Röhrnbach. Stellen Sie sich vor: Sie haben nur wenige Stunden Zeit und dürfen von Ihrem Hab und Gut gerade mal 50 Kilogramm mitnehmen. Was würden Sie einpacken? Vor dieser existenziellen Entscheidung standen die deutschen Einwohner aus dem böhmischen Kaltenbach 1946. Kaltenbach, das heutige Nové Hutě, liegt in der Tschechischen Republik, etwa eine Autostunde von Röhrnbach entfernt. Dort lebten in den Jahren vor 1945 etwa 1450 Deutsche in 378 Haushalten und 216 Häusern. Nach der Vertreibung ließen die tschechischen Behörden einen Großteil der Häuser – bis auf einen Rest von etwa 40 Gebäuden – abreißen.
Was den Heimatvertriebenen blieb, war nicht viel: Jedes Familienmitglied durfte zwei Decken, vier Wäschegarnituren, zwei gute Arbeitsanzüge, zwei Paar Arbeitsschuhe, einen Arbeitsmantel (Winterrock), Essschüssel, Esstopf und Essbesteck, zwei Handtücher und Seife, Nähbedarf, Lebensmittelkarten und 1000 Reichsmark mitnehmen. Alles andere musste zurückgelassen werden.
Heimat, das können zwei Orte sein – und auch zwei Gefühle
Was ist Heimat eigentlich? Und kann man eine neue Heimat finden, wenn man die alte verlassen muss? Das neu gestaltete Heimatmuseum Röhrnbach-Kaltenbach in der Touristinfo Röhrnbach zeigt: Heimat – das können auch zwei Orte sein. Und zwei Gefühle: Trauer um die verlassene Heimat und Hoffnung auf eine neue. Beide Gefühle versetzen den Besucher in die Zeit der heimatvertriebenen Sudetendeutschen. Liebevoll erhaltene Gegenstände und lebendig erzählte Geschichten erinnern an das Unrecht der Vertreibung und vermitteln dem Besucher hautnah Annäherung und Versöhnung.
Als 285 Heimatvertriebene und Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten nach Röhrnbach kamen, hofften sie auf Unterkunft und Versorgung und fanden Not, weil viele Häuser im Ortskern kurz vor Kriegsende zerstört worden waren. Nicht alle Einheimischen standen den Neuankömmlingen mit Wohlwollen gegenüber. Die Integration war keine leichte Aufgabe. Was diese jedoch erleichterte, war die Hilfe der Heimatvertriebenen beim Wiederaufbau: Sie ersetzten fehlende Arbeitskräfte, errichteten Unternehmen und siedelten neue Wirtschaftszweige an.
Aus der „Kaltenbacher Heimatstube“ wurde ein kleines, feines Museum
1974, mit der Patenschaft für die Heimatvertriebenen aus Kaltenbach, und 1976, mit der Eröffnung der „Kaltenbacher Heimatstube“ im Röhrnbacher Schulgebäude, wurde die Marktgemeinde für viele Kaltenbacher auch zur „geistigen“ Heimat. 1984, nach dem Neubau des Rathauses, wurde die Heimatstube in den neuen Gebäudetrakt des Tourismusbüros verlegt. Da im Laufe der Jahre immer mehr Gegenstände darin aufgenommen worden waren, wurde die Ausstellung jedoch immer unübersichtlicher. Deswegen erfolgte im Rahmen einer Museumskooperation mit der Stadt Prachatitz/Prachatice (Tschechien) eine Neugestaltung der Sammlung.
Das kleine, aber feine Museum, das vom Atelier Mautner aus Grafenau neu gestaltet und um die Ortsgeschichte Röhrnbachs erweitert wurde, ähnelt nun im Aufbau einer [Klammer]. Indem kleine Teilbereiche in verschieden farbige Abteile eingefasst wurden, erscheint der Ausstellungsraum auf einmal viel größer als zu Zeiten der „Kaltenbacher Heimatstube“. Die Geschichte der Kaltenbacher ist in blau, die der Röhrnbacher in rot gehalten. Ein Teilbereich der Ausstellung ist außerdem dem Künstler Otto Herbert Hajek, einem gebürtigen Kaltenbacher, gewidmet.
„Auch ein kleines Museum kann gut und einladend gemacht sein, wie man hier sieht“, hat Dr. Albrecht Gribl, Hauptkonservator bei der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, nach seinem Besuch ins Gästebuch der Touristinfo Röhrnbach geschrieben. Recht hat er.
Dike Attenbrunner
Öffnungszeiten:
Mo. bis Do. 8.00 – 12.00 und 13.00 – 16.30 Uhr
Fr. 8.00 – 15.00 Uhr
Zusätzlich von Juli bis September: Sa. 9.00 – 12.00 Uhr
Der Eintritt ist kostenlos.
Adresse:
Tourist-Information Röhrnbach
Rathausplatz 1
94133 Röhrnbach
Tel.: 08582/9609-0