Philippsreut/Hauzenberg/Mauth/Außernbrünst. Junge Männer mit Trikots, Kappen und Schals in den Farben ihrer Mannschaft halten stumm auf der Tribüne einen Banner mit der Aufschrift „12 Minuten und 12 Sekunden – ohne Stimme keine Stimmung“ in die Höhe. Wo sonst wilde Fangesänge, begleitet von Trommeln und rhythmischem Klatschen, die Atmosphäre aufheizen, war in den vergangenen Wochen lediglich verdächtiges Schweigen in den deutschen Fußball-Stadien wahrzunehmen. Doch der stille Fan-Protest war umsonst, denn das DFL-Sicherheitskonzept ist beschlossene Sache. Dass die verschärften Sicherheitsvorkehrungen bei den Fußballfans und „Ultras“ keine Harmonie hervorruft, war jedem klar. Aber was sagen die Fanclubs aus der Region zu dieser Entscheidung? Wir haben bei vier Vorsitzenden nachgefragt.
Jürgen Fenzl, „Grenzlandlöwen“ aus Philippsreut:
Die Mitglieder des Fanclubs verfolgten die Spiele des TSV 1860 München in den vergangenen Monaten „ganz normal“ – ohne bewusst auf den 12:12-Protest einzugehen. Fenzl betont, dass die Sicherheit aller Zuschauer Vorrang habe und deswegen Pyrotechnik ein erhebliches Sicherheitsrisiko sei. Außerdem sollte die Zusammenarbeit zwischen Verein und Fans im Einklang stattfinden, um gemeinsam gegen die schwarzen Schafe vorzugehen, die mit Pyrotechnik hantieren. Allerdings, so fragt sich der zweite Vorstand der Grenzlandlöwen: „Wer soll für die strengeren Kontrollen mit mehr Personal finanziell aufkommen?“ Er glaubt, dass dies nicht Aufgabe des Steuerzahlers sei, sondern der Verein dafür sorgen müsse, Gewalt durch mehr Personal zu unterbinden. Denn Sicherheit müsse eine Selbstverständlichkeit sein. Obwohl im Philippsreuter Fanclub geteilte Meinung über das Sicherheitspapier herrscht, ist sich Jürgen Fenzl sicher, dass der wahre Fußballfan größtenteils hinter dem Konzept stehe und deshalb auch die Proteste in den Stadien zeitnah nachlassen werden.
Harry Knödlseder, „Bayernpower-Hauzenberg„:
Die Vorstandschaft rund um Harry Knödlseder wollte zu unseren Fragen keine Stellung nehmen. Knödlseder erklärt, dass der Bayern Fanclub in Hauzenberg über 350 Mitglieder hat und somit die Antwort nie im Sinne aller wiedergegeben werden könne – egal wie man argumentiere. Somit hat sich die Mehrheit des Fanclubs dazu entschieden, die Fragen nicht zu beantworten.
12 Minuten 12 Sekunden ohne Stimmung: So lief das beim Spiel Dortmund-Wolfsburg
Heiner Ratzesberger, Bayern-Fanclub „Pondarosa“ in Mauth:
Der Vorstand des Fanclubs ist auch hier geteilter Meinung über das Sicherheitspapier. Man brauche einerseits verschärfte Vorkehrungen, um den Stadionbesuch sicherer zu machen; andererseits seien es jedoch nur Einzelfälle, die versuchen gefährliche Gegenstände wie Messer und Pyrotechnik ins Stadion zu bringen – wofür die Mehrheit nun bestraft werde. Ob das Sicherheitspapier einen Erfolg bringt, ist für den ersten Vorsitzenden fraglich, denn: „Wer Messer oder Pyrotechnik ins Stadion schmuggeln will, der schafft das auch!“ Solange die Umsetzung des Konzeptes im angemessenen Rahmen vollzogen werde, sei das vollkommen in Ordnung und werde auch die Fankultur nicht schädigen, ist Heiner Ratzesberger überzeugt. „Denn die Fans wollen das Spiel sehen und werden sich von den verschärften Sicherheitsvorkehrungen nicht aufhalten lassen.“ Dass es künftig weitere Protestaktionen geben wird, schließt der Bayern-Fan nicht aus. Er warnt jedoch gleichzeitig davor, dass dadurch in erster Linie der Mannschaft geschadet wird, die man ja eigentlich unterstützen wolle. Deswegen solle man baldmöglichst wieder zur Normalität zurückfinden.
Walter Bauer, Schalke-Fanclub „Bavarian Forest“ Außernbrünst:
Das Sicherheitspapier ist laut Walter Bauer ein Kompromiss-Angebot an die Politik – um zu zeigen, dass man etwas unternehme und um Zeit zu gewinnen. Verantwortlich dafür, dass es überhaupt so weit gekommen ist, seien in erster Linie die Fanclubs selbst sowie die Vereine, die es nicht schaffen, die Ultras in den Griff zu bekommen. Der Vorstand des Schalke-Fanclubs erklärt weiter, dass es beispielsweise sinnvoll sei, die Kontrollen an den Stadioneingängen zu verschärfen, Ordnungskräfte zu schulen und der Polizei mehr Kompetenzen zuzuschreiben. Dass die Fankultur durch das Sicherheitspapier geschädigt werde, schließt Bauer aus. Der „echte Fan“ werde nach wie vor ins Stadion gehen und auch von den verschärften Sicherheitsvorkehrungen verschont bleiben, solange er sich friedlich verhält. Und wenn die randalierenden und vermummten Fans nicht mehr ins Stadion kommen, sei ohnehin mehr Platz für die wahren Fans – was wiederum für die Stimmung nur gut sein könne, ist Bauer überzeugt.
Daniela Jungwirth