Gary Wer? Das war die leicht zu erwartende Antwort der Internetgurus, als im Dezember 2012 im Rahmen der 50-Jahres-Konzerte der Rolling Stones ein gewisser Gary Clark Jr. als Gastauftritt in den USA angekündigt wurde. Nachdem bei den Shows in London noch die Haudegen Jeff Beck und Eric Clapton in die Saiten griffen, war zumeist Enttäuschung und Verärgerung die Reaktion seitens der Käufer der nicht gerade billigen Tickets. Es scheint so, dass selbst in seiner Heimat der junge Mann aus Austin/Texas bei den Rockfans (noch) nicht genügend bekannt und geschätzt ist.
„Mit Anleihen von Hendrix und Co. angereichtert – ohne abzukupfern“
Auch ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich ihn bei der TV-Übertragung des Stones-Konzertes in New Jersey zum ersten Mal zu Gesicht bekam – und gelinde gesagt zunächst skeptisch war. Die Vorschusslorbeeren stammen ja eher von seiner Plattenfirma – und der Tatsache, dass uns sein Heimatort Austin den legendären Stevie Ray Vaughan geschenkt hat. Wer aber seine zwar zurückhaltenden, aber doch äußerst griffigen Solos beim Klassiker “I’m going down” gehört hat, der wird die Ohren gespitzt haben. Nun steht also sein erster Longplayer vor der Tür (VÖ: 22. Februar; in USA bereits erhältlich) – und die ersten Durchläufe überraschen, aber keinesfalls negativ!
Nach seinen Live-Gastspielen bei Eric Clapton (Crossroads-Festival 2010) und den Stones konnte man schon erahnen, dass er ein eigenständiges Gitarrenspiel pflegt, das mit Anleihen bei Hendrix und den Altmeistern angereichert ist – ohne jedoch billig abzukupfern. Von seinen Gesangskünsten war noch nicht viel zu erahnen.
Gary Clark jr. beim Crossroads-Festival 2010: „Bright Lights“
Das Album “Blak and Blu” zeigt, wie schnell man sich doch vorab täuschen kann. Gary Clark beweist zwar immer wieder, dass gerade seine Fähigkeiten an der E-Gitarre den Titel “The Future of Texas Blues” nicht unverdient erscheinen lassen. Allerdings hält er sich oft bewusst zurück und lässt die tollen Songs in den Vordergrund treten. Anders als manch ein anderer aufstrebender Jung-Gitarrist der letzten Jahre will er nicht auf Teufel komm raus dem olympischen Motto “schneller-höher-weiter” folgen, sondern entspannt und gelassen auf seinen Qualitäten aufbauen. Dennoch lassen einige Soli (etwa bei “Numb”) den Lautstärkeregler nach oben wandern. Gut produziert ist das Ganze darüber hinaus auch noch.
Gesang: sehr ansprechend und lässig – Gespür für tolle Melodien
Gerade auch sein Gesang ist sehr ansprechend und lässig – die Songs zeigen eine interessante Bandbreite, die vor allem durch modernere Einflüsse aus Drum-Loops und Scratch-Einlagen spannend bleiben. Hier kommen unterschiedliche Elemente zusammen, etwa Hendrix’ “Third Stone from the Sun” angereichert mit funkigen Riffs, ohne angestrengt oder allzu bemüht nach Crossover zu klingen.
An vielen Stellen würde man da eher an den kleinen “Prinzen” aus Minneapolis denken, als an Stevie Ray Vaughan. Wenn auch Gary Clark noch etwas vorsichtiger als der ungestühme Prince komponiert, so zeigt er viel Talent und Gespür für tolle Melodien. Selbst vor radiotauglichen Hits (“The Life”) schreckt er nicht zurück, ohne diesen nicht gekonnt und geschmackssicher vorzutragen. Das wäre doch mal was für gelangweilte Bayern-3-Hörer – es muss ja nicht immer Bon Jovi und Co. sein …
Fazit: Ein großes Talent, dessen weitere Entwicklung hoffentlich spannend bleibt!
Tip: Am 22. Februar 2013 gastiert Gary Clark im Atomic Café in München: Eine gute Gelegenheit, ihn im (noch) intimen Kreis zu hören – wer weiß, wie schnell er in die faden Großhallen (Zenith lässt grüßen) umziehen wird oder muss. Das lass ich mir auf keinen Fall entgehen! Und für 26,55 Euro pro Ticket auch noch „etwas“ preisgünstiger als bei seinen Mentoren Keith und Mick …
Josef Massinger