Haben Frauen mit Familie schlechtere Karten im Berufsleben?
Horsch: Eher ja. Frauen sind fast immer mehrfach belastet beziehungsweise beschäftigt (Beruf, Haushalt, Kinder, evtl. Pflege von Angehörigen usw.). Männer werden in der Regel bei Einstellungsgesprächen nicht gefragt, wie sie alles unter einen Hut bekommen, Frauen schon.
Prasser: Das kann ich nicht beurteilen.
Ist es für Frauen in unserer Region schwieriger, Teilzeitstellen zu bekommen, die mit einer Familie vereinbar sind?
Horsch: Ja. Da in unserer Region kaum große Industrieunternehmen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen oder Kinderbetreuungseinrichtungen, abgestimmt auf die Arbeitszeit, zur Verfügung stehen. Kleine Unternehmen bemühen sich zwar oftmals und es müssen individuelle Lösungen gefunden werden. Dies ist aber meist sehr anstrengend (sowohl für die Frau wie auch für den Betrieb). So entscheiden sich in unserer Region notgedrungen viele Frauen ganz für die Familie und klinken sich viele Jahre aus dem Beruf aus. Danach beruflich wieder einzusteigen, ist oft ein sehr schwieriger Weg. Weitere Probleme sind mangelndes Selbstvertrauen, fehlende aktuelle Fachkenntnisse, fehlende Rentenzeiten und vieles mehr.
Prasser: Ich habe zu diesem Thema keine Erfahrungen. Teilzeitstellen werden ja meist von Frauen gesucht und gefunden, die Kinder haben. Ob es jetzt hier explizit für Frauen mit Kindern Nachteile gibt, kann ich nicht berurteilen. Angesichts der demografischen Entwicklung und das nicht nur in unserer Region, dürfte sich hier das Blatt sicher auch wenden.
Prasser: „Sich für eine Selbständigkeit aus der Not heraus zu entscheiden, kann nicht gut gehen.“
Bleibt Frauen in vielen Berufen vielleicht nur die Selbständigkeit?
Horsch: Nein. Wenn die Selbständigkeit nur als Ausweg gewählt wird, weil kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist es fraglich, ob dies funktioniert.
Prasser: Selbstständigkeit ist eine tolle Sache und sicherlich eine gute Idee, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Die Arbeitszeiten können weitgehend selbst gestaltet werden. Allerdings muss frau die Selbstständigkeit wirklich wollen und auch der Typ dazu sein. Sich für eine Selbstständigkeit aus der Not heraus zu entscheiden, kann nicht gut gehen. Alles was man im Leben macht, davon sollte man überzeugt sein, sonst wird das nichts.
Denken Sie, dass die Einführung einer Frauenquote etwas verändern würde?
Horsch: Auf jeden Fall würden mehr Frauen in Führungspositionen kommen.
Prasser: Ich halte von Quotenregelungen überhaupt nichts.
Was würde denn etwas an der derzeitigen Situation ändern?
Horsch: Plattformen zum Netzwerken, für Erfahrungsaustausch, aber auch um Geschäfte miteinander zu machen und zu kooperieren, nutzen die Frauen immer noch zu wenig.
Prasser: Ich glaube, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft für alle Frauen positiver entwickeln wird. Das Bewusstsein in den Köpfen der Aufsichtsräte und bei den wirtschaftlichen Entscheidern hat sich in den letzten Jahren spürbar zum Positiven hin geändert. Wer als Frau arbeiten will, bekommt Arbeit. Meines Erachtens ist eine gute Erziehung und Ausbildung für jeden Menschen die wichtigste Voraussetzung für ein erfülltes Berufleben.
Horsch: „Beratungsstellen für Frauen sind sinnvoll, denn allgemeine Anlaufstellen sind in der Sache sehr männerdominiert“
Wie wichtig sind Beratungsstellen nur für Frauen oder Unternehmerinnenorganisationen für selbständige Frauen?
Horsch: Meine Antwort auf diese Frage ist klar: Beratungsstellen für Frauen sind wichtig und sinnvoll (ich bin ja selbst Geschäftsführerin und Projektleiterin der Beratungsstelle für Frauen – Bildung & Beruf in Passau). Bei uns erhält jede Frau – vertraulich, neutral und kostenlos – Tipps und Informationen rund um den Beruf. Dank der Förderung durch den Europäischen Sozialfond und das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen können wir den Frauen diesen notwendigen Service bieten.
Prasser: Ich finde diese Beratungsstellen durchaus zweckmäßig. Es gibt viele Frauen, die sich leichter unter Frauen öffnen können.
Setzt man mit eigenen Anlaufstellen für Frauen nicht wieder das Zeichen: Frauen sind anders als Männer und bedürfen einer gesonderten Behandlung?
Horsch: Es ist ja nicht zu bestreiten, dass Frauen anders sind als Männer und andere Bedürfnisse haben. Es gibt allgemeine Anlaufstellen, die aber in der Sache sehr männerdominiert ausgerichtet sind, also zum Beispiel im großen Stil „denken“ und die Thematik Vereinbarkeit von Beruf und Familie überhaupt nicht auf der Agenda haben. Es sind also die Themen, die eine Beratungsstelle rechtfertigen und übrigens wird bei uns bestimmt kein Mann abgewiesen, der zum Beispiel Fragen zum Wiedereinstieg nach der Familienzeit hat oder wissen möchte, welche Möglichkeiten für ein Teilzeitarbeitsverhältnis in seinem Unternehmen bestehen.
Prasser: Wie schon bei der vorhergehenden Frage beantwortet, macht es Sinn, dass Frauen andere Frauen beraten, weil sie einfach besser untereinander kommunizieren und sich öffnen können. Es bleibt jeder Frau sich selbst überlassen, diese Beratungsstellen anzunehmen oder ein anderes Beratungsangebot anzunehmen.
Interview: Dike Attenbrunner