Freyung-Grafenau. Wie gut ist der Rettungsdienst im Landkreis Freyung-Grafenau aufgestellt? Diese Frage drängt sich spätestens seit dem tragischen Unfall in Bierhütte auf, bei dem Anfang September ein 77-Jähriger ums Leben kam. Helmut Meisl, Assistent der Geschäftsleitung beim privaten Rettungsdienst Stadler aus Freyung sieht darin keinen unglücklichen Zufall, sondern einen Beweis dafür, dass die momentane Ausstattung mit Rettungswagen und deren Verteilung im Landkreis nicht ausreicht.
Man sei, so Meisl im Hogn-Interview, nach der Umsetzung des ersten sogenannten Trust-Gutachtens im Jahr 2006 aus dem Rettungsdienst gedrängt worden, weil man auf einen Erhalt der bisherigen Struktur gepocht habe – und sich eben nicht mit den Kürzungen abfinden wollte. Vorfälle wie der in Bierhütte zeigten nun, dass man damals recht hatte, sagt Meisl. Die Hilfsfrist von 12 Minuten könne momentan in Orten wie Philippsreut nur zu rund 40 Prozent, in Mauth nur zu 25 Prozent eingehalten werden – das Gesetz fordere hier jedoch 80 Prozent. Auch beim Krankentransport, den die Firma Stadler nach dem Aus im Rettungsdienst weiter betreibt, sieht Meisl schlechte Zeiten auf den Landkreis, aber vor allem auf seine Firma zukommen. Da Hogn hat Bernhard Wagmann, Geschäftsführer des zuständigen Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung in Passau, mit Meisls Vorwürfen konfrontiert. Wagmann, dessen Verband auch die Integrierte Leitstelle (ILS) in Passau betreibt, sieht vieles naturgemäß anders. Zum Thema Krankentransport haben wir uns mit dem stellvertretenden Rettungsdienstleiter des BRK im Landkreis, Günther Karl, unterhalten.
Wird die Hilfsfrist nicht eingehalten?
Wagmann räumt zwar ein, dass in Orten wie Mauth oder Philippsreuth die 80-Prozent-Quote nicht erreicht werde, konkrete Zahlen nennt er jedoch nicht. Man bemühe sich hier Abhilfe zu schaffen. Rechtlich sei man jedenfalls überall im grünen Bereich: Die Hilfsfrist von 12 Minuten müsse in 80 Prozent aller Fälle innerhalb einer Rettungswache und nicht in jeder einzelnen Gemeinde eingehalten werden – und diesen Vorgaben werde man gerecht. „Trotzdem versuchen wir natürlich auch das System zu verbessern“, so Wagmann. Aber man könne „nicht einfach eine 24-Stunden-Rettungswache in Mauth einrichten, weil leider – oder besser: Gott sei Dank – die entsprechenden Fallzahlen in diesem Bereich nicht gegeben sind.“ Speziell im Gebiet Haidmühle/Philippsreut sei man gerade dabei für Verbesserungen zu sorgen.
Generell, so der Geschäftsführer, sei der Rettungszweckverband nur das ausführende Organ. Das Land Bayern ziehe Grenzen wie etwa die 80-Prozent-Quote – und gebe damit die Strukturen vor. Man versuche immer wieder Verbesserungen zu erzielen. „Die können wir aber nur erreichen, wenn derjenige, der das Ganze schließlich bezahlt – das sind in diesem Fall die Krankenkassen – auch mitträgt. Und in diesen Verhandlungen befinden wir uns derzeit“, verteidigt sich Wagmann. Die Krankenkassen seien aber nicht bereit, deutlich über die vom Gesetz gezogenen Grenzen hinauszugehen.
So traurig das im auch Einzelfall sei: Nach einer eventuellen Verbesserung der Versorgungssituation könne es dennoch immer wieder zu Engpässen kommen, wenn mehrere Notfälle gleichzeitig stattfinden, wirbt Wagmann um Verständnis: „Sie können nicht hinter jeder Ecke einen Rettungswagen stehen haben. Das kann sich niemand leisten.“ Die Zwänge, unter denen man in diesem System stehe, will Helmut Meisl gar nicht in Abrede stellen. Trotzdem bleibt er bei seiner Meinung, dass die Notfallrettung im Landkreis nicht gut genug aufgestellt ist. Dies habe auch das jüngste Trust-Gutachten ergeben. Die Verteilung der Rettungsfahrzeuge sei so anzulegen, dass jeder Ort im Landkreis – zumindest theoretisch – innerhalb der 12-Minuten-Hilfsfrist erreichbar sei. Doch dies ist bisher nicht der Fall. Ein Unding, wie Meisl findet, das von Zweckverband und Politik schnell beseitigt werden soll. „Da muss man sich halt dann auch mal mit den Krankenkassen anlegen“, fordert der aus Hauzenberg stammende Assistent der Geschäftsleitung der Firma Stadler.
Mehr Rettungswagen wegen neuer Krankenhaus-Landschaft?
Durch die Umstrukturierung und Spezialisierung der Krankenhaus-Landschaft im Landkreis Freyung-Grafenau sei sogar noch mehr Bedarf für Rettungsfahrzeuge gegeben, ist Helmut Meisl überzeugt – egal ob private oder öffentliche Hilfsorganisationen sie betreiben. Schlaganfallpatienten müssten heute zum Beispiel von Philippsreut bis nach Passau gebracht werden. Demensprechend lang sei der Rettungswagen unterwegs – und in der Zeit natürlich auch anderweitig nicht einsetzbar. Darauf sei bisher noch nicht reagiert worden, sagt Meisl. „Da ist es kein Wunder, dass die Hilfsfrist nicht eingehalten werden kann.“
Im Rahmen der Nachbegutachtung, die bayernweit laufe, sei man natürlich auch dabei zu untersuchen, entgegnet Bernhard Wagmann, ob die damals festgelegten Strukturen mit den neuen Gegebenheiten noch übereinstimmen. Auch die Veränderung der Krankenhaus-Landschaft im Landkreis FRG werde da miteinbezogen.
Wird Firma Stadler nicht alarmiert?
Auch Meisls Vorwurf, man rufe die Krankentransportwagen der Firma Stadler bei Notfällen nicht zu Hilfe, verneint Wagmann. Seit dem Ausscheiden aus dem Rettungsdienst würden Stadlers Fahrzeuge zwar nicht mehr von der Integrierten Leitstelle aus koordiniert, aber es sei durchaus denkbar, die Einsatzwagen der Firma – obwohl dies keine Rettungsfahrzeuge seien – miteinzusetzen, wenn wirklich Not am Mann sei. Dies geschehe in der Regel auch, sagt Wagmann.
Helmut Meisl hat da jedoch andere Erfahrungen gemacht. Es hänge sehr vom jeweiligen Disponenten in der Leitstelle ab, ob der Rettungsdienst Stadler ins Kalkül gezogen werde. Die privaten Rettungsdienste, glaubt Meisl, „sind die klassischen Feindbilder des Zweckverbandes“. Genau diese, aus Wagmanns Sicht unzutreffende Einschätzung, stecke hinter vielen Beschwerden von Seiten der Firma Stadler. „Seit dem Gerangel um das Trust-Gutachten fühlt man sich bei Stadler generell vom Zweckverband benachteiligt“, so der Geschäftsführer.
Aus für den privaten Krankentransport?
2013 steht eine weitere Novelle des Bayerischen Rettungsdienst-Gesetzes an. Dann, so befürchtet Meisl, wird es für Stadler auch keine Lizenzen für den Krankentransport mehr geben. Nach dem Aus im Rettungsdienst hatte die Freyunger Firma 25 Mitarbeiter entlassen müssen. Mit der geplanten Gesetzesänderung stehen weitere 15 Arbeitsplätze auf dem Spiel. „Die Existenzängste sind groß“, so Meisl. Aber nicht nur den Rettungsdienst, so seine Befürchtung, sondern auch die Patienten könnte es treffen. Sie hätten dann keine Auswahl mehr und müssten mit den verbliebenen Rettungsdiensten (BRK oder Malteser) vor Ort vorlieb nehmen.
Der Hintergrund: Bisher war es so, dass bestehende Lizenzen für den Krankentransport bei privaten Anbietern, von denen die Firma Stadler drei besitzt, in der Regel verlängert wurden. Dieser Bestandsschutz könnte nach der Neuerung jedoch wegfallen. Dem neuen Gesetz nach soll nämlich – bevor man diese Lizenzen verlängert – zuerst geprüft werden, ob die sogenannte Vorhaltung nicht ausreichend abgedeckt ist. Vorhaltung bedeutet: Die Krankenkassen finanzieren die Fahrzeuge, mit denen die Hilfsorganisationen im Landkreis (BRK und Malteser) den Krankentransport bestreiten. Darüber hinaus tragen die Kassen 80 Prozent der Personalkosten. Der Rest muss mit ehrenamtlichem Personal geleistet werden, erklärt der stellvertretende Rettungsdienstleiter des BRK im Landkreis Günther Karl.
Bisher kann es der Fall sein, dass diese bereits vorhandenen Fahrzeuge – die bezahlt werden, egal ob sie im Einsatz sind oder nicht – gar nicht voll ausgelastet sind. Gleichzeitig ist auch ein privater Rettungsdienst im Einsatz, der von den Kassen zusätzlich bezahlt werden muss. Dies soll sich mit dem neuen Gesetz ändern: Nun soll zuerst geprüft werden, ob die Vorhaltung im Bereich des Krankentransportes ausreicht oder ob darüber hinaus noch Nachfrage besteht. Nur im letzteren Fall würde es noch Lizenzen auch für einen privaten Anbieter geben.
Die Angst Meisls, dass am Ende keine Krankentransporte für seine Firma übrig bleiben könnten, ist recht real. Da sich auch die Vorhaltung an den Bedürfnissen vor Ort orientiert und eigentlich auch mit jedem neuen Gutachten angepasst wird, kann es über kurz oder lang dazu kommen, dass es heißt: Wir brauchen keinen privaten Krankentransport mehr!
Wieso den Krankentransport nicht organisieren wie das Taxi-Gewerbe?
Helmut Meisl sieht darin einen Versuch die Privaten aus dem Geschäft zu drängen – zum Nachteil des Kunden, wie er findet. Da sich die Patienten nach einem Ausscheiden der privaten Anbieter eben nicht mehr aussuchen könnten, von wem sie transportiert werden wollen. Ihm schwebt deshalb eine Regelung ähnlich dem Taxigewerbe vor: eine Vergabe einer begrenzten, am Bedarf orientierten Anzahl von Lizenzen – und danach ein möglichst freier Wettbewerb zwischen den Inhabern dieser Lizenzen. Vorhaltungen wie bisher gäbe es dann keine mehr. Helmut Meisl sieht darin ein deutliches Einsparpotenzial, da keine Überkapazitäten mehr anfallen würden.
Beim BRK stößt dieser Vorschlag auf wenig Gegenliebe. Die Vorhaltungen im Bereich des Krankentransportes könne man nicht isoliert betrachten, erklärt Günther Karl auf Nachfrage. Sie würden per „Überkreuz-Verwendung“ ja auch im Rettungsdienst eingesetzt, seien also eine Art Notreserve, falls alle Rettungswagen im Einsatz sind.
Firma Stadler darf nicht auf den BOS-Funk
Bei der Frage, ob nicht auch bei einem Taxi-Modell alle verfügbaren Krankentransportwagen (privat oder von Hilfsorganisationen betrieben) diese Reserve bilden könnten, wird es richtig kompliziert: Theoretisch ginge das zwar schon, aber praktisch hat etwa die Firma Stadler, seit sie nicht mehr im Rettungsdienst fährt, keine Berechtigung den Behördenfunk (BOS) zu benutzen, mit dessen Hilfe die ILS die Einsätze der Rettungsfahrzeuge und Krankentransportwagen der Hilfsorganisationen koordiniert.
Unfaire Ausschreibungen?
Seit 2006 ist die Firma Stadler bei keiner Ausschreibung für den Rettungsdienst im Landkreis mehr zum Zug gekommen. Helmut Meisl macht unfaire Ausschreibungen dafür verantwortlich. Darin seien Leistungen aufgeführt, die die privaten Rettungsdienste nicht erbringen könnten. So würden etwa Vorhaltungen für den Katastrophenschutz (etwa eine Feldküche) gefordert, die die Hilfsorganisationen teilweise vom Staat oder über Spenden finanziert bekommen hätten. Dies sei kein fairer Wettbwerb, so Meisl.
Von unfair könne keine Rede sein, verwehrt sich Bernhard Wagmann dagegen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof habe in seinem Urteil, in dem er die grundsätzliche Gleichstellung von Privaten und Hilfsorganisationen bei Bewerbungen anmahnte, eben auch festgelegt, dass diese zusätzlichen Leistungen in die Ausschreibung miteinzubeziehen seien. Man bewege sich damit also auf rechtlich sicherem Terrain. Eine Hilfsorganisation habe nun mal mehr zu bieten als eine Wache 12 oder 24 Stunden lang zu besetzen. „Wir haben oft den Fall, dass der Regeldienst im Einsatz ist und dann der Hintergrunddienst (eigene, aus Spenden oder Überschüssen finanzierte Fahrzeuge der Hilfsorganisationen, die mit Ehrenamtlichen besetzt werden – Anm. d. Red.) einspringen muss. Genau solche Punkte machen einen Anbieter besser als einen anderen“, sagt Wagmann.
Helmut Meisl ist überzeugt, dass das von ihm vorgeschlagene System das preisgünstigere, effektivere und auf keinen Fall schlechtere wäre. Er weiß aber auch, dass die privaten Rettungsdienste gegen die Hilfsorganisationen mit ihren vielen Ehrenamtlichen argumentativ eine deutlich schlechtere Position, auch bei der Lobbyarbeit im Landtag haben. Trotzdem will er nicht aufhören zu kämpfen.
Christian Luckner
Sehr interessant was mit uns Bürger geschieht!
Armes Deutschland!
Beispiel:Geld wird überall verschwendet (siehe Berichte Bundesrechnungshof) und keiner wird zur Rechenschaft genommen……Geld ist nicht das Problem!!!!!
In diesem Fall, wo jeder einmal einen Rettungsdienst benötigen könnte, wird auf einmal ein gewisses „Monopol“ unterstützt. – Auf Kosten der Bürger!
Ist denn ein gesunder Wettbewerb nicht von Vorteil? – Zu Gunsten der Bürger!
Schade das die Medienberichte z.B. PNP einseitig berichten (Hätte 2 x einen Leserbrief zu diesem Thema verfasst, wurde aber nicht veröffentlicht – man kann hier spekulieren!
In dieser Berichterstattung wird erstmals genauer recherchiert und jeder kann objektiv für sich selbst entscheiden über wahr und unwahr!
Diese Vorfälle und Mißstände sind nicht auf den Wald beschränkt, auch in Simbach, dem Spessart und eigentlich generell in Bayern gibt es zu wenig Rettungswagen.
Dies ist das Ergebnis der Korruption im bayrischen Rettungsdienst, der sich seit Jahrzehnten zwischen der Staatsregierung und dem BRK entwickelt hat. hier wurden Gelder der Kassen, die für den Rettungsdienst bestimmt waren, in andere Geschäftsfelder des BRK und der drei anderen Hiorg umgeleitet (siehe letzten BRK Skandal 1999-2000), die dann dem RD fehlten.
Aktuell sind im Rahmen der Durchsuchung des ASB München durch den Zoll wieder diverse Missstände (Straftaten) zu Tage getreten!! Es ist schade, dass die Mainstream-Medien nicht die Wahrheit berichten, denn das BRK hat soviel Dreck am Stecken, dass es eigentlich von weiteren Vergaben ausgeschlossen werden müsste.
Es ist an der Zeit, die Bürger aufzuklären und dafür zu sorgen, dass die Kassengelder beim Rettungsdienst bleiben und nicht in dunklen Kanälen der Hilfsorganisationen versickern.
Würde alles Geld im RD bleiben und der Krankentransport dem Wettbewerb geöffnet, bei gleichzeitigen Weckfall der Vorhaltefinanzierung von BRK und Co., dann könnte man mehr Rettungswagen finanzieren!!
Die Politik muss erkennen, dass es vorbei ist, mit der Monopolstellung des BRK und sollte dafür sorgen, dass der Notfallpatient im Vordergrund steht und nicht das finanzielle Auskommen des BRK.
Der Zoll als Bundesbehörde sollte die ganzen Hilfsorganisationen mal durchsuchen, dann würden einem die Augen tränen, was hier abgeht
Fakt ist: Der bayrische Rettungsdienst ist nicht funktionsfähig ungehört schnellstens von Grund auf saniert. Leider hat es sich erwiesen, dass die studierten Gutachter des INM seit 1998 den Rettungsdienst verschlechtern und nicht verbessern.
Die Bürgermeister als ursprünglich Zuständige für den RD sollten sich mehr einmischen, weil die Zweckverbände doch nur als Handlanger des Monopolisten BRK agieren und nicht die Macht, den Willen und vor allem den Überblick haben einen ordentlichen Rettungsdienst auf die Beine zu stellen!
Sepp Daxberger
Holzkirchen
0170/73 66 533