Passau/Freyung. Stephen Hahn verdient seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie als Marketingberater und Dozent in Passau. Vor zehn Jahren hat der 45-Jährige eine besondere Leidenschaft für sich entdeckt: Das Schreiben. „Wohnzimmer Wirtshaus“ lautet der Titel des Buchs, das er vor rund eineinhalb Jahren im Freyunger Verlag edition Lichtland veröffentlicht hat. Wir haben uns mit dem sympathischen Autor darüber unterhalten, warum das Wirtshaus denn ein „Wohnzimmer“ ist, wer heute überhaupt noch ins Wirtshaus einkehrt – und warum auch Soziale Medien wie Facebook nichts daran ändern werden, dass sich die Dorfbewohner auch künftig zum gemütlichen Beisammensitzen dort treffen werden.
„Wohnzimmer Wirtshaus“ – ein Buch über das Kulturgut „Wirtshaus“
Herr Hahn: Welche Bedeutung hat das Schreiben für Sie?
Für mich ist es ein Hobby. Angefangen hat es mit der Geburt meiner Tochter vor zehn Jahren. Da habe ich aus Freude und nur für den Eigengebrauch begonnen, Märchen zu schreiben. Darauf folgten zwei, drei Kurzgeschichten. Das alles schlummert jetzt im Computer vor sich hin. Und auch das Wirtshausbuch war so angedacht – so wie andere Bilder malen und sich die dann daheim aufhängen oder in die Ecke stellen. Über eine Freundin bin ich in Kontakt mit der edition Lichtland gekommen. Und so wurde das Buch dann doch öffentlich.
Was haben Sie bislang für Bücher geschrieben? Haben Sie sich auf ein bestimmtes Genre spezialisiert?
Vorher habe ich im wissenschaftlichen Bereich veröffentlicht, im Bereich Werbung, Semiotik und Frankreich. Das Wirtshausbuch ist ein Sachbuch – und die nächste Lektüre soll auch wieder eins werden. Ich beschreibe gerne das Leben, die Menschen, die Werte, Traditionen sowie das Hier und Jetzt in unserer Region, in unserer Heimat.
Ein Wirtshaus ist so gemütlich und vertraut wie das eigene Wohnzimmer
Wie sind Sie auf die Idee mit dem Buch „Wohnzimmer Wirtshaus“ gekommen?
Vor rund zehn Jahren hatte ich angefangen, mir bei Besuchen in Wirtshäusern Notizen zu machen. Darüber wie es dort aussieht, welche Besucher kommen und gehen – und über was die Leute so sprechen. Und als ich 2009 wieder mal etwas schreiben wollte, habe ich die Notizen wieder hervorgekramt.
Warum ist das Wirtshaus für Sie ein Wohnzimmer?
Es geht weniger darum, ob es das für mich ist. Aber mit dem heimischen Wohnzimmer verbinden wohl die meisten Menschen positive Assoziationen wie Gemütlichkeit, Geborgenheit, Vertrautheit, Entspannung … Und diese Werte assoziieren viele Menschen auch mit dem Wirtshaus – vor allem mit dem Dorfwirtshaus. Früher sicher mehr als das heute der Fall ist.
Warum gehen die Leute ins Wirtshaus?
Um in Gesellschaft zu sein, um zu reden, um zu schweigen, um zu lachen, um zu essen und zu trinken, um zu diskutieren, um zu entspannen …
Und wie ist es um die Wirtshauskultur bestellt Ihrer Meinung nach? Gibt es diese überhaupt noch? Und kann man bei einem Wirtshaus überhaupt von einem „Kulturgut“ sprechen?
Bei meinen Recherchen haben mir die Wirte schon erzählt, dass die Leute immer noch gerne ins Wirtshaus gehen. Etwas weniger häufig als früher zwar, aber: Das Wirtshaus ist auf dem Dorf nach wie vor das kommunikative Zentrum. In Österreich ist die Wirtshauskultur noch sehr viel intensiver ausgeprägt. Für mich ist das Wirtshaus ein Kulturgut, weil es ja als kultureller Wert Bestand hat und bewahrt wird.
Rauchverbot: Viele Stammtische sind in die Vereinsheime abgewandert
Wie hat sich das „Wohnzimmer Wirtshaus“ verändert?
Die Öffnungs- und Aufenthaltszeiten haben sich geändert. Es gibt zahlreiche Alternativen, die Menschen sind mobiler geworden. Und das Rauchverbot hat viele Stammtische in die Vereinsheime verlagert.
Pflegen die jungen Leute auch eine Wirtshauskultur? Oder ist das mittlerweile nur noch was für die älteren Herrschaften?
Gerade auf dem Dorf gehen junge Menschen weiterhin auch ins Wirtshaus. Und, wie bereits erwähnt, werden vor allem in Österreich eine Reihe von Themenstammtischen gepflegt: Feuerwehr, Fußball, Frauenstammtisch usw.
Wird das Wirtshaus heute nicht ein Stück weit von Sozialen Medien wie Facebook verdrängt?
Meiner Meinung nach werden Soziale Medien nie den persönlichen Kontakt, das persönliche Gespräch, das gegenseitige Fühlen, Sehen, Hören ersetzen können – egal wo diese Begegnungen dann stattfinden.
Stimmt der Eindruck, dass das Wirtshaus eher eine Männersache ist? Wenn ja, warum?
In Österreich weniger, bei uns täuscht dieser Eindruck nicht. Warum, da müssten Sie wohl besser eine Frau fragen.
Interview: Dike Attenbrunner
Wohnzimmer Wirtshaus: Von der Taufe bis zum Leichenschmaus, Stephen Hahn, edition Lichtland, 14,80 Euro, ISBN: 978-3-942509-09-1