München/FRG. „Das ist wohl das überflüssigste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten“, zeigte sich jüngst Landtagsabgeordneter Alexander Muthmann (Freie Wähler) recht verwundert über eine Aktion des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums. Denn dieses hat an alle Grundschulen Bayerns Anfang Dezember ein Päckchen Heu verschickt. Darin enthalten war außerdem ein Brief mit der Erklärung, woher das Heu stammt und warum es so besonders ist. Publik wurde die Aktion vor kurzem durch einen Bericht des BR-Satiremagazins „quer“. Demnach wurden 120 000 Euro für die Heu-Packerl ausgegeben.
http://youtu.be/fZY8qbswKgQ
Muthmann: „Es fehlt an Lehrern, mobile Reserven sind Mangelware“
„Das Geld hätte doch weitaus sinnvoller verwendet werden können“, ist Muthmann überzeugt. „Überall fehlt es an Lehrern, mobile Reserven sind Mangelware.“ Und dann werde Heu nicht nur an Kinder verschickt, die zum Beispiel in der Großstadt wohnen, sondern auch an all diejenigen, die auf dem Land wohnen und vielleicht sogar einen Bauernhof daheim haben. „Dass sich viele Lehrer bei solchen Botschaften nicht mehr ernst genommen und unterstützt fühlen, ist meines Erachtens nach absolut verständlich.“
„Wir haben heuer im Sommer das Programm ‚Erlebnis Bauernhof‚ gestartet, eine Gemeinschaftsinitiative des Landwirtschafts- und des Kultusministeriums. Es soll jedem Grund- und Förderschulkind in Bayern mindestens einmal einen Tag auf einem Bauernhof ermöglichen“, teilt Hubertus Wörner, Pressesprecher des Landwirtschaftsministeriums, auf Hog’n-Nachfrage mit. Die Kinder sollten dabei aktiv erleben, wie Lebensmittel entstehen und welcher Aufwand und welche Verantwortung damit verbunden sind. „Das wissen nämlich leider immer weniger Kinder“, so Wörner. Selbst auf dem Land sei dies keine Selbstverständlichkeit mehr, auch wenn es hier von Schule zu Schule sicherlich Unterschiede gebe. Mit dem Programm ‚Erlebnis Bauernhof‘ will das Ministerium deshalb „Verständnis dafür wecken, wie bäuerliche Arbeit, Lebensmittelproduktion, Natur und Umwelt miteinander zusammen hängen“. Gleichzeitig solle so die Wertschätzung für Lebensmittel verbessert werden. Wörner: „Die auch in Bayern hohe Wegwerfquote bei Lebensmitteln zeigt ja, dass es hier Handlungsbedarf gibt.“
Wörner: „Kinder sollten nicht nur nackte Informationen bekommen“

„Das Heu sollte neugierig machen auf den Bauernhof-Besuch“ Foto: Andreas Hermsdorf/pixelio.de
Das Programm sei konzipiert für die dritten und vierten Klassen von Grund- und Förderschulen. Alle teilnehmenden Bauernhöfe seien speziell qualifizierte Betriebe und bieten Wörner zufolge Lernprogramme an, die auf Lehrplan und Betrieb zugeschnitten sind, etwa „Vom Korn zum Brot“ oder „Vom Gras zur Butter“. Zur Vor- und Nachbereitung im Unterricht wurden Themenblätter entwickelt, „denn mit einem Erlebnistag am Bauernhof allein ist es ja nicht getan“, so der Pressesprecher weiter. Voraussetzung für den Erfolg des Programms sei neben einem möglichst flächendeckenden Angebot an qualifizierten Bauernhöfen das Interesse der Schüler und Lehrer an so einem „Lerntag“ am Bauernhof.
Deshalb habe man mit Einverständnis des Kultusministeriums die Schulen angeschrieben, um über die Aktion zu informieren und Interesse zu wecken. Dass neben dem Anschreiben, Faltblatt, Plakaten und Postkarten auch ein „Heu-Packerl“ mitgeschickt wurde, habe folgenden Hintergrund: „Kinder lernen am besten mit allen Sinnen. Sie sollten nicht nur nackte Informationen bekommen. Das Heu sollte neugierig machen auf den Bauernhof-Besuch und dazu ermuntern, das Thema im Unterricht zu behandeln: Fragen zu stellen oder von eigenen Erlebnissen bei der Heuernte zu erzählen.“
Wörner: „Leider wird die Aktion jetzt sehr unterschiedlich gewertet“
„Leider“, sagt Wörner, „wird die Aktion jetzt sehr unterschiedlich gewertet.“ Es gebe kritische, aber auch ausgesprochen positive Reaktionen der Schulen. „Was die Kosten betrifft, müsse man sehen, dass über 3.600 Grund- und Förderschulen und mehr als 11.000 Klassen angeschrieben wurden, um das Programm ‚Erlebnis Bauernhof‘ landesweit zu bewerben“ – und schließlich sei ja nicht nur Heu in dem Päckchen gewesen, so Wörner. Dies alternativ mit einer Anzeigenkampagne in den Zeitungen zu erreichen, hätte rund 170.000 Euro gekostet. „Und wenn man die Gesamtsumme auf die Kinder umrechnet, sind das rund 50 Cent pro Kind – für ein anerkannt gutes Programm, das man auf diesem Weg nochmals pushen kann.“ Viele Lehrer seien so erst aufmerksam geworden und würden bereits nach passenden Bauernhöfen in ihrer Umgebung suchen.
Für Landtagsabgeordneten Alexander Muthmann ist und bleibt die Antwort aus dem Landwirtschaftsministerium unbefriedigend. Für ihn steht fest: „120.000 Euro für Heu-Packerl ist rausgeworfenes Geld!“
Da Hog’n
Wir haben auch zwei einzelne Heupäckchen bekommen. Haben uns erst gewundert, dann gelacht und schließlich über die Geldverschwendung geärgert.