Was wir sehen, können wir selbst bestimmen. Schreckt uns um 7 Uhr ein Mann mit seinem Laubbläser aus dem Schlaf, können unterschiedliche Gedanken entstehen. Der eine denkt sich: Es gibt Menschen, die brauchen Ordnung. Ist diese Ordnung nicht hergestellt, werden sie nervös. Diese Ordnung muss überall herrschen. Auch bei Dingen wie Laubblättern, wo sie eigentlich komplett unnötig ist, und auch nur mit einem unverhältnismäßig hohem Aufwand herzustellen. Wenn solche Menschen zu viel Zeit haben, dann stehen sie so ab Ende September/Anfang Oktober jeden Tag um 6.30 Uhr auf, damit sie spätestens ab 7 Uhr damit anfangen können, diese „elenden Baumschuppen“ von Gehwegen, Auffahrten und anderen in ihren Augen ungeeigneten Liegeplätzen zu entfernen.
Mit unendlicher Geduld, Ausdauer und Lärmentwicklung
Und weil Laub wegharken sowas von vorgestern ist und auch die Nachbarn ruhig wissen dürfen, dass Kollege Ordnung schon wach ist und sich darum kümmert, dass das Viertel nicht komplett verkommt, wird das Laub natürlich mithilfe eines Laubbläsers entfernt. Mit unendlicher Geduld, Ausdauer und Lärmentwicklung wird damit säuberlich jedes Futzelchen Baumüberbleibsel an seinen richtigen Platz neben der Auffahrt befördert. Die geliebte Arbeit geht einem dabei nie aus. Weil man alles ja nur wegbläst, bleibt das Laub nicht liegen. Der zweite Mitspieler, Kollege Wind, bläst es, zumindest bis zum nächsten Tag, wieder auf die Einfahrt zurück und das Spiel kann von Neuem beginnen.
Vielleicht ist alles aber auch ganz anders. Vielleicht ist da jemand, der den Wind zum Tanz auffordert und mit ihm das alte Spiel vom Werden und Vergehen spielt. Leichtfüßig trippelt der Künstler in dieser Sicht auf die Welt mit seinem Instrument um das Laub herum. In fließenden Bewegungen tanzt er den Laubwalzer, einen Tanz der Vergängnis. Er ehrt die gewichene Kraft des Blattes und befördert es, fast zart, auf sanften Schwingen zu seiner Ruhestätte. An den Platz, an dem es zum Ursprung neuen Lebens werden kann.
Sein Platz im ewigen Kreislauf des Lebens
Die Rückkehr der Blätter nimmt er als letztes Aufbäumen des Lebens gegen den unausweichlichen Tod. Doch er weiß: Altes muss weichen, damit Neues entstehen kann. Mit Hingabe und in großer Seelenruhe verrichtet er die Arbeit, die getan werden muss. Er ist kein Feind des Laubes. Er füllt nur den Platz in diesem ewigen Kreislauf des Lebens aus, den ihm die Vorsehung zugeteilt hat. Das Aufheulen des Laubbläsers wird zum Trauergesang für die Todgeweihten. Greinenden Weibern gleich begleitet er den Weg, der gegangen werden muss.
Und unser Mann am Gerät? Man kann ihn für einen Pedanten halten, der es genießt andere Leute um 7 Uhr morgens mit dem Gebrüll seines mechanischen Gehilfen aus dem Bett zu jagen. Oder einfach für einen Mann der das Leben liebt – in allen seinen Facetten.
Euer Lucko El Loco
Als Landbewohnerin bin ich gewöhnt, dass im Sommer regelmäßig um 6:00 Uhr früh die schwergewichtigen Agrarmaschinen vor meinem Schlafzimmerfenster vorbeidonnern, um die Tiere im Stall mit frischem Grünzeug zu versorgen. Das ist so, das muß man aushalten, dafür lebt man mitten im grünen Paradies!
Wenn aber mein Schönheitsschlaf durch eines dieser körperverletzenden Lärmmonster um diese unchristliche Zeit gestört würde könnte es passieren, dass ich zum Anarchisten werde! Mein ebenfalls laubsauger-besitzender frühverrenteter Nachbar hat dieses Ding bisher stets zu rasenmäher-tauglichen Tageszeiten benutzt. Wahrscheinlich ist sein Spürsinn für die Belastbarkeit seiner Nachbarn noch nicht ganz verkümmert!
Wie sagte schon Aristoteles: „Was es nicht alles gibt, das ich nicht brauche….“ !
Viele Grüße, CG