Freyung-Grafenau/Brüssel. Die Vorbereitung der nächsten EU-Strukturförderperiode von 2014 bis 2020 befindet sich derzeit in einer entscheidenden Phase. Alle an der Verwaltung europäischer Fördermittel beteiligten Behörden und Institutionen blicken deshalb gespannt nach Brüssel. Denn dort sind die Haushaltsverhandlungen mit den Mitgliedsstaaten in vollem Gange, gestalten sich aufgrund der Euro-Krise und der angespannten Haushaltslage in den südlichen Ländern jedoch als schwierig. Das Ziel von Euregio-Geschäftsführer Kaspar Sammer ist es, den Fortbestand der Kleinprojektförderung zu unterstützen.
Walter Deffaa: „Die Mittel müssen konzentriert eingesetzt werden“
Von besonderem Interesse für die europäischen Grenzregionen und somit auch für die Euregio Bayerischer Wald-Böhmerwald-Unterer Inn ist die Ausgestaltung der Verordnungen für die Europäische Kohäsionspolitik – und hier insbesondere für die Europäische grenzüberschreitende territoriale Zusammenarbeit. Bei der Jahreskonferenz des Dachverbandes der Euroregionen, der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG), stand deshalb das Thema „Kohäsionspolitik ab 2014“ im Vordergrund. Die Verordnungsvorschläge der Kommission, die im Herbst 2011 publiziert wurden, sind aus Sicht der Grenzregionen vielversprechend, da es zum ersten Mal eine eigene Verordnung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gibt – und auch die Haushaltsansätze um 30 Prozent höher sind als in der bisherigen Förderperiode (2007-2013). 3,5 Prozent der gesamten Kohäsionsmittel in Höhe von 376 Milliarden Euro möchte die Kommission für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Verfügung stellen, das Parlament sogar sieben Prozent, der Rat, also die Nationalstaaten, drei Prozent. „Irgendwo bei vier Prozent wird man sich einigen“, berichtete Markus Pieper, Mitglied des Europäischen Parlaments auf der Jahreskonferenz der AGEG in Berlin.
Hauptredner zum Thema Kohäsionspolitik 2014+ war der neue Generaldirektor für Regionalpolitik: Walter Deffaa. Er sieht die Hauptaufgabe der Kohäsionspolitik in der Förderung von Wachstum und Beschäftigung, wie sie auch in der Strategie „Europa 2020“ verankert ist. Ab 2014 soll es keine Förderung nach dem „Gießkannenprinzip“ mehr geben, sondern nur mehr auf die wichtigsten Ziele der EU-2020- Strategie konzentrierte Maßnahmen, die mit einem effizienten Managementsystem umgesetzt werden sollen. „Dieser Grundsatz der Konditionalität wird einer der wichtigsten werden“, so Deffaa. „Die Mittel müssen konzentriert eingesetzt werden, sonst ist die Wirkung zu gering.“
„Können uns angesichts der Krise keine Verzögerungen leisten“
Der Generaldirektor berichtete, dass die Mittel für die Europäische Territoriale Zusammenarbeit aufgestockt werden sollen – ein ehrgeiziger Vorschlag in Anbetracht dessen, dass der Gesamthaushalt für die Kohäsionspolitik konstant bleiben soll. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit werde also als einziges Politikfeld der Kohäsionspolitik finanziell aufgewertet.
Dabei muss sie jedoch auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet sein und kann Besonderheiten der Grenzregionen nur soweit berücksichtigen, dass die Europa-2020-Strategie nicht aus den Augen verloren geht. Die Debatten im Europäischen Parlament und im Ministerrat zeigen jedoch, dass man sich insgesamt mehr thematische Flexibilität wünscht. Immer wieder genannte Beispiele seien die Themen „Kultur“ und „Tourismus“, die nach Ansicht Deffaas durchaus förderfähig sind, wenn sie in einer Region der Förderung von Wachstum und Beschäftigung dienen. „Es liegt jetzt an den Regionen, die thematischen Schwerpunkte zu setzen.“
Die Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag der Kommission zur Europäischen Territorialen Zusammenarbeit sind indes schon weit gediehen, so Walter Deffaa, der hofft, dass vor Ende des Jahres 2012 das Budget für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit fest steht. Der Schlüssel dafür sind die Haushaltsverhandlungen der EU mit den Mitgliedsstaaten Ende November 2012, die darüber Klarheit bringen werden. „Wenn alles planmäßig läuft, wird es möglich sein, die entsprechende Verordnung vor dem Sommer 2013 zu verabschieden und bis Ende des Jahres abzuschließen. Unser Ziel ist die Förderprogramme im Januar 2014 starten können“, so Deffaa. „Angesichts der Krise können wir uns keine Verzögerungen und damit Förderlücken leisten.“
„Müssen Steuerzahlern vermitteln, dass Geld sinnvoll verwendet wird“
Vertreter der Grenzregionen baten Deffaa die für sie so wichtige Kleinprojekt-Förderung im Auge zu behalten. So auch AGEG-Präsident Karl-Heinz Lambertz: „Die people-to-people-Projekte sind ein wichtiges Instrument, um Europa für die Menschen erlebbar zu machen.“ Deffaa sieht jedoch bei der Kleinprojektförderung in Einzelfällen den effizienten und nachhaltigen Einsatz der Fördermittel nicht gegeben – und hält den Verwaltungsaufwand für die oft sehr kleinen Projekte für zu hoch. „Wir müssen dem Steuerzahler vermitteln können, dass sein Geld sinnvoll verwendet wird, in Zeiten der Krise umso mehr“, spricht Deffaa Klartext.
Lambertz bat den Generaldirektor hinsichtlich der Kleinprojekt-Förderung eine andere Sichtweise zu entwickeln, die entkoppelt ist von der strengen Ausrichtung auf die Wachstumsziele der Kohäsionspolitik. Man könne diesen Ansatz sehr gut komplementär zur Europa-2020-Strategie sehen: „Für mich steht bei den people-to-people-Projekten der europäische Mehrwert im Vordergrund“, so der Präsident.
„Müssen uns unseren tschechischen Nachbarn noch mehr annähern“
Um diese Forderung der Grenzregionen mit Generaldirektor Deffaa nochmals im Detail zu besprechen, wird die Vorstandschaft der Euregio Bayerischer Wald-Böhmerwald-Unterer Inn im Januar 2013 nach Brüssel reisen. „Für die Grenzregionen Bayerns, Tschechiens und Österreichs ist die Förderung der grenzüberschreitenden Kontakte nicht nur in Hinblick auf die interkulturellen Kontakte wichtig, sondern absolut notwendig, um wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen, die letztendlich Arbeitsplätze bedeuten und die Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten der Menschen verbessern. Wir müssen uns auch mehr als 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhanges besonders unseren tschechischen Nachbarn noch viel mehr annähern – dafür ist der Kleinprojektefonds ein sinnvolles und unersetzliches Mittel, für das es zu kämpfen gilt“, so Euregio-Geschäftsführer Kaspar Sammer.
Da Hog’n
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