Eppenschlag. Karate, Kung Fu, Taekwondo – asiatische Kampfkünste und -sportarten haben die westliche Welt schon längst erobert. Doch nicht alle sehen diese Entwicklung positiv. „Die prügeln sich doch nur“, lautet etwa eine von mehreren klischeebehafteten Meinungen. Oder: „Das ist doch nur was für Halbstarke!“ Genau mit diesen Vorurteilen will Karate-Lehrer Paul Gruber, Betreiber der Karateschule Bayerwald, aufräumen. Außerdem erklärt er im Hog’n-Interview, welchen Einfluss TV-Stars wie Jackie Chan oder der legendäre Bruce Lee auf den Kampfsport haben.
Freilich ist nicht alles wahr, was in den Filmen dargestellt wird
Herr Gruber: Ist Karate das, was uns in Filmen wie „Karate Kid“ oder Bruce-Lees „Todesgrüße aus Shanghai“ gezeigt wird?
Der Erfolg von Karate in Europa ist eng mit den Kampfkunstfilmen der 1970er Jahre verknüpft. Sie haben einen regelrechten Boom ausgelöst. Viele eifern seitdem den Künsten von Bruce Lee und den anderen Größen dieser Zeit nach. Kritisch betrachtet muss man sagen, dass freilich nicht alles wahr ist, was in den Filmen dargestellt wird. Aber ohne sie gäbe es den Erfolg von Karate und Kung Fu nicht. Streifen wie die Karate-Kid-Reihe befinden sich noch näher an der Realität als so mancher Eastern, der im Fernsehen gezeigt wird …
Jackie Chan machte durch seine Filme die asiatische Kampfkunst in Europa bekannt:
Wie wichtig sind die Fernseh- und Kinogrößen für die Sportart Karate heutzutage?
Sportarten wie Basketball oder Fußball können Idole vorweisen, die jeder kennt. In der Kampfkunstszene sind es dann eben Schauspieler wie Jackie Chan oder Bruce Lee. Ich denke, dass nur ‚Eingeweihte‘ die Namen der aktuellen Karate-Weltmeister nennen können, geschweige denn die Namen von Deutschen Meistern oder Landesmeistern. Was der Kampfkunst aber gut tut, ist neuerdings die Präsenz des Kickboxens im Fernsehen, so dass sich hier bereits gewisse Idole herauskristallisieren.
Warum erfreuen sich asiatische Kampfkünste gerade in der westlichen Welt einer stetig wachsenden Beliebtheit?
Kampfkünste wie Karate oder Kung Fu beschreiben nicht nur den sportlichen Werdegang eines Menschen, sondern beschäftigen sich auch mit der geistigen und mentalen Stärke. In vielen Kampfkunstschulen wird deshalb über die Entwicklung von Körper, Geist und Seele gesprochen. Vielleicht ist es auch nicht ganz richtig, wenn wir nur von einer ‚Sportart‘ sprechen.
„Wichtig ist die geistige und körperliche Weiterentwicklung“
Trotzdem hat der Begriff Kampfsport in den Köpfen mancher Menschen einen faden Beigeschmack. Warum ist das so?
Hier handelt es sich um subjektiv-empfundene Vorurteile. Einige Menschen verbinden wohl mit dem Erlernen der Kampfkünste nur das Trainieren der rein körperlichen Stärke – die Darstellung in manchen Medien bestätigt das auch, doch: Richtig ist das natürlich nicht. Doch das ist nunmal leider die Kehrseite der Medaille der Kampfkunstfilme.
Was ist denn dann der Unterschied zwischen „Kampfkunst“ und „Kampfsportart“?
Ganz grob gesprochen ist der Unterschied darin zu sehen, dass bei ernsthaft trainierenden Kampfkünstlern nicht der Sieg oder die Niederlage im Vordergrund steht, sondern stets die geistige und körperliche Weiterentwicklung.
Und was unterscheidet Karate von anderen Kampfkunst- bzw. Kampfsportarten?
Karate ist eine lebensbegleitende Kampfkunst, die man in jedem Lebensalter beginnen – und auch bis ins hohe Alter betreiben kann. Wir haben in unserer Kampfkunstschule Mitglieder, die über siebzig Jahre alt sind und regelmäßig trainieren.
Warum gibt es eigentlich den Ausspruch „Karate ist nur zur Selbstverteidigung“?
In vielen Büchern und historischen Schriften ist zu lesen, dass die Entstehung des Karate auf die Verteidigung des eigenen Lebens zurückzuführen ist. Der Ursprungort ist Okinawa, eine Insel zwischen China und Japan. Dort wehrten sich die Bewohner gegen Diebe, aber auch gegen die Willkür der Obrigkeit. In der Fortentwicklung von Karate wurde dieser Grundsatz dann weiter vermittelt. So beginnen die Formen im Karate – dort heißen sie Kata – immer mit einer Verteidigung gegen einen oder mehrere imaginäre Gegner.
Welche Werte werden beim Karate vermittelt?
In Karate sollen viele verschiedene Werte vermittelt werden. Die wohl bekanntesten sind sicher der Respekt, die Höflichkeit, die Disziplin, die Willensstärke, die Bewahrung der Selbstbeherrschung und die Selbstsicherheit.
„Die wichtigste Voraussetzung: Mut zum ersten Schritt“
Welche körperlichen Fähigkeiten werden besonders geschult?
Die Aussage mit dem ‚Wände hochlaufen‘ muss eher sinnbildlich betrachtet werden. Damit soll symbolisiert werden, dass diejenigen Dinge, die einem schier unmöglich erscheinen, mit Willensstärke möglich sind. Ansonsten stehen wirklich wichtige Fähigkeiten im Vordergrund, wie das Schulen des Gleichgewichts, der Koordination, der Motorik und der Konzentration.
Ist für Karate ein besonderes Talent nötig?
Das einzige Talent, das zu Beginn eines Karate-Trainings wichtig ist, ist der Mut den ersten Schritt zu machen. Ein asiatischer Philosoph sagte bereits richtigerweise: ‚Jede noch so lange Reise beginnt immer mit dem ersten Schritt‘. Und in der Philosophie der Kampfkünste ist nur wichtig, den ersten Schritt zu machen.
Herr Gruber, vielen Dank für das Interview.
Interview: Helmut Weigerstorfer
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Weitere Infos gibt’s unter www.karate-bayerwald.de oder auf der Homepage des Karate-Verbandes www.shitoryushukokai.de.
Wer mehr Informationen wünscht, kann einen Blick auf karate.zeitformat.de werfen.