Die deutsche Musikszene ohne Nena? Unvorstellbar! Höchste Zeit also für eine neue Scheibe: „Du Bist Gut“ heißt Nenas mittlerweile 17. Album, das auch dieses Mal wieder auf ihrem eigenen Label Laugh & Peas veröffentlicht wurde. Praktischerweise erscheint der Longplayer (15 Songs erwarten den Hörer) parallel zur Castingshow „The Voice of Germany“, bei der die NDW-Ikone als Jurorin mitwirkt. Gabriele Susanne Kerner, wie sie eigentlich heißt, weiß halt nach dreißig Jahren, wie der Hase läuft.
Album in Island aufgenommen
Und genau das ist das Problem: Das neue Album wirkt irgendwie konstruiert. Es will jung rüberkommen, abwechslungsreich – und auch ein wenig alternativ. Das fängt schon damit an, dass ein Großteil der Songs von „Du Bist Gut“ im Juni und Juli 2012 auf Island aufgenommen wurden, im Studio der isländischen Kultband Sigur Rós. Das verleiht der 52-jährigen Sängerin und ihrer dreizehnköpfigen Band zwar einen alternativen Anschein – mit Island hat es jedoch denkbar wenig zu tun. Nena bleibt – nicht nur wegen ihrer unverwechselbaren Stimme – nun mal Nena. Einsame isländische Landschaften hin oder her.
Typisch Nena: Der „alles wird gut, wenn du an dich glaubst“-Ton
Es ist einfach dieser „alles wird gut, wenn du an dich glaubst“-Ton, der bei den meisten Nummern im Vordergrund steht – und der einen irgendwann die Wände hochgehen lässt. Mit Verlaub, liebe Nena, „alles was ich nicht ändern kann, das lass‘ ich wie es ist“ („Du bist gut“) hört sich furchtbar besserwisserisch an. Bei uns im Woid dad ma song: Sie sant a Gscheidhaferl! Natürlich ist es besser, an sich zu glauben, sich nicht wegen seiner Mitmenschen zu ändern und das Leben so zu nehmen, wie es nun mal kommt – und das Beste daraus zu machen. Aber in jedem zweiten Song den Weltfrieden („Frieden“, „Schmetterling“) und die innere Mitte („Im Reich meiner Mitte“) herbeizurufen, wirkt irgendwann einfach nicht mehr motivierend, sondern nur noch abgedroschen.
Textlich „Friedensbrei“, aber musikalisch abwechslungsreich
Die gute Nachricht: Auch wenn die neue Scheibe textlich eher recht einheitlich auf „Friede, Freude, Eierkuchen“ ausgelegt ist, sind die Songs musikalisch tatsächlich eine abwechslungsreiche und größtenteils gelungene Wohltat: Da findet man nicht nur flippige Synthie-Nummern („Lied Nummer Eins“), sondern auch verträumte Klänge („Ich hör mir zu“, „Lautlos“) und Elektronisches („Goldene Zeit, Goldenes Land“, „Du bist gut“).
Fazit: Die Nena-Fans werden „Du Bist Gut“ lieben. Die anderen werden das tun, was sie seit dreißig Jahren machen, wenn sie Nena hören: Schleunigst den Radiosender wechseln, wenn der ewig währende Volkfestkracher „99 Luftballons“ oder die Schnulze „Liebe ist“ – oder dann eben die erste Singleauskopplung des neuen Albums „Das ist nicht Alles“ – gespielt wird.
Dike Attenbrunner