Gesamtkonzept notwendig, das auch mal über einen Wahltermin hinausreicht. Dann können sich alle Beteiligten, Behördenleiter und Mitarbeiter darauf einstellen. Es geht um Planungssicherheit für alle. Das ist der Bereich, in dem die Politik unmittelbar tätig werden kann.
Welche Rolle spielt dabei der Breitband-Ausbau?
Ohne schnelle Internetanbindung ist heute für Unternehmer ein Standort uninteressant. Es müssen in ganz Bayern Bedingungen herrschen, die die Startchancen für die Unternehmen sicherstellen und die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen gewährleistet. Das kann die Politik machen – und sie kann über die Wirtschaftsförderung steuernd eingreifen.
Viele regionale Betriebe haben von Wirtschaftsfördermaßnahmen als Impulsgeber profitiert. Wenn man für eine Neuansiedelung 20 bis 25 Prozent der Investitionssumme erhält, ist das ein starkes Argument. Woanders müssen die Firmen 20 bis 25 Prozent Eigenkapital mitbringen, um von der Bank überhaupt Geld zu bekommen. Die staatlichen Fördergelder sind zum Teil das Ersetzen von Eigenkapital. Insofern setze ich weiterhin stark auf das Thema Wirtschaftsförderung.
„Technologie-Campi sind eine große Chance für die Region, aber…“
Wie wichtig sind indirekte Fördermaßnahmen für die Wirtschaft, etwa durch Investitionen in die Forschung? Hier kann der Staat ja auch Hilfestellung leisten, indem man – wie bereits geschehen – Hochschulen in die Regionen bringt.
Die anwendungsbezogene Forschung in Zusammenarbeit mit Unternehmen ist ein ganz wichtiger Punkt. Wo die Wissenschaft sich niederlässt, siedeln sich auch neue Unternehmen an. Deswegen halte ich das Konzept der Technologie-Campi für richtig – und für eine große Chance für die Region.
Soll in diesem Bereich künftig noch mehr passieren? Was denken Sie?
Dahinzugehen, wo Anknüpfungspunkte für die Wirtschaft bestehen, ist offenbar am erfolgversprechendsten: ob in Teisnach, Freyung – und sicherlich auch schon bald in Spiegelau. Wichtig ist, dass die Technologie-Campi über das Interesse der Unternehmen, die in diesem Bereich arbeiten, belebt werden. Dass sie Aufträge und Drittmittel bekommen, um sich zu finanzieren. Denn die Anlaufförderung der Einrichtungen ist auf nur fünf Jahre beschränkt – danach sollen sie durch die Aufträge aus der Wirtschaft ihre Personal- und Systemkosten finanzieren.
„…dass die Kommunen für die Gebäude zahlen, ärgert mich sehr“
Ein Kritikpunkt – und es ärgert mich unglaublich, dass dies nicht korrigiert wird – ist folgende Tatsache: Die Kommunen müssen für die Forschung die Hardware, sprich: die Gebäude, zur Verfügung stellen. Das gibt es sonst nirgendwo in Bayern. Man stelle sich einmal vor: Minister Heubisch würde zum Regensburger Oberbürgermeister Hans Schaidinger sagen: ‚Du bekommst noch ein Forschungsinstitut – aber nur unter der Voraussetzung, dass die Stadt Regensburg das Gebäude dafür zur Verfügung stellt.‘ Da würde Schaidinger vermutlich antworten: ‚Das ist aber jetzt nicht Dein Ernst, oder?‘
Aber im Bayerwald ist das so passiert. Mein Vorwurf geht hier nicht an die regionalen Politiker, dass sie diesen Köder einfach so akzeptiert haben. Ich bin davon überzeugt, dass in diesem Falle die Ausgangssituation des strukturschwächeren Bayerischen Waldes schamlos vom Wissenschaftsministerium ausgenutzt worden ist. Das halte ich für infam. Weil das für die Regionalentwicklung natürlich eine Chance ist, die gar nicht abgelehnt werden kann!
Aber das kostest etwa die Gemeinde Spiegelau 150.000 Euro pro Jahr – den Landkreis nochmal 450.000 Euro. Geld, das gut für eigene Aufgaben verwendet werden könnte. Es ist nicht Aufgabe der Kommunen, ein Institut einer Hochschule zu finanzieren (energisch). Das ist Staatsaufgabe – da beißt die Maus überhaupt keinen Faden ab.
Seehofer spricht davon, dass 2030 Bayern schuldenfrei sein soll – und er kann diesem Ziel möglicherweise auch deshalb leichter näher kommen, weil er Aufgaben des Staates auf die Kommunen abwälzt, die dann jedoch weiter wegrücken von einer Entschuldung. Der Landkreis Freyung-Grafenau hat hohe Schulden – und sieht momentan angesichts der zusätzlichen Aufgabenfülle wenige Chancen davon wegzukommen.
„Wir haben es geschafft und den Studiengebühren ein Ende bereitet“
Thema: Studiengebühren. Das Volksbegehren war ja erfolgreich, nun soll es zum Volksentscheid kommen. Als bekennender Gebührengegner – wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Sehr zufrieden. 14,4 Prozent bayernweit sind ein tolles Ergebnis. Und auch die Zahlen im Landkreis sprechen für sich. 13,6 Prozent der Wahlberechtigten wollen eine Abschaffung der Studiengebühren. Nur vier Gemeinden blieben unter der Zehn-Prozent-Marke. Alle anderen sind drüber. In Ringelai zum Beispiel haben sich über 18 Prozent der Bürger eingetragen. Wir haben es geschafft und den Studiengebühren ein Ende bereitet, die vielen Anstrengungen waren letztendlich von Erfolg gekrönt. Danke an alle, die dazu beigetragen haben.
Eine unserer Leserinnen wollte wissen, ob es belegbare Hinweise dafür gibt, dass seit Einführung der Studiengebühren weniger Studierende aus einkommensschwachen Gesellschaftsschichten stammen. Ob es also einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Studiengebühren und dem Zugang zum Studium gibt.
Dass Studiengebühren eine relevante Barriere darstellen, davon bin ich überzeugt. In Bayern gilt: ‚Sag mir, was Deine Eltern machen – und ich sage Dir, wie Deine Bildungschancen stehen.‘ Dass Kinder aus Akademikerfamilien auch studieren werden, steht genauso fest wie die Tatsache, dass der Anteil talentierter Menschen aus Arbeiterfamilien, die auch den akademischen Bildungsweg einschlagen, nach wie vor zu gering ist.
„Wenn das starke Bayern das nicht finanzieren kann, wer sonst?“
Für ein gut verdienendes Ärzte-Ehepaar mit einem Kind ist die Frage nach Studiengebühren irrelevant. Für eine Arbeitnehmerfamilie mit drei Kindern, in der nur ein Elternteil berufstätig ist, sind zusätzliche 5.000 Euro pro Kind fürs Studium schon ein Hemmnis. Bildung muss oberste Priorität haben in Bayern. Wir haben nur die Ressource Geist.
Wie soll das Defizit für die Unis nach dem Wegfall der Gebühren nun ausgeglichen werden?
Es sind etwa 170 Millionen Euro, die bei den bayerischen Universitäten und Hochschulen über Studiengebühren eingehen. Diese Lücke können wir nicht offen lassen, darüber sind sich alle einig. Und deshalb muss sie im Interesse des Niveauerhalts aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Freistaats geschlossen werden. Bayern rühmt sich ja immer das leistungsfähigste Land zu sein. Wenn wir das nicht finanzieren können, wer sonst?
Anschlussfrage zum Thema Bildung: Setzen die Freien Wähler auch weiterhin auf das dreigliedrige Schulsystem?
(überlegt) Fest steht: Wir wollen keine Gemeinschaftsschulen. Wir haben in den letzten Jahren so viele Struktur-Debatten geführt: beginnend von der sechsstufigen Realschule übers G8 bis hin zur Mittelschul-Reform. Dass alle an der Bildungsdiskussion unmittelbar Beteiligten nur noch darüber stöhnen, ist verständlich. Entscheidend für die Qualität der Bildungsarbeit ist die Frage: Wie viel Zeit haben Lehrer für ihre Schüler, um deren Talente entsprechend fördern zu können? Wir setzen deshalb auf kleine Klassen und mehr Lehrer. Die ständige Frage nach den richtigen Schularten verstellt den Blick für die eigentlichen Aufgaben. Wir müssen jedes Kind individuell fördern können – und das System danach ausrichten.
„Nicht die Kommunalpolitik ist mein Ziel, sondern der Landtag“
Kommen wir zu Ihren persönlichen Zukunftsperspektiven: Wie schätzen Sie Ihre Chancen bei den diesjährigen Landtagswahlen ein? Oder haben Sie anderes geplant? Es kursieren ja schon wieder Gerüchte, dass Sie nochmals für das Amt des Landrats kandidieren sollen …
Es ist entschieden, dass ich wieder für den Landtagswahlkampf nominiert bin und hoffe, dass ich auf Listenplatz zwei, hinter Hubert Aiwanger, für Niederbayern ins Rennen geschickt werde. Das ist mein Ziel, weil ich mich neben der gesamtbayerischen Politik vor allen Dingen auch der Region verpflichtet fühle.
Kommunalpolitische Ambitionen habe ich nicht. Das steht nicht zur Debatte. Ich hatte mich 2002 erfolgreich für das Amt des Landrats beworben. 2008 wollte man mich als Landrat nicht mehr haben, die Wähler haben sich für Herrn Lankl entschieden. Das ist in Ordnung, das muss man akzeptieren.
Würde denn eine weitere Legislaturperiode in der Landtagsopposition Ihre Meinung zur Frage, ob Sie nochmals für das Amt des Landrats kandidieren möchten, relativieren?
Nein, ich konzentriere mich auf meine Landtagsarbeit.
Wer kandidiert denn dann als Landrat für die Freien Wähler, wenn nicht Sie? Die Namen Manfred Eibl (Bgm. von Perlesreut) und Martin Behringer (Bgm. Thurmansbang) werden hier gerne genannt.
Dazu gibt es noch keine Positionierungsgespräche. Vor Herbst dieses Jahres wird das auch nicht spruchreif sein. Ob die von Ihnen genannten Personen irgendwelche Ambitionen haben, müssen Sie selber nachfragen. Eine Vorstellung hätte ich – aber es kommt mir nicht zu, das an dieser Stelle zu kommentieren …
„Prognosen sind schwierig – bes., wenn sie die Zukunft betreffen“
Thema: Medizinische Versorgung. Braucht es wirklich drei Krankenhäuser im Landkreis? Wie sehen Sie die wirtschaftliche Zukunft der Einrichtungen?
Wir hatten 2011 bei der Kliniken gGmbh ein Betriebskosten-Defizit von knapp zwei Millionen Euro. Das kann sich der Landkreis nicht leisten, das ist klar. Was Freyung-Grafenau braucht, ist eine kompetente und konzentrierte medizinische Versorgung im stationären Bereich. Der Reformplan läuft über fünf Jahre – und soll das Defizit auf null fahren. Wenn das den Verantwortlichen gelingt, werden die Debatten wieder zur Ruhe kommen. Gelingt das aber nicht, werden schnell wieder Diskussionen über eine Neustrukturierung entfacht werden. Die Kirchturmpolitik, mit der man sich auch immer noch rumschlagen muss, wird das sicherlich nicht vereinfachen.
Gelingt Ihrer Meinung nach die Wende mit dem Fünf-Jahres-Plan? Ist er der richtige Ansatz?
‚Prognosen sind schwierig – besonders wenn sie die Zukunft betreffen‘, sagte einmal ein berühmter Mann (lacht) … Ob das Sinn macht? Ich hoffe, dass es klappt. Aber sicher bin ich mir nicht. Es gilt vor allem zu beobachten, wie die Patienten reagieren werden – ob sie dieses Konzept akzeptieren und mittragen. Ich hoffe sehr, dass dies der Fall ist. Ansonsten muss man die Dinge wohl in einem Haus zusammenführen.
Wenn drei Häuser nicht funktionieren, wird man letztlich die Entscheidung treffen müssen, sich auf ein akutes Haus zu konzentrieren. Sobald es Anzeichen dafür gibt, dass dieser Weg betriebswirtschaftlich nicht erfolgreich ist, wird man über radikalere Lösungen nachdenken müssen. Die Region kann sich ein dauerhaftes Defizit nicht leisten.
Stichwort: Job-Sharing. Gerade für Akademikerinnen mit Kindern ist es schwer anspruchsvolle Teilzeitstellen zu bekommen, die mit einem Familienleben vereinbar sind. Was könnte hier getan werden?
Eine wichtige Frage. Regionen wie der Bayerische Wald sind gut beraten die Erwartungen junger Frauen in besonderer Weise ernst zu nehmen. Sie entscheiden maßgeblich mit was in den Regionen passiert. Wenn junge Frauen weggehen, bleiben sie zumeist auch weg – und gründen eine Familie.
„Es soll sich lohnen, mich nach München geschickt zu haben“
Job-Sharing ist eine Aufgabe, die in erster Linie die Wirtschaft selbst anpacken muss. Stichwort Fachkräftemangel: Wenn gut ausgebildete Leute gesucht werden, müssen die Unternehmen auch junge Mütter und deren Erwartungen berücksichtigen und familienfreundliche Arbeitsbedingungen schaffen. Dass darüber hinaus die Politik die Kombination von Familie und Beruf dadurch erleichtern muss, dass man etwa Betreuungsangebote von Kinderkrippen sicherstellt, ist klar. Ich bin mir sicher, dass über kurz oder lang auch die Betreuungszeiten sich werden ändern müssen. Es gilt, sich hin zu mehr Familienfreundlichkeit zu orientieren.
Abschließende Frage: Glauben Sie, dass die Leute aus der Region wissen, was die Landtagsabgeordneten in München eigentlich machen? Ist die örtliche Distanz auch eine geistige?
Ich sehe sehr wohl die Schwierigkeit darin. Wir verrichten einen Großteil unserer Arbeit in München und müssen die Leute vor Ort davon überzeugen, dass wir diese Arbeit gut machen. Das ist ein gewisses Dilemma. Das verstehe ich heute besser als ehedem. Und klar: Ein Urteil darüber, ob ein Landtagsabgeordneter seine Arbeit in München gut oder weniger gut macht, ist von hier aus schwer zu fällen. Deswegen bin ich auch für die Gelegenheit, das ein oder andere zu berichten, sehr dankbar.
Die Leute haben mich nach München geschickt, damit ich mich dort für ihre Interessen bestmöglich einsetze. Daher haben sie auch ein Recht darauf zu erfahren, um was ich mich kümmere und was ich mache. Es soll sich ja auch lohnen mich nach München geschickt zu haben …
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, Herr Muthmann.
Interview: Stephan Hörhammer und Christian Luckner