Schönberg. „Wenn man die momentane Kälte mit extremer Kälte vergleicht, ist es gar nicht so kalt“, sagt Pater Justin Augustin und lächelt. Ursprünglich stammt der Mann mit den dunklen, freundlichen Augen aus einer mittelständischen Familie im südindischen Bundesland Kerala, wo zurzeit angenehme Temperaturen von rund zwanzig Grad herrschen. Trotzdem findet er die Kälte in Schönberg nicht so schlimm, weil er gerne vergleicht und damit viele Dinge relativiert – so könne man die eigene Situation häufig besser akzeptieren lernen. Als er vor fünf Jahren nach Deutschland gekommen ist, zunächst nach Rinchnach und dann in die Pfarrei Schönberg, hatte er mit dieser Einstellung auch keine größeren Probleme sich auf die Waidler einzulassen.
„Hier sind viele Leute, die mir mit Liebe und Fürsorge begegnen“
„Wenn ich in ein anderes Land gehe, muss ich die Lebensweise der Leute dort akzeptieren.“ Pater Justin gefällt es im Markt Schönberg – er fühlt sich aufgenommen und integriert „Eigentlich vermisse ich nichts, weil hier viele nette Leute sind, die mir mit Liebe und Fürsorge begegnen. Mir gefallen die mitfühlenden Worte wie ‚O mei‘, wenn ich zum Beispiel etwas Trauriges erzähle.“ Es gefällt ihm sogar so gut, dass er Weihnachten im Woid feiern wird.
Doch wie wird eigentlich in seiner indischen Heimat das Weihnachtsfest begangen? „Weihnachten ist ein Familienfest, an dem die Kinder Geschenke bekommen. Den Christbaum gibt es auch – aber keine Tanne, sondern einen einheimischen Baum, der im Freien steht und mit Luftballons, Kerzen, Kugeln und Sternen dekoriert wird.“ Als Ersatz für den Schnee kleben die Inder Watte-Stückchen an die Zweige. An Weihnachten gehen Gruppen mit einer Jesus-Statue herum und singen und tanzen vor jedem Haus. Mit dabei ist Santa Claus und verteilt Süßigkeiten. Außerdem werden Feuerwerke veranstaltet. „Nach dem Gottesdienst am Heiligen Abend essen wir dann Kuchen im Kreise der Familie. Der wird in Indien aber in der Bäckerei gekauft, da es zu Hause keinen Backofen gibt, weil der Strom dafür zu teuer wäre.“
Probleme mit dem Dialekt: „Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich“
Mit Elektrizität kennt er sich aus – während des Priesterseminars hat er eine zusätzliche Berufsausbildung absolviert: Pater Justin ist gelernter Elektromechaniker. Wenn er irgendwann wieder zurück nach Indien geht, wird er neben seiner Priestertätigkeit an einer Berufsschule unterrichten. Bereits in der siebten Klasse, sagt er, war sein Traumberuf Priester. Er ging nach seiner Schulzeit ins Priesterseminar des Karmeliterordens, das fünfzehn Jahre dauern sollte. 2004 wurde er im Alter von 30 Jahren zum Priester geweiht. Nach Deutschland ließ er sich freiwillig versetzen – weil er daran interessiert ist, andere Kulturen kennenzulernen.
Etwas überrascht war er dann aber doch, als ihn das Bistum Passau in den Bayerwald schickte. „Ich bin Priester und will nicht in den Wald – vielleicht ab und zu zum Spazieren gehen“, blickt er zurück auf eine gewisse Anfangsskepsis. Und dann auch noch dieser Dialekt, die bayerische Mundart. „Zu Beginn war das nicht leicht für mich – aber jetzt verstehe ich die Leute ganz gut. Nicht Wort für Wort, aber den Zusammenhang. Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich. Texte, die ich für den Gottesdienst schreibe, lasse ich korrigieren. Und leider verbessern mich die wenigsten, wenn ich rede – meistens nur die Kinder. Das ist schade, weil ich damit aus Fehlern nicht lernen kann.“ Vor seiner Abreise machte er in Indien einen dreimonatigen Deutsch-Grundkurs und danach einen sechsmonatigen Intensivkurs in Nordrhein-Westfalen. Inzwischen verwendet er sogar Ausdrücke wie „I bin’s!“ , „Passt scho!“ , „Pack ma’s!“, „Habe die Ehre!“, „Pfiat di!“ und „Schau ma moi!“. Kaiserlich.
Pater Justin sucht ständig den direkten Kontakt zu den Menschen
Und zum Reden hat er viele Gelegenheiten, denn: Pater Justin steht in engem Kontakt zu den Leuten in der Pfarrei Schönberg, zu der die Orte Eppenschlag, Eberhardsreuth und Kirchberg gehören. Vor allem setzt er auf die Jugend. Er versucht allen Ministranten im Pfarrverband zum Geburtstag einen Besuch abzustatten – und das sind um die hundert. Trotz der vielen Termine ist er nicht gehetzt und blickt kein einziges Mal auf die Uhr. Pater Justin ist engagiert und möchte den Kindern und Jugendlichen etwas bieten in der katholischen Kirche. So finden, seit er in Schönberg ist, auch wieder Jugendgottesdienste statt. „Ich möchte neue Winkel aufzeigen. Für einen Gottesdienst zum Thema Licht habe ich mit einer Gruppe einen Leuchtturm gebaut. Damit verbinde ich meinen Beruf als Elektromechaniker mit dem Beruf des Priesters.“ Für diesen Jugendgottesdienst hat er viel Lob aus der Bevölkerung bekommen.
Zur katholischen Kirche: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“
Wie sieht der indische Pfarrer eigentlich die Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland? „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, antwortet Pater Justin Augustin mit diplomatischem Unterton – näher möchte er darauf nicht eingehen. Er findet es nur schade, dass so wenige Kinder beim Gottesdienst zu Besuch sind. „Die Kinder müssen von Anfang an mit in die Kirche, sonst können sie kein Teil davon werden und es bleibt immer nur ein Ort, an dem sie leise sein sollen.“ Wenn Pater Justin Augustin zurück nach Indien geht, wird er vor allem von den wohlwollenden Menschen im Bayerischen Wald erzählen. Aber auch an den deutschen Winter mit viel Schnee und Kälte wird er sich noch lange erinnern. Und dann muss er sich die Kälte auch nicht mehr relativieren.
Nadine Vogl