Grafenau/Schönberg/Deggendorf/Regen. Im Dezember waren die fünf Musiker der Power-Metal-Band „Steel Engraved“ noch auf kleiner Europatour mit der amerikanischen Heavy-Metal-Combo „Iced Earth“ und den progressiven Schweden von „Evergrey“ unterwegs. Am vergangenen Wochenende spielten sie wieder in der Heimat – als Headliner in der Freyunger Diskothek „Freyheit“. Dort trafen sich die Hog’n-Redakteure mit den beiden Grafenauer Gitarristen Andy Straehler und Chris Wende, dem Schönberger Sänger Marco Schober sowie dem Drummer Daniel Kieslinger aus Regen und dem aus Deggendorf stammenden Bassisten Martin Kauschinger. Im Hog’n-Interview erzählen die Jungs, was den Metaller aus dem Bayerwoid ausmacht, dass ein guter Sänger bis zu vier Liter Wasser am Tag trinken sollte – und was ein Metaller vom österreichischen Gitarristen Peter Ratzenbeck lernen kann.

steel engraved schwarzweiß
Steel Engraved hatten irgendwann die Schnauze voll vom Covern. Andy Straehler (von links), Daniel Kieslinger,  Marco Schober, Martin Kauschinger und Chris Wende machen nun ihre eigenen Sachen. Foto: Steel Engraved

Wollten irgendwann eigene Sachen machen – das kommt gut an

Erzählt doch mal kurz, wie Ihr Euch damals bei der Bandgründung 2006 zusammengefunden habt?

Marco: Wir hatten früher mal eine Judas-Priest-Coverband namens „British Steel“. Irgendwann hatten wir aber dann die Schnauze voll vom Covern – und wollten schauen, wie’s ankommt, wenn wir eigene Sachen machen. Und momentan kommt das recht gut an, das passt!

Werbung
       

Ist die Musik eher noch Hobby – oder ist sie schon zum Beruf geworden?

Marco: Es ist natürlich schon ein Ziel, die Musik zum Beruf zu machen. Aber es ist unendlich schwer, dass jeder in der Band davon leben kann.

Wie weit seid Ihr von diesem Schritt entfernt? Steht Ihr kurz vor dem großen Durchbruch?

Werbung
       

Marco: In der Metal-Szene wahrscheinlich schon, ja. Aber es ist, wie gesagt, nicht leicht – selbst die großen Bands haben ihre Schwierigkeiten…

Das brandneue Video von Steel Engraved: Pray for the Dead:

Wo genau liegt das Problem? Liegt es daran, dass Heavy Metal zu wenig populär ist?

Andy: Der Hauptgrund ist: An einer CD ist nichts mehr verdient! Im Zeitalter des Downloads drängt alles auf die Straße. Jeder muss spielen – und deshalb ist das Live-Angebot auch sehr übersättigt. Wenn man sich nur einmal die Plakate an den großen Konzerthallen durchliest und sieht, welche Kracher da innerhalb von zwei Wochen auftreten, ist es fürs Publikum häufig schon sehr schwer sich für ein Konzert zu entscheiden. Letztendlich bleibt den Bands aber nichts anderes übrig als viele Auftritte zu machen. Zu den Haupteinnahmequellen gehören dann Merchandising-Artikel wie T-Shirts oder Armbänder, die es vor und nach den Konzerten zu kaufen gibt. Darauf setzen überwiegend auch die großen Bands.

Metal-Sänger sollen viel schlafen und vier Liter Wasser am Tag trinken

Wir haben Dich vorhin beim Soundcheck singen gehört, Marco. „Heart of Steel“ von Manowar. Wir hatten beide Gänsehaut, konnten zum Original keinen Unterschied feststellen. Verrat uns bitte: Wie bekommt man so eine Stimme hin?

Marco by Florian Stangl
Sänger Marco Schober hatte keine Gesangsausbildung. Er hat sich alles selber angeeignet. Fotos: Florian Stangl

Marco: Keine Ahnung (lacht). Man soll eigentlich ganz viel schlafen, soll nicht rauchen, soll mindestens vier Liter Wasser am Tag trinken – und wenn man raucht, pro Zigarette sogar einen halben Liter mehr.

Und hälst Du Dich auch daran?

Marco: (grinst) Nein, nicht wirklich. Aber ich lass‘ mir auch regelmäßig die Stimmbänder vom  Doktor anschauen. Meistens heißt es dann, dass sie vom Rauchen entzündet sind – aber sonst nichts weiter fehlt.

Hast Du eigentlich eine richtige Gesangsausbildung gemacht?

Marco: Nein, gar nix. Die anderen haben damals gesagt: Wir machen eine Judas-Priest-Coverband. Deren Sänger Rob Halford schreit halt recht hochstimmig – und dabei hab‘ ich mir das irgendwie angeeignet.

Welche gesanglichen Vorbilder hast Du?

Eric Adams von Manowar unter anderem, klar. Aber das größte Vorbild ist eigentlich Geoff Tate von Queensrÿche. Und alle drei Sänger von Helloween natürlich.

Euer Power Metal-Stil ist ja auch von Helloween beeinflußt …

Marco: (lacht) Auf alle Fälle! Aber zu meinen Favoriten gehören auch Iron Maiden, Judas Priest, Stratovarius und Edguy.

Und Du, Martin, sicher Iced Earth, oder? (Martin trägt einen Iced Earth-Pulli)

Martin: (protestierend) Nein, nein! Eher Death Metal: Cannibal Corpse und so. Aber ich mag das hier mittlerweile auch ganz gerne … (lautes Gelächter)

Sich inspirieren lassen – auch von Jazz oder Peter Ratzenbeck

kauschi by Florian Stangl
Martin Kauschinger: „Ich habe mich auch mit Jazz beschäftigt, denn man bracht ein gewisses Spektrum an Vorbildern. Das finde ich wichtig: sich inspirieren zu lassen.“

Habt Ihr noch weitere Vorbilder?

Chris: Zakk Wylde und Black Label Society zum Beispiel. Aber auch das akustische Finger-Picking vom Österreicher Peter Ratzenbeck. Was ich mir anhöre, ist eigentlich breit gefächert und gar nicht so viel Heavy Metal.

Martin: Ich habe mich auch viel mit Jazz beschäftigt (wieder breites Schmunzeln allerseits). Das ist zwar wieder ganz was anderes – aber ich denke, man braucht auch ein gewisses Spektrum an Vorbildern. Das finde ich ganz wichtig: sich inspirieren zu lassen.

Was versteht man eigentlich unter einer „modernen Power-Metal-Band mit symphonischen Zügen“, wie wir im Vorfeld in Eurer Bandbeschreibung gelesen haben?

Andy: Letzendlich liegt es am Sound, der auf unserem neuen Album ‚On High Wings We Fly‚ schon sehr einzigartig ist – hauptsächlich was die Drums, aber auch was den Gitarren-Sound betrifft. Auch wenn der Stil sehr von der Musik der 80er geprägt ist: Der Sound klingt sehr modern. Zusätzliche Keyboards machen das Ganze sehr rund und melodiös. Aber live haben wir das Keyboard meist nicht dabei.

Warum denn nicht?

Andy: Es sind ja nur einige Songs mit Keyboard untermalt – und wir wollen ganz einfach in der jetzigen Besetzung bleiben. Es hat außerdem auch praktische Gründe: eine Sechs-Mann-Truppe als Vorband auf der Bühne unterzubringen ist nunmal nicht ganz einfach.

Songs inspiriert vom „Arabischen Frühling“ bis zu Walhalla

Power-Metal-Bands wird manchmal vorgeworfen, dass ihre Texte oft sehr positiv, sehr fröhlich sind. Häufig sind sie auch von Fantasy oder epischen Schlachten inspiriert. Bei Euch auch?

Marco: Der Titelsong von unserem neuen Album ist schon sehr klischeehaft. Aber er passt einfach – da ist Walhalla mit drin und solche Dinge (lacht). Im Grunde beschäftigen wir uns jedoch schon mit Themen, die in der Welt gerade passieren.

Andi by Florian Stangl
Andy Straehler: „Als Power-Metal-Band sind wir nirgends extrem – weder musikalisch noch textlich.“

Andy: Unser Opener „Desert up rising“ beschäftigt sich mit dem Arabischen Frühling, der während der CD-Aufnahme sehr aktuell war. Musikalisch sind uns dabei sofort Iron Maiden-typische Riffs eingefallen. Aber es ist auch richtig, dass wir als Power-Metal-Band nirgends extrem sind – weder musikalisch noch textlich. Es gibt keinen Radikalismus oder Extremismus bei uns – in welche Richtung auch immer.

Mit dem Gründer von Vicous Rumours  – DER amerikanischen Power-Metal-Band – habt Ihr Euer aktuelles Album produziert. Wie war die Zusammenarbeit mit Geoff Thorpe?

Andy: Super, sehr familiär. Er hat einige Vorschläge gemacht, die mehrere Songs massivst beeinflusst haben. Es hat manchmal Kompromisse gegeben, aber es gab nie Situationen, wo wir uns nicht geeinigt hätten. Seine Hauptaufgabe liegt ganz klar im Produzieren, im Finden von Sound, im Arrangement – und auch in den Texten.

Wenn wir Bayern Texte schreiben, kommt manchmal was weiß ich was heraus. Es ist natürlich nicht verkehrt, wenn da mal ein Amerikaner drüberliest (großes Gelächter). Sein Schwerpunkt aber liegt ganz klar im Gesang. Er ist wahrscheinlich einer der besten Gesangsproduzenten überhaupt.

Das Wichtigste: die Fans – Schön, wieder dahoam zu spielen

Ihr seid ja erst von Eurer kleinen Europatournee mit Iced Earth zurückgekehrt, hattet Auftritte in England, Holland und Belgien. Wie war’s denn? Und: Seid Ihr zu Hause vermisst worden?

Marco: Das war die erste größere Tour für uns. Für meine Frau war es jetzt nicht so schlimm, denn wenn ich unter der Woche auf Montage arbeite, bin ich ja auch nicht daheim. Aber die Kinder haben’s schon schwer gehabt: Nach dem vierten, fünften Tag, fragen sie Dich dann weinend am Telefon, wann Du wieder kommst … Aber an sich ist das Tourleben schon geil. Vor allem mit dem Nightliner: Man muss nicht in irgendwelchen Hotels oder Absteigen schlafen, sondern kann nach dem Konzert duschen, steigt in den Bus, legt sich in die Koje – und fertig.

Steel Engraved Tournee
Auf ihrer Europa-Tournee spielten Steel Engraved vor einem begeisterten Publikum in vollen Hallen. Foto: Steel Engraved

Und wie seid Ihr beim internationalen Publikum angekommen?

Marco: Sehr sehr gut! Brutal (lacht)!

Andy: Wir haben vor 600 bis 1000 Leuten gespielt. Die Hallen waren immer gut gefüllt. Und das Verhältnis zwischen Haupt- und Vorband war immer sehr familiär. Normal ist das nicht immer so.

Ist es dann nicht etwas komisch, wenn Ihr jetzt wieder zu Hause seid – und so wie heute in einer kleineren Disco einen Gig spielt?

Chris: Nein, überhaupt nicht. Dafür sind wir heute ja wieder der Headliner (alle lachen). Bei Facebook hat’s schon 150 Zusagen gegeben für den Auftritt in der Freyheit. Das freut mich persönlich immer wieder, wenn sich daheim so viele Leute für uns begeistern.

Andy: Hier ist es genauso super wie auswärts. Es kommen ja auch viele Freunde und Verwandte. Es ist klar, dass London-Underworld etwas anderes ist als Freyung-Freyheit. Tour-Konzerte kann man ja mit solchen Gigs wie heute auch nicht vergleichen. Die Bands, mit der wir auf Tour waren, spielen auch daheim ihre kleineren Konzerte. Das ist nichts Ungewöhnliches.

Marco: Ich find auch: Es ist schön, wieder daheim zu spielen. Denn die Leute, die uns nach oben bringen – und uns schon Jahre lang die Treue halten, die sind jetzt auch wieder da. Das Wichtigste sind einfach die Fans.

Brasilianische Metal-Fans sind offener als andere

Was unterscheidet denn jetzt eigentlich den Metaller ausm Woid von den Metal-Fans in London oder Rotterdam?

Marco: Der Unterschied liegt in der Mentalität. In Brasilien haben wir zwar noch nicht gespielt, aber die Leute dort sind total offen für alles und flippen schon beim ersten Lied aus. Und dann fährst Du in ein Land wie Belgien, wo du die Leute erst ab dem dritten oder vierten Lied an Dich reißt. Aber irgendwann sind alle gleich …

Chris by Florian Stangl
Chris Wende: „Irgendwann sind sie alle froh, wenn die Gaudi zu Ende ist.“ Fotos: Florian Stangl

Chris: Ja, irgendwann sind sie alle froh, wenn die ganze Gaudi zu Ende ist … (großes Gelächter)

Marco: Ich denke: Der Bayer verträgt halt ein wenig mehr und braucht deshalb auch ein etwas mehr Bier, bis er so richtig aus sich rausgeht. Und beim Chinesen geht’s halt ein bisschen schneller – der ist schon nach einer Halbe so drauf, wie wenn der Bayer zehn Bier gesoffen hätte (lautes Gröhlen).

Sind für 2013 auch schon größere Konzerte oder Touren geplant?

Andy: Der Schwerpunkt liegt heuer auf Festivals. Bestätigt sind schon Konzerte bei den „Metaldays“ in Slowenien oder beim „Burning Sea“ in Kroatien.

Wie siehts mit „Wacken“ aus?

Andy: Das ist noch kein Thema. Natürlich ist es für jede Band ein großes Ziel dort zu spielen. Aber da müsste eine starke Agentur und ein starkes Label dahinter stecken. Die Zeichen dafür stehen aber schon recht gut. Wir sind recht zuversichtlich … Und ‚Burning Sea‘ ist ja schon mal das ‚Wacken des Südens‘!

Das Herz des Metals schlägt bei uns in Mitteleuropa!

Aufgrund der Europatour, dem beständigen Aufstieg und der wachsenden Fangemeinde seid Ihr mittlerweile zu einer recht bekannten Metal-Kapelle mutiert. Was ratet Ihr anderen Bands ausm Woid, die ähnlich erfolgreich wie Ihr werden möchten?

Daniel by Florian Stangl
Daniel Kieslinger sorgt für die Power an den Drums.

Andy: Sich auf der Stelle eine anständige Arbeit zu suchen … (Gelächter).

Martin: Das ist schwierig … Jede Band braucht ihre Zeit bis sie im Umkreis bekannt wird. Und irgendwann muss man halt dann auch einmal einen Schritt nach vorne machen und etwas riskieren.

Chris: Es ist wichtig, dass Du als Band schnell handelst und spontan bist. Du musst jede Chance nutzen – ob Konzerte oder Booking-Agenturen. Wenn man eine große Agentur bekommt, dann muss es heißen: Klar, das mach ich! Aber das bedeutet dann eben auch, dass man ein halbes Jahr lang keine Freizeit mehr hat, weil man immer am Wochenende spielen muss.

Andy: Auf unserer ersten Tour vor zwei Jahren haben wir eine Vorband namens „The Sunpilots“ kennen gelernt. Das waren Australier, die beschlossen haben für mehrere Jahre nach Europa zu gehen, um zu schauen, ob sie hier was erreichen können. Und heute sind sie mit ihrem Album in den Charts vertreten. Respekt! Sie sind damals nach Berlin gezogen, haben alles übers Internet und Facebook gemacht – und sind jetzt massiv unterwegs.

Es gibt manche Klischees, die nicht so recht stimmen: Die meisten Bands denken immer, man muss in die Staaten rüberfliegen, um den Durchbruch zu schaffen. Aber genau das ist verkehrt! Denn die kleinen Bands aus den Staaten kommen zu uns rüber. Mitteleuropa ist das beste Pflaster zum Anfangen. Wenn man versucht das Land ein bisschen abzugrasen, wirst Du auch automatisch bekannter. Da kann man sich gar nicht dagegen wehren. Die Sunpilots haben’s richtig vorgemacht: Die hätten auch in die Staaten gehen können, haben sich aber bewusst für Mitteleuropa entschieden. Und das war der richtige Schritt, weil: Das Herz des Metals schlägt nunmal bei uns!

Vielen Dank für das Interview – und: Metal On!

Interview: Jason Ditshej und Stephan Hörhammer


Dir hat dieser Artikel gefallen und du möchtest gerne Deine Wertschätzung für unsere journalistische Arbeit in Form einer kleinen Spende ausdrücken? Du möchtest generell unser journalistisches Schaffen sowie die journalistische Unabhängigkeit und Vielfalt unterstützen? Dann dürft ihr das gerne hier machen (einfach auf den Paypal-Button klicken).


0 Kommentare “Steel Engraved: „Das Herz des Metals schlägt bei uns in Mitteleuropa!“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert