Schlechtreden des Einsatzes: Für jeden Soldaten ein Schlag ins Gesicht
Das Ziel der Terroristen aus den Reihen der Taliban, Hesb-e Islami, des Haqqani- und Al Qaida-Netzwerks sind vor allem Regierungskräfte von Polizei, Armee und Behörden, von denen 2012 bereits mehr als 250 ermordet worden sind. Leider kommt es dabei auch immer wieder zu zivilen Opfern – darunter viele Kinder. Die selbstgebastelten Bomben der Taliban reißen alles mit, was dem eigentlichen Ziel zu nahe steht. Mehr als drei Viertel aller zivilen Opfer gehen auf das Konto der Terroristen. Wir tun alles Menschenmögliche um Tote in der Bevölkerung zu vermeiden. Wer will schon einen anderen Menschen töten, noch dazu einen Unschuldigen? Ganz zu schweigen von der Eskalation, die das nach sich ziehen würde … Doch leider sind zivile Opfer nicht ganz zu vermeiden, da die Mörder sich nur allzu häufig hinter ihnen verstecken. Sie halten sich eben nicht in Lagern auf, sondern kehren nach ihren Taten nach Hause zurück, wo sie ihre konspirativen Treffen veranstalten.
Viele, insbesondere die Medien, halten den Einsatz in Afghanistan für gescheitert. Oft rufen dieselben dann jedoch zum Einsatz in Syrien auf, um die Gewalt dort zu stoppen – genauso wie zuvor in Libyen oder anderswo. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Der Drogenkrieg in Mexiko beispielsweise fordert seit Jahren wesentlich mehr Opfer. Was mich sehr ärgert ist der Ausspruch, dass am Afghanistan-Einsatz nichts Gutes dran sei. Das ist eine Beleidigung für die Menschen hier, die sich unter Inkaufnahme höchster Opfer für Freiheit, Demokratie, den Aufbau des Landes sowie für Kunst und Kultur einsetzen – und auf eine Zukunft in einem modernen Staat hoffen. Das Schlechtreden ist für jeden Soldaten und dessen Familie ein Schlag ins Gesicht. Es ignoriert die erbrachten Leistungen der militärischen und zivilen Helfer, vor allem derjenigen, die ihr Leben gelassen haben. Ihr Tod, wenn man das überhaupt so sagen darf, macht nur dann dauerhaft Sinn, wenn Afghanistan Frieden findet.
Auch Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden …
Ich kann nicht nachvollziehen, dass die schärfsten Kritiker gerade diejenigen sind, die Afghanistan noch nicht einmal im Leben betreten haben, während Soldaten wie ich trotz aller Verluste und Opfer erleben, was hier in zehn Jahren bereits entstanden ist. Auch Rom wurde nicht an einem Tage erbaut. Die Stromversorgung in den Städten, der kontinuierliche Ausbau der Wasserversorgung, funktionierende Kliniken, Schulen und Hochschulen, eine im Vergleich zu früheren Jahren besser ausgestattete Armee und Polizei, die fast grenzenlose Freiheit der Medien, eine boomende Bauwirtschaft, wachsender Handel sowie ein engagiertes Parlament, das gerade erst die Absetzung des Verteidigungsministers herbeigeführt hat – all dies sind Zeichen für die Sinnhaftigkeit des ISAF-Einsatzes. Natürlich ist noch nichts mit unseren Standards vergleichbar. Aber bei uns setzte die Moderne bereits vor mehr als 150 Jahren ein. Was sind da, nach dem Fall des Steinzeitregimes der Taliban und mehr als dreißig Jahren Krieg, schon zehn Jahre?
Das Problem: Die Menschen fürchten, dass alle Errungenschaften vergebens sein könnten, wenn die internationalen Kräfte das Land wieder verlassen und einer – offen gesagt – viel zu korrupten Regierung und den aus Pakistan unterstützten Taliban sowie anderen Verbrecherorganisationen überlassen werden. Letztere haben nichts weiter zum Ziel als den in Afghanistan versammelten Völkern und Religionen ihren Willen aufzuzwingen – und ihnen sämtliche Freiheiten wieder wegzunehmen.
Die Korruption lässt sich in meinen Augen nur durch politischen und finanziellen Druck von außen bekämpfen. Präsident Hamid Karzai soll selbst mehrere hundert Millionen Euro in arabischen Ländern angesammelt haben. Mir selbst sind viele Beispiele von unterschiedlichen Korruptionsfällen bekannt. Verhaftet werden die Leute nicht, weil sie nach wie vor Rückendeckung aus den Ministerien in Kabul erfahren. Und dennoch kann ich sagen: Trotz all der Korruption geht es voran.