Freyung-Grafenau. „Das Image unserer Region hat durch den Technologie Campus unbandig zugenommen“, würdigte Landrat Ludwig Lankl die hervorragende Arbeit des Technologie Campus Freyung anlässlich eines Pressegesprächs zum anstehenden Semesterende. Nicht nur deshalb, weil der Campus kontinuierlich wachse, so Lankl, sondern auch wegen Effekte, die man auf den ersten Blick nicht sehe: „Im Winter war eine Gruppe von BMW-Mitarbeitern zu einer Veranstaltung vor Ort. Die sind dann einen Tag eher angereist und waren vorher noch Skifahren.“ Auch Freyungs Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich sah mit der Gründung und Entwicklung des Campus‘ überaus positive Impulse für die Entwicklung der Stadt Freyung: „Firmen verlegen ihren Sitz nach Freyung, weil sie hier Anknüpfungspunkte mit dem Campus vorfinden.“ Als Beispiel nannte Heinrich unter anderem IB/E Optics in der Passauer Straße.
Nach einem rasanten Wachstum in den vergangenen drei Jahren hat der Campus nun eine beachtliche Größe erreicht: Knapp 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für regionale, überregionale und internationale Unternehmen im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben tätig. Auch in den vergangenen Wochen war das Campusteam bei der Auftrags- und Projektakquise sehr erfolgreich. Die erste Ausgründung eines Forschungsteams nimmt ebenfalls ihren Betrieb auf. „Und für die Zukunft sind die Auftragsbücher gut gefüllt“, zeigten sich die beiden Campusleiter Prof. Dr.-Ing. Andreas Grzemba und Prof. Dr. Wolfgang Dorner hochzufrieden.
Campus: Hochtechnologiebereich in der Region
Damit hat der Campus weit mehr als das anvisierte Ziel erreicht: 2009 war man noch mit dem Vorsatz angetreten, innerhalb von fünf Jahren ein Team mit ungefähr 15 bis 20 Mitarbeitern aufzubauen. Nun sind, neben den 30 wissenschaftlichen und technischen Voll- und Teilzeitkräften, außerdem 15 Studierende am Campus beschäftigt. Als Praktikanten, studentische Hilfskräfte und im Rahmen von Abschluss- und Projektarbeiten sammeln sie wertvolle praktische Erfahrung und gewinnen einen Einblick in den Forschungs- und Entwicklungsbetrieb.
Studierende und Absolventen für eine Arbeitsstelle am Campus zu gewinnen, sei aber nicht immer leicht, gab Dorner zu, weil man sich in den hochtechnologischen Bereichen im Wettbewerb mit den großen Unternehmen befinde: „Auf einen Absolventen kommen drei bis vier Jobangebote.“ Trotzdem hätten einige Studenten der ersten Stunde schon feste Arbeitsverträge unterschrieben. „Es gibt auch viele Nachfragen von Schülern, also angehenden Studenten, weil sie hier in regionaler Nähe in einem Hochtechnologiebereich arbeiten können. Und wenn das dann klappt, haben wir unsere Aufgabe am Campus übererfüllt“, so Dorner. Schüler an den Campus heranzuführen und ihnen zu zeigen, was man hier so macht, sei deshalb eine wichtige Aufgabe, bekräftigte auch Grzemba die enge Zusammenarbeit mit den Schulen im Landkreis. Und so vielleicht auch bei den Mädchen mehr Interesse für technische Berufe zu wecken. „Indem wir unsere Studenten frühzeitig an den Campi einsetzen, können wir den demographisch bedingten Fachkräftemangel zu einem Teil abfangen“, sagte Grzemba weiter.
Aus den ehemals drei Arbeitsgruppen Embedded Systems, Geoinformatik und Bionik sind zwischenzeitlich sieben Forschungsteams und eine kleine Stabsgruppe entstanden, wobei die drei wissenschaftlichen und technischen Themenschwerpunkt erhalten geblieben sind und in allen Teams eine Rolle spielen. „Dem starken Wachstum folgend, mussten wir unsere Organisationsstruktur weiterentwickeln. Die Teams und deren fachliche Schwerpunkte haben wir stark an Zukunftsthemen, Märkten sowie den Interessen unserer Kunden und Forschungspartner orientiert“, erklärte Dorner die Umstrukturierungen. Software für „Mobile Systeme“ (wie Smartphones und Tablet PCs), „Angewandte Energieforschung“, „Automobilelektronik“ und „Elektromobilität“ deuten bereits an, um welche Zukunftsthemen es geht. „Die Informatik ist in vielen Technologiebereichen eine wichtige Basistechnologie geworden. Eingebettete Computersysteme findet man in vielen Geräten und Maschinen. Sind diese auch noch mobil, dann spielt die Geoinformatik eine wichtige Rolle. Wir haben deshalb die Fachdisziplinen geschickt kombiniert und orientieren uns damit sicherlich an wichtigen Schlüsselmärkten“, ist sich Grzemba, Vizepräsident der Hochschule Deggendorf und Campusleiter, sicher.
Wichtige Projekte: Borkenkäferfrüherkennung, Technologien für Bergrettung, Energieinformatik- und forschung
Mit dem Team für Entwicklung und Bestückung von eingebetteten Systemen ist ein weiterer Schwerpunkt gewachsen. Das neue Labor in den Wolfsteiner Werkstätten wird gemeinsam mit diesen betrieben. Das Team Bionik zusammen mit dem Cluster Bayonik ist zu einer etablierten Einrichtung geworden und die Clusterveranstaltungen finden regen Zulauf.
In den vergangenen drei Monaten konnten drei wichtige Projekte gewonnen werden, die bereits andeuten, wie und wohin sich das Wachstum des Campus künftig entwickeln wird. Im Bayerischen Luft- und Raumfahrtprogramm erhielt der Campus zusammen mit einem Konsortium aus Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Bayerischer Bergwacht, der TU München und den Firmen 3D Reality Maps, RUAG und Umweltconsult den Zuschlag für das Projekt INSAG. Hierbei geht es um die Entwicklung neuer Technologien für die Bergrettung. 3D-Geländemodelle in einer zehnmal höheren Auflösung als herkömmliche Modelle im Internet, sollen die Rettungsteams dann bei der Bergrettung unterstützen.
Mit einem Projekt zur Borkenkäferfrüherkennung wird gemeinsam mit der Technischen Universität München und mit Unterstützung durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft an einem wichtigen regionalen Thema gearbeitet. Praxistaugliche unbemannte Kleinflugzeuge (unmanned aerial vehicle, UAV) sollen, unter Verwendung von Multispektralinformationen, frühzeitig Infos über einen Befall oder Nichtbefall liefern.
Auch in der Energieinformatik und Angewandten Energieforschung wurde ein wichtiges Projekt beim Bundesforschungsministerium gewonnen: Virtuelle Kraftwerke auf Basis regenerativer Energiekraftwerke sollen künftig besser geplant und gesteuert werden können. Die Fragestellung: Welche Nachteile hat welche Energietechnik und wie können Energien so gekoppelt werden, dass die Stärken der einzelnen Techniken ihre Schwächen ausgleichen?
Campus-Zukunft: grenzübergreifende Vernetzung und Finanzierung
Und was hat man sich für die Zukunft sonst noch vorgenommen? Campusleiter Grzemba: Eine stärkere Vernetzung zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien, denn „dann sitzen wir mitten im Zentrum!“ Und Freyungs Bürgermeister wünschte sich im nächsten Jahr eine politische Diskussion über die künftige Campus-Finanzierung nach 2013, denn dann muss sich der Hochschulstandort selbst tragen: „Der Freistaat sollte sich aber überlegen, ein so hoch effektives Modell mit einer Grundfinanzierung von 30 Prozent zu unterstützen.“ Schließlich würden auch die Stadt Freyung und der Landkreis jeweils zu 50 Prozent in die „Technologie-Transfer-Zentrum Freyung GmbH“ einzahlen, weil „wir wissen, dass das Geld hier einfach gut angelegt ist“, zeigte sich Heinrich überzeugt, was ihm ein zustimmendes Nicken des Landrats einbrachte.
Die beiden Campusleiter nutzen am Ende die Gelegenheit, sich bei ihren „hochmotivierten“ Mitarbeitern für deren hohes Engagement zu bedanken. Dass der Campus aktuell so gut da stehe, betonte Dorner, liege vor allem an ihnen.
Dike Attenbrunner