Waldkirchen. Herbstsonne satt, an die 150 Besucher und eine weitere Bereicherung für den Marktplatz: Sichtlich zufrieden zeigten sich die Verantwortlichen des Heimat- und Museumsvereins Waldkirchen bei der feierlichen Enthüllung des neunten Radabweisers in der Bayerwaldstadt. Waren es in den Jahren zuvor noch der Torwächter, eine Säumerfigur und ein Chirurg, so zählt ab sofort auch ein Kaufmann zur weitum einzigartigen Familie der Radabweiser. Sein Standort befindet sich an der Wand des ältesten Waldkirchner Gebäudes, dem sogenannten Staudt-Haus („Optik Renner“). Das Wort „Alleinstellungsmerkmal für den Bayerischen Wald“ war an diesem Tag nicht nur einmal zu hören …
Initiiert vom Heimat- und Museumsverein Waldkirchen (HMV) und finanziert vom Hauseigentümer, erweitert die Figur des Kaufmanns nun die Radabweiserfamilie am Waldkirchner Marktplatz. Der HMV hat seit seiner Gründung im Jahr 1982 unter anderem das Ziel, unvergängliche und nachhaltige Projekte in und um Waldkirchen zu schaffen, an der sich geschichtsbewusste Bürger und Gäste erfreuen sollen: „Alle schon bestehenden Figuren führen uns in die Geschichte unserer Stadt und verdeutlichen ein Kapitel im Werdegang unserer Gemeinde. So weist uns die Figur des Kaufmanns auf die früher schon internationale Geschäftstätigkeit Waldkirchens hin, die sich bis in die heutige Zeit erhalten hat“, ist erster Vorsitzender Christian Seidel stolz auf den steinernen Zuwachs.
Christian Seidel: „Figur als Symbol des modernen Wirtschaftslebens“
Waldkirchens Künstler Manfred Werner, selbst Mitglied im HMV, hat dem rauen Bayerwaldgranit Leben eingehaucht, viel Wert auf Details gelegt und „die Figur als Symbol des modernen Wirtschaftslebens mit Rock und Zylinder dargestellt, der über den Goldenen Steig hinaus über die Alpen in das globale Wirtschaftsleben aufgebrochen ist, um einer der ersten Botschafter Waldkirchens zu werden“, berichtet Seidel. In wochenlanger, mühevoller Arbeit hat Werner den heimischen Granit bearbeitet und mit Farbe gefasst. Herausgekommen ist ein bleibendes Kunstwerk erster Güte, das vom Publikum mit Beifall und Anerkennung belohnt wurde.
Auch Landrat Ludwig Lankl war voll des Lobes und misst den Waldkirchner Radabweisern eine große Bedeutung für die Region zu. Im Kaufmann sieht er die konsequente Darstellung des Ortes als Geschäftsstadt, ausgehend von den historischen Wurzeln der Salzhandelswege am Goldenen Steig. Waldkirchens 2. Bürgermeister Max Schwarz hat sich „beim Heimat- und Museumsverein für den Einsatz und die Hartnäckigkeit“ bedankt, insbesondere aber beim Eigentümer für die Bereitschaft und die Finanzierung sowie beim Künstler für die Verwirklichung. „In Waldkirchen rührt sich was“, so Schwarz. Kaplan Balacs Czuczor spendete den kirchlichen Segen.
Kaufmann Crusilla und Co. – ein Schatz, den es zu bewahren gilt
Karl Saxinger, stellv. HMV-Vorsitzender, stellte den neuen Radabweiser fachkundig vor: „Im Granitstein von Künstler Manfred Werner sehen wir eine Figur, die die besondere Rolle des Waldkirchner Marktwesens beschreibt. Unter all den historischen Geschäftsleuten gab es damals drei Leinwandhändler, die den Ton angaben. Darunter auch Joseph Crusilla.“ Er war es, der das größte Handelsvolumen verzeichnen konnte und dessen Geschäftsbeziehungen bereits 1810 bis nach Italien reichten. Saxinger weiter: „Und sogar in wirtschaftlich schlechten Zeiten, wie um 1820, konnte er noch gewaltige Umsätze einfahren. Doch 20 Jahre später gingen allgemein Spinnerei und Leinwandfabrikation zurück und schrumpften auf einen kleinen Handelszweig zusammen.“ Saxinger beschreibt den Kaufmann Crusilla zutreffend und einfühlsam als einen „hochgeschätzten Händler, der damals schon den Namen des Heimatortes Waldkirchen weit ins Land hinein und sogar über dessen Grenzen hinaus trug.“ Besonderen Dank zollte Saxinger dem Künstler für die Gabe, bei dem 1,80 Meter hohen Kunstwerk „eine Figur aus dem Granit zu holen, die in eleganter Weise alle Kriterien wie Kleidung, Aussehen, Gebaren und Attribute für den Handel und Reisen beinhalten.“
Zum Abschluss wies Christian Seidel auf das besondere Wirken des Künstlers Manfred Werner hin: „Seit 1972 hat er insgesamt acht Radabweiser geschaffen, alleine fünf in den letzten fünf Jahren. Mit Behutsamkeit und Wissen in der Historie hat er sie alle aussagefähig und gefühlvoll als Gesamtkunstwerk komponiert. Räumlich weit und thematisch breit angelegt, inhaltlich aussagekräftig und zeitlich offen müssen wir uns diesen Schatz bewahren.“
Am 26. Oktober: die vierte „lange Nacht der Museen“ in Waldkirchen
Mit einem besonderen Dank an die Goldhaubenfrauen für die Umrahmung, an die beiden Musiker Hans Maier und Matthias Beck für die musikalische Gestaltung und an die Familie Renner für den Umtrunk mit Imbiss bedankte sich Seidel mit einem Blick auf die nächste große Veranstaltung: am 26. Oktober findet ab 17 Uhr die vierte „lange Nacht der Museen“ statt. Das Museum Goldener Steig, das an diesem Tag auch sein 25-jähriges Jubiläum feiert, beteiligt sich wieder an dieser unterhaltsamen Veranstaltung. Die gesamte Öffentlichkeit ist hierzu eingeladen.
Bei der Enthüllungsfeier waren unter anderem mit dabei: MdB Barthl Kalb, MdL Bernhard Roos, Landrat Ludwig Lankl mit seinen beiden Stellvertretern Renate Cerny und Helmut Behringer, Waldkirchens 2. Bürgermeister Max Schwarz, Kaplan Balacs Czuczor und Diakonin Regina Reymann, die Ehrenbürger Heinrich Schmidhuber und Franz Huber, einige Stadträte und Bürgermeister aus der Region, Sparkassenvorstand Stefan Proßer mit Marktbereichsleiter Christian Obermüller, die Waldkirchner Goldhaubenfrauen, die geschlossene Vorstandschaft mit vielen Mitgliedern des Heimat- und Museumsvereins Waldkirchen und viele weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Da Hog’n