Grainet/Schlinding/Rom. „Die Bulldog-Wallfahrt machen wir, weil wir so viel auf dem Kerbholz haben“, sagt Andreas Bauer, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Der Vorsitzende des Bulldog-Oldtimer-Clubs Grainet ist zu Scherzen aufgelegt – obwohl auch bei ihm das Lampenfieber allmählich steigt. Am kommenden Sonntag machen er und acht weitere Wallfahrer sich auf zum wohl größten Abenteuer ihres Lebens: Mit dem Bulldog von Schlinding bei Thurmansbang zum Heiligen Vater nach Rom.

„Ohne die die Unterstützung der vielen ehrenamtlichen Helfer wäre die Wallfahrt undenkbar“, sagt Bulldog-Club-Vorsitzender Andreas Bauer (links). Zur Hand gehen ihm an diesem Tag Stefan Schedlbauer aus Altfaltern und Klaus Weichselsdorfer aus Fürsteneck (rechts), um den letzten Feinschliff an den Bulldogs zu erledigen. Fotos: Da Hog’n.
Rund 1200 Kilometer Fahrtstrecke gilt es in zehn Tagen auf neun altehrwürdigen Traktoren im Gesamtalter von 462 Jahren und ausgestattet mit 242 Pferdestärken zu absolvieren. Eine Reise, die vor allem eins erfordert: jede Menge Sitzfleisch. Doch es geht um viel mehr als das bloße Abenteuer: Die einzigartige Mammut-Wallfahrt steht im Zeichen des Herrns, der Schöpfung und des guten Zwecks.
„Hausaufgaben haben wir gemacht – sind sehr gut vorbereitet“
Derzeit steht in dem geräumigen Stadl in Altfaltern, unweit von Andreas Bauers Wohnsitz in Schlinding gelegen, der letzte Feinschliff auf dem Programm. Dort parken sie in Reih und Glied, geölt, geschniegelt und auf Hochglanz poliert: die neun landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge aus scheinbar längst vergangenen Tagen. Wahre Prachtexemplare, die das Herz eines jeden technikbegeisterten Oldtimerfans höher schlagen lassen. Ein Cormick Farmall Baujahr ´58, ein Eicher-Mammut Baujahr ´63, ein 57 Jahre altes Fendt-Dieselross, ein Deutz, ein Hatz, ein Cormick D 217, ein Fendt-Geräteträger, dazu ein Porsche Super Export und ein Hermann-Lanz-Bulldog Baujahr ´65. Letzterer gehört Andreas Bauer. Auf ihm wird der Besamungstechniker zehn Tage lang im Bulldog-Convoy bei Wind und Wetter, mit maximal 20 Kilometer pro Stunde, vom Bayerwald aus über die Alpen bis in den Vatikan tuckern.
Geboren ist die Idee zur Bulldog-Wallfahrt im Februar dieses Jahres beim „Faschings-Kunterbunt“ in der Graineter Turnhalle. „Edeltraut Schnelzer aus Exenbach, die durch den Abend geführt hatte, sagte an die Mitglieder des Oldtimer-Clubs gerichtet: Wenn ihr mit Euren Bulldogs schon bis nach Altötting gefahren seid, dann trau ich Euch auch zu, dass Ihr es bis nach Rom zum Heiligen Vater schafft“, erinnert sich der Club-Vorsitzende – und dachte sich: Warum eigentlich nicht? Das packen wir an!
„Aufgeregt sind die meisten freilich schon, aber wir sind alle sehr gut vorbereitet. Unsere Hausaufgaben haben wir gemacht“, sagt Bauer voller Zuversicht. Die Bremsen wurden erneuert, Keilriemen gewechselt, genauso wie sämtliche Schmiermittel, Dichtungen, Öl- und Kraftstofffilter. Die 90-Kilometer-Testfahrt vor wenigen Tagen, von Schlinding nach Grafenau und wieder zurück, verlief überaus erfolgreich. „Nur einer der Mitfahrer hat ein schwaches Geräusch am Motor festgestellt, woraufhin er fast den gesamten Bulldog in der Scheune zerlegt hat. Er hat gesagt, er wolle auf Nummer sicher gehen und das Ziel pannen- und unfallfrei erreichen.“ Nur ein kleines Zeichen dafür, welche Bedeutung die Wallfahrt für die Teilnehmer habe, so Bauer.
Kongo-Hilfe: Schöpfungsgedanke soll nach der Wallfahrt weiterleben
„Ich bin als Landwirt und gläubiger Christ mit der Schöpfung aufgewachsen. Es ist an der Zeit danke zu sagen“, erklärt der 53-Jährige den Sinn und Zweck der langen Reise, die er und seine Wegbegleiter am 19. August, um 6 Uhr morgens von der Schlindinger Dorfkapelle aus antreten wollen.

Die Wallfahrer wollen für den Bau von Brunnen in der Demokratischen Republik Kongo Spendengelder sammeln, um die Not der Menschen dort zu lindern.
Doch nicht nur Dankbarkeit und die Bezeugung des Glaubens spielen eine wichtige Rolle. Der Gedanke der Schöpfung soll auch nach diesem wohl einzigartigen Unterfangen weiterleben: „Der soziale Hintergrund dieser Schöpfungswallfahrt ist die Unterstützung von Brunnenbauprojekten in der Demokratischen Republik Kongo, zur Rettung von Menschenleben.“ In enger Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Hilfswerk Spes Viva e.V. will man auf die katastrophalen Zustände in dem zu den ärmsten Ländern der Welt zählenden und von Krisen gebeutelten zentralafrikanischen Staat aufmerksam machen – und Spendengelder für den Bau von Wasserbrunnen akquirieren.
Neben der technischen Vorbereitung gilt es die teils selbstgemalten Transparente und Schautafeln mit den christlichen Symbolen, Marienbildern und Gruß-Schriftzügen an den Traktoren anzubringen.

Am 19. August, um 6 Uhr morgens, startet die Bulldog-Wallfahrt von der Schlindinger Dorfkapelle aus.
„Grainet im Bistum Passau grüßt den Heiligen Vater“ ist auf einem zu lesen, darunter ist die Graineter Pfarrkirche zu sehen. „Das Schild hat Irmgard Hain aus Preming anlässlich der ersten Bulldog-Erntedank-Wallfahrt nach Altötting im vergangenen September für uns eigenhändig angefertigt. 250 Stunden hat sie dafür gemalt“, berichtet Bauer begeistert. Gut sichtbar und an exponierter Stelle befestigt sollen die Schilder Papst Benedikt XVI. am 29. August bei der Ankunft in Rom begrüßen. Geplant ist eine Generalaudienz beim Papst, die entweder in Castel Gandolfo, der 24 Kilometer südöstlich von Rom gelegen Sommerresidenz des Pontifex, oder direkt am Petersplatz stattfinden wird. „Den genauen Ort werden wir erst in den nächsten Tagen erfahren“, so Bauer.
Am 19. August, um 6 Uhr morgens, startet die Bulldog-Wallfahrt von der Schlindinger Dorfkapelle a
Tausende ehrenamtlicher Stunden in die Wallfahrt investiert
Bei der Audienz wollen die Wallfahrer jedoch nicht nur Grußworte und Glückwünsche anlässlich des diesjährigen 85. Papst-Geburtstags aus der bayerischen Heimat übermitteln, sondern weitere Gaben an den Bischof von Rom übergeben. Wie zum Beispiel eine Schöpfungsglocke, verziert mit dem Abbild der Schwarzen Madonna von Altötting, den Papstinitialen und weiteren christlichen Symbolen.
„Außerdem haben wir eine 1,20 Meter hohe Erntekrone mit dabei, gefertigt von den Schöfweger Frauen, sowie ein Kornmandl, das Mitfahrer Manfred Müller aus Ottmaring eigens für diesen Anlass gebunden hat“, berichtet der Schlindinger stolz. Weit über 1000 ehrenamtliche Stunden haben die Wallfahrer und ihre fleißigen Helfer im Hintergrund in die Wartung der Bulldogs, das Fertigen der Schilder und Darbringungen sowie in die weitere Organisation dieses wohl einmaligen Unterfangens investiert. „Einige haben ihren gesamten Jahresurlaub geopfert. Die Wallfahrt wird uns große körperliche und finanzielle Strapazen abverlangen. Aber die Sache ist es uns wert.“ Kosten in Höhe von rund 3000 Euro sind für jeden Bulldog-Fahrer eingeplant – den beruflichen Verdienstausfall nicht miteingerechnet.

Die fleißigen Schöfweger Frauen und ihre Erntekrone: (von links) Renate Füller, Rosa Albrecht, Ria Weber, Johanna Trasch und Erna Fischer.
Apropos Organisation: Der logistische Aufwand hinter der Wallfahrt ist immens. Angefangen von den unzähligen (Ausnahme-)Genehmigungen, die seitens des Bischofs und des Passauer Bistums, der bayerischen, österreichischen und italienischen Polizei sowie von Seiten des Vatikans etwa für die Nutzung bestimmter Straßenabschnitte eingeholt werden mussten, über die Routenplanung, die Fritz Kloiber peinlich genau über Seitenstraßen zwischen Schlinding und Rom festgelegt hat, bis hin zur Frage: Wo wird übernachtet? Und: Was wird an Proviant, Diesel und Ersatzteilen mitgenommen? – alles wurde bis ins letzte Detail akribisch durchgeplant. „Seit einem halben Jahr beschäftige ich mich täglich mit nichts anderem als der Wallfahrt“, sagt Andreas Bauer. „Ohne die Mithilfe vieler Behördenträger und Unterstützer von politischer Seite wäre dies alles nicht möglich.“
Camping-Blues: Gegessen wird aus der Dose, täglich einmal warm
Eine besondere Herausforderung für Mensch und Maschine stellt die Überquerung der Alpen dar. „Aufgrund der vielen Steigungen kann es passieren, dass die Motoren heiß laufen – und wir somit einige Zwangspausen einlegen müssen“, befürchtet der gelernte Landwirtschaftsmeister. Auch den letzten Tour-Abschnitt, die Römer Innenstadt mit ihrem dichten Verkehr und der italienisch-legeren Fahrweise, scheut der Bulldog-Club-Vorsitzende bereits. Doch so schlimm wird’s nicht werden, denn: Die letzten 100 Kilometer vor Rom werden die Extrem-Wallfahrer von der italienischen Polizei erwartet – und bis zum Ziel ihrer Reise durch die Stadt eskortiert. „In Rom wird unser Vorhaben sehr hoch aufgehängt. Alle Polizeidienststellen sind dort informiert.“
Zum Schlafen will die Gruppe Bauer zufolge immer kurzfristig entscheiden, wo sie ihr Nachtlager aufschlägt. Planungssicherheit gibt es hier nicht. Angedacht sind Übernachtungen in Klöstern und Pfarrhöfen entlang der Wegstrecke. „Und für den Notfall haben wir ein Zehn-Mann-Zelt dabei.“ Gegessen wird vorwiegend aus der Dose. Die Mahlzeiten sollen in einem der drei Begleitfahrzeuge, die mit Herdplatten ausgestattet sind, zubereitet werden. Die Vorgabe lautet: Einmal am Tag etwas Warmes zum Essen auf den Tisch – respektive auf die Motorhaube. Und was, wenn einer der Bulldogs ausfallen sollte? „Wir haben einen guten Draht zum ADAC“, sagt der Wallfahrer-Chef mit einem Augenzwinkern.
Großes Wiedersehen am 31. August
Sollte sich jemand – aus welchen Gründen auch immer – unwohl fühlen bzw. verletzen, stehen drei Rot-Kreuzler, die den Tross begleiten, bereit. Auch sprachlich sollte es in Italien zu keinen Schwierigkeiten kommen: Dolmetscher, die jederzeit telefonisch erreichbar sind und im Notfall vermitteln können, wurden für die Tour eigens engagiert. Und selbstverständlich werden sämtliche Eindrücke der Wallfahrt auf Videoband dokumentiert.
Zielort bei der Heimkehr aus Rom, am 31. August, ist Grainet – der Ort, an dem die Idee zur Bulldog-Wallfahrt geboren wurde. Mit den Traktoren, die in der Zwischenzeit von einer Spedition von Rom zurück in den Bayerwald transportiert worden sind, wollen die Teilnehmer dann noch einmal in Grainet einfahren – und von ihrer Reise berichten. Den Daheimbleibenden bleibt nur eins: den Wallfahrern eine gute Reise und eine gesunde Wiederkehr zu wünschen.
Stephan Hörhammer
Sie fahren alle mit: Andreas Bauer aus Schlinding bei Thurmansbang, Erwin Holzbauer aus Stierberg bei Walkirchen, Alois Bauer aus Irlach bei Bernried, Manfred Müller aus Buchhofen bei Ottmaring, Ludwig Hüttinger aus Schöfweg, Josef Fischer aus Arnstorf, Anton Eppeneder aus Taufkirchen, Rudolf Gross aus Bad Füssing und Oliver Helm aus Schondorf am Ammersee.
Spendenkonto für die Unterstützung der Wallfahrt und die Brunnenbauprojekte in der Demokratischen Republik Kongo:
Spes Viva e.V.
Konto: 23 24 636
BLZ: 750 903 00
Liga Bank München
oder:
Spes Viva Bayerwald e. V.
Konto: 400 74 73 0
BLZ: 740 697 44
Raiffeisenbank Grainet