„Zu scharf gelaufen – die Quittung bekommt man dann am Schießstand“
Apropos Schießstände: Ist diese „prickelnde Atmosphäre“, wie Du sie beschreibst, eigentlich manchmal auch belastend?
Es ist das Ziel, dass man irgendwann mal abschalten kann – und sich nur auf sich konzentriert. Aber das fällt natürlich sehr schwer. Gerade auch auf der Strecke ist man häufig dazu geneigt, dass man – motiviert durch die Zuschauer – einen Zacken schärfer läuft. Relativ oft bekommt man die Quittung dafür dann am Schießstand, weil man das Belastungsmaß einfach zu hoch gewählt hat.
Deine Söhne sind ja ebenfalls sehr sportbegeistert. Haben sie Ambitionen Profisportler zu werden?
Da mache ich mir noch keine Gedanken. Marco ist jetzt 17 Jahre alt – und auch Biathlet. Ebenso wie Simon, der 14 Jahre ist. Gabriel wird jetzt neun. Wichtig ist, dass sie sich überhaupt für Sport begeistern. Die Jungs setzen sich ihre eigenen Ziele und arbeiten daran, diese zu erreichen. Ob das dann aber einmal für eine Profi-Karriere reicht, hängt von vielen Faktoren ab – da sollte man sich jetzt noch keine Gedanken drüber machen.
Welche Tipps gibst Du den Magdalena Neuners und Andi Birnbachers von morgen, um ihren Traum vom großen Biathlon-Sport in die Wirklichkeit umzusetzen?
Natürlich müssen die Athleten erst mal mit einer Frage zu mir kommen, dann ist es deutlich einfacher (lacht). Nein, im Ernst: Natürlich gebe ich mein technisches Wissen und meine Erfahrungen gerne weiter. Es ist aber auch ein tägliches Training – ein tagtägliches Messen mit sich selbst und anderen Trainingskollegen. Man steht in einer harten Konkurrenzsituation – im Endeffekt dürfen ja nur sechs im Weltcup laufen. Und dieses tägliche Training, dieses Sich-immer-wieder-überwinden an die Hochleistung rankommen, das ist ein Prozess, den man sehr früh beginnen sollte.
„Als Trainer möchte man, dass jeder seine Ziel erfüllt“
Du bist ja quasi das ganze Jahr über mit Deinen Mädels zusammen. Wie geht man(n) mit so vielen Frauen um?
Das ist ein ganz normales Miteinander. Wir kämpfen alle für das gleiche Ziel – von daher ist es eigentlich eine schöne Symbiose. Als Trainer möchte man aber natürlich auch, dass jeder einzelne Athlet seine persönlichen Ziele erfüllt. Darum versucht man jeden Tag alles ein Stück besser zu machen.
Auffällig ist, dass fast nur Männer im Spitzenbereich die Funktion der Trainer und Betreuer übernehmen. Warum ist das so?
Das ist eine Frage, die sich aus der aktuellen politischen Situation ergeben hat (lacht). Ich bin von der Sportführung gefragt worden, ob ich das machen möchte. Warum sich da noch keine Frauen beworben haben, kann ich leider nicht beantworten. Aber: Es gibt auch Biathlon-Trainerinnen.
Ist es überhaupt möglich noch schneller und noch zielsicherer zu werden? Wann ist das Maximum des Möglichen erreicht?
Ich denke schon, dass die Sportart von der Attraktivität her ziemlich ausgreift ist – aber es gibt immer noch Verbesserungspotenzial. Man kann Dinge noch interessanter darstellen: Immer wieder neue Bilder und neue Kamera-Einstellungen einbringen. Man hat zum Beispiel Versuche gemacht auf die Pulsuhr eines Athleten zuzugreifen, so dass der Zuschauer zusätzlich über dessen Leistungszustand informiert ist. In Bezug auf das Material wird es immer wieder neue Erfindungen geben. Es wird im Bereich der Skitechnik sicher noch viel passieren, etwa mit anderen Formen des Ski-Aufbaus oder mit anderen Belägen, anderen Strukturen, anderen Schliffen oder anderem Wachs.
Abschließende Frage: Gibt es eigentlich den perfekten Biathleten?
Es wird immer erfolgreiche Biathleten geben – aber den ‚perfekten Athleten‘ wird es nie geben. Es reicht nicht aus der schnellste Läufer zu sein und immer fehlerfrei zu schießen, wenn man am Schießstand dann der Langsamste ist. Man muss schon alle drei Komponenten hinkriegen. Irgendwann wird man dann auch von der Konkurrenz zu Fehlern getrieben. Zusätzlich gilt es die Witterungsbedingungen zu berücksichtigen. Auch ist die Leistungsdichte zu groß. Wenn man die ersten 30 oder 40 der Welt betrachtet, kann da jeder jeden schlagen. Das ist es, was Biathlon ausmacht: Dass es eben nicht, wie in anderen Sportarten, diese überragenden Seriensieger gibt.
Danke für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg.
Interview: Susi Grünzinger