Zenting. Die lahme SCHNECKE, das KIND, der ZAPPELHILIPP und die DOMINA – das sind sie: meine Antitypen. Antitypen? „Das sind“, laut Coach Dr. Ursula Diepolder von wavemotions, „die Menschen, die uns schlichtweg unsympathisch sind, mit denen wir absolut nichts zu tun haben wollen.“ Diepolder hält heute für die Unternehmerinnen von Wild und Weiblich beim Kamm-Bräu in Zenting einen Impulsvortrag zum Thema „Mein Antityp und was ich daraus lernen kann“ – inklusive Selbstversuch. Mittendrin: Hog’n-Redakteurin Dike Attenbrunner, die Euch heute ganz exklusiv ihre dunklen Schatten präsentiert.
Die Schatten – oder auch: der dunkle Zwilling
„Die Schatten – man kann sie auch die dunkle Seite, das Alter Ego, das niedrige Selbst, das ES oder der dunkle Zwilling nennen“, erklärt Diepolder das Phänomen. Oder um es mit dem Psychologen Carl Gustav Jung zu sagen: „Der Schatten ist die Person, die Sie lieber nicht wären.“ Der Diplom-Pädagogin in mir schwant – angesichts zahlreich durchlebter Selbstreflexions-Spielchen während des Pädagogikstudiums – Böses. Die Journalistin in mir hat Blut geleckt.
Nun denn, lassen wir die Spiele beginnen! Diepolder fordert uns auf, ein leeres DIN A 4-Blatt in drei Teile zu falten. Dann sollen wir vier bis fünf Namen von Menschen, die wir überhaupt nicht ausstehen können und bei deren Anblick uns schon die Galle hochsteigt, in die linke Spalte eintragen. Die Damen schauen sich zweifelnd an, nach dem diplomatischen Motto: Ach, so richtig hassen tu ich doch keinen, also… nicht richtig, nur ein wenig… aber Diepolder hat uns längst durchschaut: „Nur keine falsche Bescheidenheit, es ist ganz normal, dass man nicht jeden leiden kann“, treibt sie uns an. „Der Zettel wird nach der Übung auch vernichtet“, fügt sie leicht amüsiert hinzu, als wir nach geraumer Zeit immer noch mit gezücktem Stift in Denkerpose verharren und nach links und rechts in des Nachbarin‘ s Zettel schielen.
„Die Minh ist so was von blöd!“
Und auf einmal fällt es mir ein: Die Minh (ich verwende bewusst chinesische Namen als Pseudonyme, nicht dass sich noch jemand angesprochen fühlt!). Die ist so dumm und so was von blöd, dass immer Fremdschämen angesagt ist, sobald ich sie sehe. Nein, echt, die checkt gar nichts! Und schon ist die Hemmschwelle gesunken: Ein Name ergibt den nächsten. Nach fünf Namen ist Schluss. Leicht errötet und peinlichst darauf bedacht, dass keine die Namen der anderen sieht, knicken wir die linke Spalte nach hinten… und versuchen von unserer peinlichen Betroffenheit abzulenken, indem wir uns auf die nächsten Anweisungen konzentrieren.
Wir sollen nun benennen, was wir an den notierten Personen nicht leiden können und den Namen Adjektive zuordnen. Diepolder hilft mit einer Liste aus: argwöhnisch, blöd, dumm, dominant, geizig, vorlaut, geheimnistuerisch… irgendwie müssen wir jetzt gar nicht mehr solange überlegen, der Stift flitzt nur so übers Papier und Spalte Nummer 2 ist ratzfatz gefüllt. Neben der dummen Minh hab ich noch den vorlauten und zappeligen Lian, den unendlich langsamen und unentschiedenen Huy, die furchtbar von sich selbst überzeugte und rigorose Lu und, zu guter Letzt, den stressigen und aufdringlichen Tian. Ich ertappe mich dabei, dass ich immer mehr Gefallen daran finde, die mir verhassten Personen in ihrer unendlich nervigen Art zu beschreiben…ist wohl eine Journalistenkrankheit. Obwohl – wenn ich mir den Eifer der anderen so anschaue…
„Antitypen machen Sachen, die ich mir wünsche, mir aber nicht erlaube“
Diepolder schreitet ein und weist uns an, die gesammelten Eigenschaften mit Buntstiften einer gemeinsamen Kategorie zuzuordnen. Diesen Gruppen sollen wir dann möglichst aussagekräftige Begriffe erteilen. Gesagt, getan: Die lahme Schnecke, das Kind, der Zappelphilipp und die Domina sind das Ergebnis. Und jetzt? Was verrät das über mich?
„Antitypen haben immer etwas mit uns selbst zu tun“, sagt Diepolder. „Es sind meine übertrieben gelebten Werte, meine negativen, von mir ungeliebten Eigenschaften, diverse Verbote, die in meinem Leben an mich herangetragen wurden …“ und die mir deswegen wohl ganz besonders aufstoßen, wenn ich auf einen meiner Antitypen treffe. Also Sachen, die ich mir wünschen würde, mir aber nicht erlaube – und die ich anderen deswegen besonders ankreide. Ok, die Domina kann ich noch unterordnen: Ich wünsche mir tatsächlich, manches Mal dominanter und tonangebender aufzutreten. Da macht mir zu oft das Bedürfnis nach Harmonie einen Strich durch die Rechnung. Und auch das „Kind“ in mir kann ich erklären: Allzu gern würde ich sorgenfreier durchs Leben tingeln, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer, einfach unbeschwert sein…. aber was es mit der „lahmen Schnecke“ und dem „Zappelphilipp“ auf sich hat? Ich hole Diepolder zu Hilfe.
„Möchtest Du lieber gut sein, oder ganz?“
„Nun, Sie machen auf mich den Eindruck, dass Sie Ihrer Arbeit mit viel Bedacht und Ruhe nachgehen“, mutmaßt Diepolder. „Und so ein Zappelphilipp bringt Sie vermutlich aus Ihrer geliebten Ruhe und irritiert Sie daher wahrscheinlich maßlos.“ Ach so, Antitypen müssen nicht zwangsläufig etwas repräsentieren, was wir uns wünschen oder an uns nicht leiden können. Sie können uns auch deswegen stören, weil sie massiv an unserem persönlichen Wertesystem kratzen. In dem Fall heißt das dann: Was mache ich, um mich von der Person nicht ablenken zu lassen? Und ich ahne schon: Die lahme Schnecke macht mich zu einem ungeduldigen, hibbeligen Wrack. Oder macht etwas „Schlimmes“, was ich selbst manchmal nicht an mir leiden kann? Ja, in der einen oder anderen Depri-Phase dauert es schon mal länger, bis ich mich aufraffe… Autsch, das sitzt!
Aber es gibt ja einen Lichtblick, wie wir von Diepolder erfahren: „Da wir im Laufe unseres Lebens unsere Persönlichkeit entwickeln, verändern sich auch unsere Antitypen. Und so ein Schatten gibt halt einen Hinweis auf die Entwicklungsrichtung.“ Irgendwie wird mir der eingangs bereits erwähnte C. G. Jung immer sympathischer, der da fragte: „Möchtest Du lieber gut sein, oder ganz?“ – soll heißen: Wer seine Schattenseiten verleugnet oder nicht akzeptieren kann, ist nicht ganz. Und so verbringen wir noch einen ausgesprochen kurzweiligen Abend – während unsere Antitypen ihre Schatten werfen…
Dike Attenbrunner
Hallo Dike,
erstmal schöne Grüße aus dem Straubinger Land, voller Vorfreude auf das bevorstehende Volksfest.
Bei Deinem Bericht muss ich jetzt richtig schmunzeln. Passiert doch nichts zufällig. Über das gleiche Thema Schattenseiten/Jung hab ich mich kürzlich eine halbe Stunde mit meiner Friseurin beim „stylen“ unterhalten. Bitte keine Missverständnisse aufkommen lassen! Sie ist auch studierte Psychologin! Es war ein spannender Haarschnitt ;-)! Tolles Thema und ein bestimmt elektrisierendes Seminar für die Journalistin und den Menschen Dike! In diesem Zusammenhang auch beste Grüße an Fr. Dr. Diepolder!
Mit (s)innovativem Gruß
Michael