Grafenau/Berlin. Im Rahmen des diesjährigen „Rock Over Lichteneck“ Festivals wurde Jürgen Hüsemann von Hellfyre eine Audienz beim „Teufel“ gewährt. Nein, nicht beim Herrn der Finsternis, sondern beim Sänger der Mittelalterband „TANZWUT“, der ganz nebenbei auch das Gründungsmitglied von „CORVUS CORAX“ ist. Im Interview erzählt der Sänger über die Anfänge der Mittelaltermusik der „Neuzeit“, wie sich die Wessis über eine Horde dreckiger und dudelsackpfeifender Spielleute gewundert haben und darüber, dass Casting-Shows im Osten eine ganz andere Bedeutung hatten als heutzutage.

Teufel ist der Sänger der Mittelalterband „Tanzwut“ und Gründungsmitglied von Corvus Corax. Foto: Jürgen Hüsemann.
Servus Teufel. Witzige Geschichte, der Teufel gibt dem „HELLFYRE“ ein Interview!
(lacht) Jetzt, wo Du´s sagst, ja, das hat was!
Es ja ziemlich lange still gewesen um TANZWUT, seit dem 2006er Album „Schattenreiter“. Was ist denn in dieser langen Zeit alles so passiert?
Ich war ja damals noch bei CORVUS CORAX (eine der ersten erfolgreichen Mittelalterbands) und wir sind sehr viel getourt. Außerdem haben wir lange an den Carmina Burana-Vertonungen „Cantus Buranus“ gearbeitet, wo ich sehr viel mitkomponiert habe. Wir haben da ein Riesen-Orchesterwerk aufgeführt, haben unter anderem in Wacken gespielt und waren wirklich viel unterwegs. Da haben wir wirklich viel Zeit und Kraft investiert. Tanzwut ist da einfach ein bisschen hintendran gewesen. Irgendwann habe ich mich entschieden auszusteigen. Ich wollte einfach wieder mehr Rock´n´Roll machen.
„Wir haben die mittelalterliche Musik poppiger gemacht“
Es gab ja Ende der Neunziger einen wahren Boom, als Mittelalterbands wie die Pilze aus dem Boden schossen.
Ja, das stimmt. Damals waren Tanzwut, In Extremo am Start und ging das los, dass Mittelalterrock gemacht wurde.
Ihr habt mit CORVUS CORAX die mittelalterliche Musik ja sozusagen „salonfähig“ gemacht.
Wir haben eben diese Mittelaltermusik etwas moderner und poppiger gemacht. Vorher gab´s ja nur diese „akademische“ Musik von ein paar Leuten, die in Kirchen mit Harfe und Flöte Hildegard von Bingen oder Walther von der Vogelweide vertont haben. Die haben fünfzehn Strophen gesungen und dann bin ich vor lauter Langeweile eingeschlafen. Die Konsequenz daraus war halt für uns, das Ganze mit E-Gitarre und Schlagzeug aufzupeppen und daraus TANZWUT zu machen.
Woher kommt eigentlich dieses Faible für das Mittelalter?
(In diesem Moment kommt Gitarrist Martin Ukrasvan etwas geräuschvoller ins Backstagezelt). Was ist denn das für ein Krach hier (lacht…)? Immer dasselbe mit diesen Metaltypen hier…
„In der DDR hattest du zwei Möglichkeiten: Entweder mitmachen oder außerhalb der Gesellschaft leben“
Nochmal die Frage: Woher kommt dieses Faible für das Mittelalter? Ist das immer schon eine Lebenseinstellung von Dir bzw. Euch gewesen? Ihr kommt ja alle aus Berlin, einer Stadt, die für ihre mittelalterliche Vergangenheit ja nicht gerade berühmt ist…
Wir haben damals im Osten angefangen, diese Art von Musik zu spielen. Du hattest in der ehemaligen DDR zwei Möglichkeiten: Entweder du hast den Zirkus mitgemacht, den der Staat vorgeschrieben hat, ein schönes Häuschen zu haben und in der Partei zu sein, oder du hast dich halt – so wie wir – entschieden, außerhalb der Gesellschaft zu leben und da nicht mitzuspielen. Für uns war das damals eine Variante sozusagen als vogelfreie mittelalterliche Spielleute uns da auszugrenzen. Wir haben uns intensiv mit Literatur und Musik aus dieser Zeit beschäftigt und haben uns gesagt, wenn die durch ihr Treiben damals geteert und gefedert oder an den Pranger gestellt wurden, dann können wir das im Sozialismus schon lange. Vor allem, weil wir uns auch gedacht haben, dass die Strafen wohl nicht so drastisch wie im Mittelalter ausfallen würden.
Als doch eine gewisse Form von Staatsrebellion?
Na ja, nicht unbedingt Rebellion. Wir haben einfach gesagt, wir machen dieses Spiel nicht mit. Wir stellten uns auf die Straße und haben Straßenmusik gemacht, auch diverse Auftritte absolviert. Im Osten musstest du dich vor ’ne Kommission stellen wie bei Dieter Bohlen heutzutage und musstest vor Leuten vom Kulturdezernat vorspielen damit die die Kontrolle über das hatten, was du auf der Bühne spielst. Und wenn´s ihnen gepasst hat, hast du so ´ne Genehmigung gekriegt und konntest dich auf die Bühne stellen. Das haben wir halt mit unserer Art von Musik umgangen.
Schönes Interview :-) Danke