Solla/Waldkirchen. Das Geschehene ist längst vergessen. Anton Aschenbrenner blickt auch nicht auf das Vergangene zurück. „Es ist, wie es ist. Man kann sowieso nichts ändern. Außerdem gibt es kein richtig oder falsch – wonach soll man es denn bemessen?“ Seine Geschichte sorgte für große Schlagzeilen, vor allem innerhalb der katholischen Kirche. Doch das ist längst vergessen. Mittlerweile ist der 50-Jährige selbstständiger Seelsorger, er organisiert individuelle Trauerfeiern, Taufen und Hochzeiten. Gleichzeitig gilt er als wohl größter Rebell der katholischen Kirche im Bayerischen Wald.
Ein Rückblick: Schon von Kindesbeinen an steht für Anton Aschenbrenner fest, dass er später Priester werden möchte. In seiner Heimatgemeinde Roding (Lkr. Cham) engagiert er sich früh in kirchlichen Organisationen. Das Hinterfragen vieler religiöser Ereignisse wird ihm dabei praktisch in die Wiege gelegt. „Meine Familie war religiös, aber sehr kritisch religiös.“ Der junge Mann führt nach eigenen Aussagen ein konsequentes Leben. Nach seinem Abitur in Cham studiert er Theologie in Passau und Würzburg. 1987 wird er Diakon, 1988 Priester. Nach seiner ersten Station in Zwiesel kommt er nach Hintereben. Dort wird sein Leben einen entscheidenden Wandel nehmen, er wird praktisch zur „Persona non grata“ der katholischen Kirche.
Der junge Geistliche, der gleichzeitig als Lehrer am Waldkirchner Gymnasium beschäftigt ist, findet sich in Hintereben schnell zurecht. Er ist beliebt, fühlt sich wohl dort. Zuerst wohnt er auf einem Bauernhof, später zieht er ins Pfarrheim. Schon in dieser Zeit hinterfragt Anton Aschenbrenner viele Dinge innerhalb der katholischen Kirche. „Aber man hat die Schwächen einfach uminterpretiert und anders gesehen.“ Der Jung-Pfarrer hat nur ein Ziel vor Augen: Er möchte sich im „Welt-Apparat“ Kirche engagieren und so die Welt verändern – alles andere wird ausgeblendet oder hingenommen. Wie das Zölibat. „Ich hatte überhaupt keine Probleme mich daran zu halten.“
„Diözese hat’s bald erkannt, aber die haben ein Auge zugedrückt“
Bis ihm seine heutige Frau Birgit, auch Lehrerin am Gymnasium in Waldkirchen, über den Weg läuft. Sie zieht 1995 in den Pfarrhof ein und lebt mit Anton Aschenbrenner zusammen – wohl wissentlich, dass dies gegen die Regeln der katholischen Kirche verstößt. „In der Pfarrei war das allen klar. Auch die Diözese hat es bald erkannt. Aber die haben ein Auge zugedrückt“, erzählt er mit fester Stimme. Acht Jahre geht das Ganze gut. Die Hinterebener stehen hinter ihrem Geistlichen, die Diözese breitet den Mantel des Schweigens darüber. Bis zum 6. Januar 2003.
An diesem Tag wird Anton Aschenbrenner von der katholischen Kirche suspendiert – etwas später folgt seine Exkommunikation. „Die haben mir ans Herz gelegt, meine Frau in die Wüste zu schicken.“ Ein Schlag ins Gesicht für den aufstrebenden Theologen. Soviel Fleiß und Schweiß hatte er in seine Arbeit investiert, zu gerne wollte er in der katholischen Kirche etwas bewegen. Dennoch war für ihn dieser Schritt absehbar. „Der Entfremdungsprozess ist schon länger gelaufen. Trotzdem war es am Anfang ein regelrechter Zusammenbruch.“
Anton Aschenbrenner und die katholische Kirche – das ging einfach nicht mehr. Zwar fühlte er sich innerhalb der Gemeinschaft wohl, der Umgang mit den Menschen tat ihm gut. Dennoch klafften einige unüberwindbare Schluchten zwischen dem Theologen und der Geistlichkeit. „Die katholische Kirche stellt sich einfach schlecht dar. Die Veränderungen und Reformen hätten radikaler durchgeführt werden müssen, nicht so sanft.“ Aschenbrenner stört vor allem, dass die Kirche Gott regelrecht in Besitz nimmt und für sich allein beansprucht. Außerdem ist er mit deren Gottesbild nicht einverstanden: „Der steht ja immerzu nur für Schuld und Angst.“
Das alles konnte Aschenbrenner nach seiner Suspendierung hinter sich lassen. Dass er dadurch den Eid gebrochen hat, den er einst bei der Priesterweihe geschworen hatte, ist für ihn nicht weiter schlimm. „Erstens sagte Jesus selbst, man soll nicht schwören. Zweitens muss man sich einfach trennen, wenn es nicht mehr anders geht.“ Der 50-Jährige erzählt das alles mit großer Überzeugung. Er hat aus seiner Sicht das einzig Richtige gemacht. Er steht zu dem, was er getan hat und was er jetzt tut. Und er fühlt sich in seinem Leben nach der katholischen Kirche wohl. In der eigenen Familie blüht er auf, die Töchter Isabella (9) und Dorothea (5) sind sein ganzer Stolz. Im kleinen Dorf Solla bei Hintereben ist er ein angesehener Mann, viele stehen hinter ihm. Und auch im neuen Beruf läuft es nach seinen Vorstellungen: Anton Aschenbrenner ist jetzt selbstständiger Seelsorger.
„Die Katholische Kirche hat keine Unikate, sondern viele Plagiate“
Seitdem ist „der Kunde“ König. Spricht der Hinterebener von seinem Beruf, nennt er immer wieder das Wort „Ritual-Design“. Egal, ob Trauerfeiern, Hochzeiten, Taufen, Meditationen oder Zeremonien – Aschenbrenner erfüllt als Dienstleister auf Honorarbasis alle Wünsche. Er betont, dass Rituale wie der Ring, das Singen oder das einfache „Grüß Gott“ zeitlos seien.“ Auch die katholische Kirche hat da keine Unikate, sondern viele Plagiate. Die Rituale sind meist eine Mixtur aus verschiedenen heidnischen, keltischen und germanischen Einflüssen – die Kirche aber behauptet, dass sie die alleine besitzt.“ Mit diesem Konzept hat der Selbstständige Erfolg. Aus dem früheren katholischem Pfarrer ist mittlerweile ein Geschäftsmann geworden, der auch „gott-freie“ Rituale anbietet.
Generell kommt Anton Aschenbrenner ins Überlegen, wenn er erklären muss, was „gläubig“ eigentlich bedeutet. Auch mit dem von der Kirche propagierten Leben nach dem Tod hat er Probleme. „Das ist eine egoistische westliche Denkweise. Sicher: Es wäre schön, wenn es ein Leben nach dem Leben gibt. Aber warum soll ich mir im Hier und Jetzt schon darüber Gedanken machen?“ Für den 50-Jährigen steht nicht der einzelne im Vordergrund, sondern vielmehr das Miteinander, die Solidarität. Aber auch hier unterscheidet er wieder: „Ich bin nicht solidarisch, um später belohnt zu werden. Ich bin menschlich, weil es jetzt, in diesem Moment, einfach schöner ist.“
Mit diesem ausgeglichenen geistigen Unterbau geht Aschenbrenner durchs Leben – und das überaus erfolgreich. Rund 200 Bestattungen und 40 Hochzeiten stehen jährlich in seinem Terminkalender.
„Die Kirche ist ein Bereich der Welt, den ich nicht ändern kann“
Aschenbrenner scheint am Ziel zu sein. Weiterhin steht er in Kontakt mit vielen Menschen, genau da fühlt er sich wohl. Gleichzeitig kann er die Welt verändern, wie er es sich immer gewünscht hat. Auf seine Vergangenheit in der katholischen Kirche blickt er nur noch selten zurück. Er glaubt, dass durch Rebellen, wie er einer ist, die Kirche an Macht verliert. „Das Drohschwert der Kirche ist abgestumpft“, sagt er. Mehr möchte er über seinen früheren Arbeitgeber, dessen Ideologie er lange umsetzte und verbreitet, aber nicht sagen. „Die Kirche ist ein Bereich der Welt, den ich nicht ändern kann – und deshalb verschwende ich auch keine Zeit damit. Die können tun, was sie wollen. Ich nehme mir meine Zeit für wichtigere Dinge.“
Helmut Weigerstorfer
[…] Anton Aschenbrenner: “Das Drohschwert der Kirche ist abgestumpft” […]
Ich bin gespannt auf diesen Menschen, den ich bei einer hochzeit im Dezember kennen lernen werde!!!
Lieber Herr Aschenbrenner,
mit großem Interesse und voller Sympathie habe ich Ihre Seite gelesen. Aus aufrichtiger Überzeugung und voller Sympathie stimme ich Ihnen bei. Ich finde, die Welt braucht Menschen wie Sie; mit einem wachen Geist, geführt von einem guten Herzen.. .
Alles Gute weiterhin für Sie und Ihre Familie,
Franziska Koch
Lieber Herr Aschenbrenner,
die Hochzeitszeremonie am Freitag, den 25.07.2014 in Gaißing in hauseigener Kapelle war super und sehr originell für einen Münchner Stadtmenschen wie mich.
Ich habe gespannt Ihren Lebenslauf gelesen und wünsche Ihnen weiterhin einen guten Weg und viel Zeit für die „wichtigeren Dinge“ und der „Liebe“ zur Kirche, der Familie und den Menschen.
Mit besten Grüßen
Angela Graßl
Lieber Herr Aschenbrenner,
vor drei Tagen haben Sie uns in Fürstenzell auf dem letzten Weg meiner Mutter begleitet.
Ich möchte mit bei Ihnen – auch im Namen der Mittrauernden – für die sehr schöne und bis ins Detail zutreffende Trauerrede recht herzlich bedanken. Insbesondere der Vergleich mit den einzelnen Blumen (Sonnenblume und Gänseblümchen sei hier nur mal genannt) ist bei uns allen sehr gut angegekommen und hat uns auch nachdenklich gemacht!
Viele liebe Grüße
Klaus Rother
Lieber Herr Aschenbrenner,
gestern haben Sie meinen Vater in Waldkirchen auf seinem letzten Weg begleitet.
Noch nie durften wir so eine ergreifende Trauerfeier erleben mit solch tröstenden und anregenden Worten sowie schönen Ritualen.
Besonders die Geschichte vom Salzmännchen hat uns sehr berührt.
Dafür möchten wir Ihnen herzlich danken.
Liebe Grüße
Arnold Bedzent und Mary Abendroth