Zwiesel. Für viele ist sie das fleischgewordene „Mia-san-Mia“-Gefühl, das unverkennbare Aushängeschild und unverwechselbare Wiedererkennungsmerkmal bayerischer Lebenskultur: die Weißwurst. Dabei soll sie einst ein Betriebsunfall gewesen sein, ein Fehlfabrikat, das der Legende nach der „Moser Sepp“, Wirtsmetzger im Gasthaus „Zum Ewigen Licht“ am Münchner Marienplatz, vor mehr als 150 Jahren bei der Bratwurstherstellung zufällig entdeckte.
Nicht da Sepp, sondern da Bertl vo Zwiesl alias Albert Fritz gehört heute wohl zu den größten Verehrern „der Weißen“, wie er sie nennt. Gemeinsam mit seiner Frau Rosl und einigen weiteren Weißwurstanhängern hat er vor einiger Zeit einen eigenen „Weißwurst-Blog“ ins Leben gerufen, um seiner Lieblingsspeise zu huldigen. Natürlich alles mit einem gewissen Augenzwinkern. Mit dem Hog’n hat er über seine große Leidenschaft gesprochen – und dabei das Geheimnis einer perfekten Weißwurst verraten. Ein Experten-Gespräch.
Andere Würste mögen gut riechen, aber: Die frische Weiße, die duftet!
Bertl, Hand aufs Herz: Was ist das Geheimnis einer richtig guten Weißwurst?
Ich beurteile die Weißwurst immer nach folgenden Kriterien: Wie ist das Gesamterscheinungsbild? Wie die Konsistenz? Welchen Geruch gibt sie von sich? Wie ist der Geschmack? Und zuletzt: Wie ist die Weißwurst gewürzt?
Das Geheimnis einer optimalen Weißwurst? Leicht glänzend muss sie sein, einen hellen Farbton haben und mit einer ordentlichen Prise Petersilie gewürzt. Bei der Druckprobe soll sie sich prall, aber noch elastisch anfühlen. Nach dem Heißmachen muss sie flaumig und angenehm weich sein, aber durchaus noch Biss haben. Dann zeigt sich nämlich die wahre Metzgerskunst.
Ganz wichtig ist außerdem: Die Wurst soll duften. Andere Würste mögen ja angenehm riechen, aber: Eine frische Weißwurst duftet. Sie soll im Mund die Geschmacksnerven stimulieren. Ein weicher Geschmack ist dabei ideal. Die Gewürze müssen miteinander harmonieren, die Weißwurst darf keinesfalls salzig schmecken. Das i-Tüpferl zum vollendeten Genuss ist dann der süße Senf.
Woher beziehst Du Deine Weißwürste?
Ich kauf‘ sie immer beim Metzger meines Vertrauens. Da weiß ich nämlich, was auf dem Tisch landet – und das schon seit vielen Jahren. Discounterware verachte ich, ehrlich gesagt. Wenn ich auswärts eine Weißwurst esse, bin ich zunächst mal so frei und frage, wo denn das gute Stück her ist. Wenn der Gastwirt mich ang‘raucht hat, hab ich eben Pech gehabt. Aber ich glaube immer an das Gute im Menschen.
Abbeißen, Zuzln, Aufschneiden, Kreuz- und König-Ludwig-Schnitt
Wie ist es mit der Zubereitung? Irgendwelche Besonderheiten?
Die ist ganz simpel: Wasser in einem mittelgroßen Topf zum Sieden bringen. Den Topf vom Herd nehmen und die Weißwürste einzeln ganz behutsam einlegen, denn der empfindliche Darm kann schnell verletzt werden. Dann die Würste 10 bis 12 Minuten zugedeckt ziehen lassen. Während sie gemütlich im warmen Wasser schwimmen, richten wir den süßen Senf, die Brezn und gegebenenfalls das kühle Weißbier her. Dem Koch sei selbstverständlich schon ein Schluck gegönnt. Wenn die Weißwürste fertig sind, können sie mit dem heißen Sud in einer Terrine sofort serviert werden.
Was empfiehlst Du: Soll man die Weißwurst besser Zuzln oder „mit Werkzeug“ verputzen?
Es gibt ja bekanntlich mehrere Möglichkeiten eine Weißwurst zu verzehren: die Abbeiß-, Zuzl- und die „Aufschneider“-Methode sind die gängigsten. Zu den Königsdisziplinen zählen der sogenannte Kreuzschnitt und der König-Ludwig-Schnitt. Und dann gibt’s noch die sogenannte Bananen– und die Macho-Methode … (lacht).
Zuzln ist noch ein Überbleibsel aus ganz früher Zeit, als die Bindung der Wurstmasse noch keine richtige Bindung war, sondern alles noch weich und wässerig. Mit Besteck wäre das früher eine ziemliche Sauerei gewesen am Tisch … Findige Zeitgenossen haben dann eben das Zuzln als die wahre Methode proklamiert. Ich persönlich bevorzuge die einfachste Art: das Abbeißen. Da schau‘n die Außerbayerisch‘n zwar immer leicht irritiert – aber mit dem kann ich leben. Wer mit Besteck isst, ist auch nicht verkehrt dran. Das Innenleben lässt sich so ganz leicht von der Haut trennen. Manchmal kann man aber auch wahre Wurstverstümmelungen miterleben. Da derbarmt einem die Weißwurst direkt. Kurzum: Es gibt keine richtige oder falsche Verzehrmethode – alle haben ihre Daseinsberechtigung.
Jemand hat mal das Weißwurstessen als Gaumensex bezeichnet
Bitte nicht verkehrt verstehen, aber: Kann man zu einer Weißwurst auch eine erotische Beziehung aufbauen? Oder anders gefragt: Haben Weißwürste etwas mit Erotik zu tun?
Weißwursterotik würde ich jetzt nicht direkt sagen (lacht). Für mich gibt es nur eine, die erotisch ist – und das ist meine Rosl. Aber es stimmt schon: Eine Weißwurst hat etwas ganz Besonderes. Es ist ein absoluter Hochgenuss, sie mit Brezn, Senf und Weißbier zu sich zu nehmen. Ich hab‘ mal gelesen, jemand hat das Weißwurstessen als Gaumensex bezeichnet. Das können meine Rosl und ich zwar noch nicht behaupten. Aber es ist allemal etwas ganz Besonderes.
Was gehört Deiner Meinung nach zu einer guten Weißwurst dazu?
Ein frisches Weiz‘n passt meiner Meinung nach einfach am besten. Doch selbstverständlich kann auch anderes Bier dazu getrunken werden. Das mag jeder halten, wie er selbst möchte. Absolut tabu sind Wasser, Wein oder Limonaden: Das beißt sich gewaltig und der Genuss geht vollständig den Bach runter …
Dann natürlich die Brezn, frisch und resch. Erlaubt sind auch Zöpfe, Bauernbrote oder andere Wegg‘l. Und die Krönung ist dann noch der Senf: der Süße oder Weißwurstsenf. Es gibt auch da gewaltige Unterschiede, jeder muss seinen Lieblingssenf selbst herausfinden. Mei Rosl und ich nehmen am liebsten den aus Regensburg. Scharfer Senf ist absolut abzulehnen. Ganz Harte, vor allem jene, die außerhalb des Weißwurstäquators ihr Leben fristen müssen, toppen natürlich des Öfteren den Weißwurstgenuss, indem sie Ketchup, Majo, Sauerkraut oder einen kleinen Salat zur Weißwurst bestellen. Das haben wir schon alles erlebt (lacht). Da kannst einfach nicht hinsehen und verlässt schleunigst den Ort des Grauens. Das tut teilweise echt weh …
Am besten schmeckt die Weiße beim Metzger – direkt aus dem Kessel
Woher stammt eigentlich das Sprichwort, dass die Weißwurst das 12-Uhr-Läuten nicht hören darf? Was passiert denn, wenn’s nach Mittag wird?
Das mit dem 12-Uhr-Läuten stammt auch noch aus früheren Zeiten. Anno dazumal, als es noch keine Kühlmöglichkeiten gegeben hat, war es ratsam die Würste vormittags an den Mann zu bringen. Sonst wären sie verdorben. Aber dank der Kühltechnik ist das heute kein Problem mehr. Findige Hauptstädter haben irgendwann den Spruch vom 12-Uhr-Läuten in die Welt gesetzt. Und das hat sich bis heute gehalten. Wenn‘s nach 12 Uhr ist, passiert gar nix. Man kann die Weiße zu jeder Tages- oder Nachtzeit zu sich nehmen – eben wenn einem danach ist. Aber am besten schmeckt sie meiner Meinung nach tatsächlich am Vormittag. Besonders zur Faschingszeit, in den frühen Morgenstunden nach einem Ball, ist eine Weißwurst etwas ganz Feines. Und am allerbesten schmeckt die Weiße beim Metzger – direkt aus dem Kessel. Das ist dann wie im Paradies. Ich sag‘ den Leuten immer, sie sollen mal bei ihrem Metzger nachfragen, ob das möglich ist. Ganz ehrlich: Dieses Erlebnis vergisst keiner mehr in seinem Leben.
Ist nur eine bayerische Weißwurst eine gute Weißwurst? Oder hast Du auch schon Würste von anderswo für gut befunden?
Mir schmeckt die Weißwurst definitiv am besten, wenn sie aus Bayern kommt. Meine Rosl und ich haben außerhalb Bayerns weniger gute Erfahrungen gemacht – das war eher enttäuschend. Nur einmal waren wir total überrascht, als wir bei guten Freunden in Hagen in Nordrhein-Westfalen zu einem „typisch bayerischen Weißwurstessen“ eingeladen worden sind. Das war echt top. Wie daheim. Später wurde uns dann die Wahrheit aufgetischt. Die Weißen und der Senf waren aus der Oberpfalz. Die Brezn aus einer Bäckerei, deren Besitzer aus Bayern stammt (lacht).
Wie kommt man überhaupt auf die Idee einen Weißwurst-Blog ins Leben zu rufen?
Wir hatten vor einiger Zeit spontan im Internet zu recherchieren begonnen, was es dort alles über die Weiße zu lesen gibt. Das war allerhand: von ganz kurz gefassten G‘schichterln bis hin zu völligem Schmarrn. Wir haben dann beschlossen, der Königin im Wurstrevier einen ordentlichen und ihr würdigen Platz zur Präsentation zu bieten. Und das haben wir dann gemacht. Ich denke, wir haben den weltweit einzigen Blog im Netz, der sich ausschließlich um die Weißwurst kümmert. Unser Blog soll nicht belehrend sein – sondern auf nicht ganz ernst gemeinte Weise allen Weißwurstliebhabern ein Forum bieten.
Englisches Ehepaar wollte sie sich aufs Semmel schmieren
Welche Reaktionen hast Du wegen Deines Weißwurst-Spleens und dem Weißwurst-Blog bis heute bekommen? Gibt es irgendwelche kuriosen Begebenheiten zu berichten?
Geschichten rund um die Weißwurst haben wir schon viele erlebt – auch kuriose. In Hannover etwa wurde uns in einer Pension zum Frühstück ein Weißwurst-Essen hingestellt, da die Pensionsbetreiber der Meinung waren, in Bayern essen wir das jeden Morgen. Oder in München: Da haben zwei Chinesinnen die Weiße probiert – dabei herausgekommen ist ein regelrechtes Abschlachten. Oder in Nürnberg, in einem Hotel: Da wollte sich ein englisches Ehepaar die Weiße auf die Semmel schmieren (lacht).
Reaktionen bekommen wir auf unseren Blog sehr viele: seit Oktober 2011 haben wir mehr als 40.000 Klicks mit Besuchern aus mittlerweile 104 Ländern. Das eigens der Weißwurst gewidmete Lied von unserem „Weiß wuaschd is Xangl“ wurde in fünf Monaten bereits mehr als 5.000 Mal bei Youtube angehört. Auch die selbstgedrehten Videos über den „richtigen“ Verzehr oder das Anrichten der Weißen wurden schon tausendfach angeklickt.
Ungefähr alle acht Wochen halten wir einen Weißwurst-Stammtisch ab, der immer an verschiedenen Orten stattfindet. Und die Teilnehmer kommen von überall her. Gerne schaut auch mal unser Landrat Michael Adam mit seinem Lebensgefährten vorbei. Auch Zwiesels Bürgermeister Franz Xaver Steininger hat sich schon die Ehre gegeben. Der nächste Stammtisch findet übrigens am 20. Oktober ab 10 Uhr in Deggendorf statt – im wohl kultigsten Weißwurst-Wirtshaus, dem Weißbräu.
Ohne die „G’schbinnerten“ kann man so etwas nicht weiterführen
In unserer Weißwurst-Fan-Galerie tummeln sich Personen aus allen Gesellschaftsschichten. Auch die Prominenz nimmt sich da nicht aus: von den BR-Moderatoren Stefan Scheider und Martin Breitkopf über den Komiker Toni Lauerer, Entertainerin Gloria Gray bis hin zum Stanglwirt aus Kitzbühel. Seit neustem gibt es sogar einen Weißwurst-Stammtisch in Hurghada, Ägypten. Das ist quasi unser Schwester-Stammtisch, den der Hotelier Andreas Diefenbach aus Bodenmais ins Leben gerufen hat.
Wobei eines unbedingt gesagt werden muss: Ohne die vielen Gleichgesinnten, Weißwurstgenießer und a bisserl „G‘schbinnerte“ kann man so einen Blog nicht weiterführen. Sie alle sind für den Erfolg und die positiven Reaktionen verantwortlich – und das spornt uns an, weiter aktiv zu bleiben. Nächstes Jahr gibt es vielleicht eine Riesenüberraschung in Sachen Weißwurst – aber darüber darf ich noch nicht reden. Ihr dürft jedenfalls gespannt sein …
Interview: Stephan Hörhammer
Oiso, i muass sogn, dass ma da Blog guad gfoit, aber wos ganz wos anderscht:
Wisst’s es eigendle, dass in Freising a a Weisswurscht-Denkmoi gibt?
Grüß
Da Sepp
Servus Sepp. Also von da Hog’n-Redaktionn hat’s keiner g’wusst. Wenn Du Fotos hast von dem Denkmoi, immer gerne: info@hogn.de.
Gruas vom Hog’n
servus. ja des woas i. bin erst vor kurzem dran vorbeigfahrn. bild folgt demnächst. des is des einzige weißwurst denkmal überhaupt.
[…] Bloggen für die Weiße: Großes Interview in Onlinezeitung Zwiesel. Für viele ist sie das fleischgewordene “Mia-san-Mia”-Gefühl, das unverkennbare Aushängeschild und unverwechselbare Wiedererkennungsmerkmal bayerischer Lebenskultur: die Weißwurst. So beginnt da große Interview in der Onlinezeitung “da Hog´n”. Hier zum Nachlesen: […]
Das Weißwurst Denkmal in Freising.
http://weisswurstbayern.wordpress.com/2012/09/23/wissenswertes-weiswurst-denkmal/