Man kann nicht ein großes Problem lösen, wenn’s im Kleinen scheitert
Wie kann diese Unterstützung in der Praxis aussehen? Wenn ich etwa als Unternehmer XY zu Ihnen komme und meine Probleme schildere?
Angedacht ist etwa eine Art Mentoren-Programm, das bei der Problembekämpfung schon sehr früh ansetzt. Mentoren können Führungskräfte oder Handwerker sein, die sich zum Beispiel gerade im Übergang zwischen Erwerbstätigkeit und Rente befinden und aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen. Sie verfügen über viel Erfahrung und gute Netzwerke und können so die Kinder optimal fördern. Auch der Ausbau der Azubi-Rotation, wie sie ja bereits besteht, wäre absolut wünschenswert. Generell ist festzustellen: Jeder Unternehmer, der Ressourcen hat, kann sich bereits vorab mit den Schulen um seine zukünftigen Azubis kümmern. Das heißt: Unternehmer brauchen nicht mehr den klassischen Weg über die Ausschreibung von Stellenanzeigen beschreiten, sondern können den Kontakt zu ihren potenziellen neuen Nachwuchskräften bereits viel früher aufnehmen – und diesen dann beispielsweise über ein Praktikum oder einen Ferienjob weiter vertiefen. Eine weitere Idee ist eine sogenannte Ausbildungsplatz- und Ferienjobbörse internetbasiert zu installieren – was freilich mit den neuen Medien verknüpft wird. Die junge Generation kommuniziert fast ausschließlich über diesen Weg. Wenn man damit nicht arbeitet, ist man künftig nicht gut aufgestellt. Mit den neuen Medien sollen die Themen und die Leute zusammengeführt werden. Der Hog’n ist ja letztendlich das beste Beispiel hierfür.
Und wenn ich als Schüler zu Ihnen komme und Sie bitte mir zu helfen: Was können Sie dann für mich tun?
Als erstes frage und hinterfrage ich Sie nach Ihren beruflichen Vorstellungen und Zielen. Ich versuche herauszufinden, für welche Berufe Sie geeignet sind, für welche weniger. Sind Sie bereits mit der Schule fertig, gilt es Unternehmen zu finden, die Sie auch erreichen können – also rein verkehrstechnisch betrachtet. Die Busverbindungen sind in unserer Region im wahrsten Sinne des Wortes oft ausbaufähig. Ein Schulabgänger aus Grainet, der das Glück hat die für ihn optimale Lehrstelle in Perlesreut gefunden zu haben, benötigt unbedingt einen Führerschein, um tagtäglich zur Arbeit zu gelangen. Diese Rahmenbedingungen müssen bei der Wahl der geeigneten Unternehmen freilich vorher geprüft werden. Man kann nicht ein großes Problem lösen – und dann scheitert’s im Kleinen. Wenn derjenige in zwei Monaten 18 wird und den Führerschein bekommt, haben wir dieses Problem natürlich nicht.
Und was passiert, wenn ein Schüler nun zu Ihnen kommt, der genau weiß, was er beruflich machen möchte, es diese Ausbildungsmöglichkeit in unserer Region jedoch nicht gibt?
Ich bin der Meinung, dass man jeden nach seinen Neigungen und Fähigkeiten fördern soll. Wenn wir einen Mittelschüler haben, der etwa im Bereich Mode-Design etwas machen möchte und ich erkenne, dass der- oder diejenige großes Talent dafür mitbringt, werde ich ihm sicherlich nicht einreden, dass er als Schreiner besser aufgehoben wäre. Das große und erstrebenswerte Ziel für mich als Zukunftscoach ist freilich, dass so viele junge Menschen wie möglich in der Region bleiben und hier ausgebildet werden, hier eine Beschäftigung finden. Aber ehrlich gesagt denke ich auch, dass man dieses Ziel nicht um jeden Preis – und auf Kosten der Schulabgänger – durchsetzen soll.
Tendenzen und Stimmungen kann ich nicht im Büro aufgreifen …
Mein Ziel ist, dass diese Region eine Zukunft hat – und zwar nicht nur, wie in manchen Prognosen beschrieben, für Rentner und Pensionäre, sondern auch für die jungen Leute. Und wenn ein junger Mensch ein Talent in einem bestimmten Bereich mitbringt, kann das auch dann eine Chance für unsere Region sein, wenn dieser er erst einmal zum Lernen weggeht, seine Erfahrungen sammelt – und später wieder zurückkehrt und sich hier etwas aufbaut. Dass dies funktionieren kann, dafür gibt es bereits einige Beispiele, wie etwa die Freyunger Agentur „siimple design„. Die Region profitiert dann also zwar nicht kurzfristig, dafür aber mittel- und langfristig umso mehr.
Untergebracht sind Sie im Freyunger Rathaus, wo Sie ihr Büro, das gerade noch fertiggestellt wird, schon bald beziehen. Ein Schreibtisch-Job?
Nein, im Gegenteil. Ich sehe mich nicht aus irgendeinem Büro heraus agieren, sondern vielmehr draußen bei den vier Mittelschulen des Schulverbunds, in den Gemeinden und bei unseren Unternehmen. Tendenzen und Stimmungen kann ich nicht im Büro oder am Telefon aufgreifen, sondern nur vor Ort.
Ein mobiler Zukunftscoach sozusagen?
Ja, eine wandelnde Einsatzzentrale (lacht). Es geht um Kommunikation, ums Netzwerken, darum Probleme aufzugreifen, zu realisieren und zu lösen.
Wer unterstützt sie bei Ihrer Arbeit?
Ich arbeite zum Beispiel eng mit Regionalmanager Sebastian Gruber zusammen, spreche mich aufgrund verschiedener Schnittpunkte mit ihm ab. Das eine soll das andere ergänzen, Doppelungen sollen so vermieden werden. Ich hoffe, dass sich künftig das Netzwerk von Unternehmern, Bürgermeistern, Lehrern, Direktoren, Eltern und Schülern langfristig weiter und „pro Mittelschule“ ausbauen lässt.
Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Stephan Hörhammer