Freyung. „Das Machen ist das Entscheidende im Leben“, sagte Prof. Dr. Robert Bösnecker bei einem Vortrag in der Lern- und Modellfabrik des Technologie Campus Freyung (TC) in den Wolfsteiner Werkstätten. Der TC-Förderverein hatte im Rahmen der Vortragsreihe „Hochschule hier und jetzt“ zu einem Informationsabend über „Embedded Systems“ geladen. Dabei konnten sich die vielen Interessierten vor Ort ein Bild davon machen, wie Studenten gemeinsam mit den Mitarbeitern der Wolfsteiner Werkstätten in der Lern- und Modellfabrik zusammenarbeiten und Platinen bestücken.
Firmen klagen: Vielen Absolventen fehlt der wichtige Praxisbezug
„Diese praktische Erfahrung ist ungeheuer wichtig“, betonte Bösnecker. Denn, so machte der wissenschaftliche Leiter der Lern- und Modellfabrik deutlich, die Firmen würden sich nicht nur über einen Fachkräftemangel, sondern auch über den fehlenden Praxisbezug der Absolventen beklagen. In Zeiten von Smartphone und Co., in denen vieles nur noch vom Bildschirm abgelesen werde, setze man zwar optische Reize, so Bösnecker, effizientes Lernen bleibe dabei aber auf der Strecke. „Wenn der Student etwas nachhaltig lernen und behalten soll, müssen all seine Sinne angesprochen werden.“ In Experimenten, zum Beispiel des Hirnforschers Prof. Manfred Spitzer, sei signifikant nachgewiesen worden, dass Lernerlebnisse dann am besten behalten werden, wenn der Lerngegenstand angefasst, ausprobiert und von allen Seiten begutachtet werden kann. Und wenn Lernprozesse mit positiven Emotionen verbunden werden: „Tritt ein Ereignis ein, das besser ist als erwartet, zum Beispiel wenn etwas auf Anhieb klappt, dann kann man dieses Wissen auch in fünf oder zehn Jahren noch abrufen!“
Hochtechnologie an einer Behindertenwerkstätte – kein Widerspruch
Aus diesem Grund habe man im Juni vergangenen Jahres auch die Lern- und Modellfabrik des TC an den Wolfsteiner Werkstätten installiert. Hier entwickeln Studenten im Rahmen ihrer Bachelor- und Masterarbeiten elektronische Schaltungen im Bereich „Embedded Systems“. Solche „eingebettete Systeme“ sind kleine Computer, die man zum Beispiel in Fernbedienungen, Küchenwaagen oder Autoschlüssel vorfindet. Viele stellten an dieser Stelle die Frage, was man denn mit solchen Hochtechnologien an einer Behindertenwerkstätte wolle, sagte Bösnecker. Das habe mehrere Gründe: „Zum einen arbeitet man in den Wolfsteiner Werkstätten unter anderem mit Metall und Kunststoff. Das ist ein Können, das unsere Studenten in der Regel nicht mitbringen. Die Studenten und Ingenieure wiederum nehmen dafür das physikalische und elektronische Wissen mit.“ Dadurch ergebe sich dann ein „ganzheitliches Denken“. Und man solle ja nicht glauben, so Bösnecker, dass die Mitarbeiter der Wolfsteiner Werkstätten das nicht könnten: „Die sind hochmotiviert!“
Positiver Nebeneffekt der Lernfabrik: Bestückung von Kleinserien
„Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass wir hier ein Alleinstellungsmerkmal haben: Wir haben mit der Lern- und Modellfabrik nicht nur einen einzigartigen Anziehungspunkt für junge Leute aus der Region geschaffen“, sagte Bösnecker. „Einzigartig ist auch, dass wir mit unseren modernen Geräten eine kleine Stückzahl an Platinen herstellen können – und diese Geräte stehen eben im Moment nur im niederbayerischen Freyung.“ So kann man als positiven Nebeneffekt als Dienstleistung eben auch noch die Bestückung von Prototypen und Kleinserien anbieten.
Und damit sich die interessierten Teilnehmer vorstellen konnten, wie diese Platinen bestückt werden, führte Karl Stockinger vom Technologie Campus Freyung anschließend die Geräte vor.
Erwin Knott, der Vorsitzende des Fördervereins Technologie Campus Freyung e. V., zeigte sich am Ende der Veranstaltung begeistert vom Interesse der Zuhörer: „Wie man sieht, zieht Technologie doch an!“
Dike Attenbrunner