Freyung-Grafenau. Soll der Tourismus im Landkreis Freyung-Grafenau privatisiert werden, wie es etwa Waldkirchens Bürgermeister Josef Höppler befürwortet? FRG-Tourismusreferent Ernst Kandlbinder fehlt eine breite, „solide Basis“ unter den Bürgermeistern für einen solchen Schritt, wie er im Interview mit dem Hog’n berichet. Die eingeschliffenen Organisationsmuster in den Gemeinden würden unter anderem dagegensprechen. Doch er sieht Potenzial für Veränderungen und Verbesserungen, insbesondre auch bei den Beherberungsbetrieben, für die er drei Kernpunkte als wesentlich betrachtet, um künftig einem modernen Tourismus im Bayerischen Wald gerecht zu werden. Trotz eines bislang durchwachsenen Sommers ist die Region bei den Übernachtungen laut Kandlbinder deutlich im Aufwind: „Der Bayerische Wald ist wieder in!“
„Marketingoffensive unter dem Dach des TVO ist erfolgsversprechend“
Es kommt von vielen Seiten immer wieder der Vorschlag, den Tourismus im Landkreis zu privatisieren und unter dem Dach einer GmbH zu organisieren. Wie wichtig bzw. wie wahrscheinlich wäre ein solcher Schritt für den Tourismus im Landkreis?
Als vor etwa einem Jahr Landrat Ludwig Lankl bei den Landkreis-Bürgermeistern eine Umfrage gestartet hatte, welche Orte an einer Umstrukturierung des öffentlichen Tourismus interessiert wären, hatten sich dabei nur drei von 25 konkret dafür ausgesprochen. Dies ist natürlich keine solide Basis, um umfangreiche Veränderungen anstoßen zu können.
Meistgenannter Grund für die reservierte Haltung war, dass sich die Kommunen teilweise seit Jahrzehnten in sogenannte Werbe- und Gebietsgemeinschaften – sprich: Nationalparkregion, Dreiländereck-Gemeinden, Sonnenwald, Ilzer Land oder 3-im-Woid – zusammengeschlossen haben und die Synergieeffekte daraus nutzen. An erster Stelle sind dabei immer wieder die gemeinsamen Werbe- und Marketingmaßnahmen bzw. Prospektmaterialien zu nennen. Zudem sind die Angebote über die Marketingoffensive Bayerischer Wald unter dem Dach des Tourismusverbandes Ostbayern (TVO) effizient und im Zuge von sogenannten Beteiligungsmodellen auch für Orte und Gemeinschaften überaus erfolgsversprechend. Tritt man dabei doch als „Der Bayerische Wald“ in Erscheinung und wird als Marke – zumindest im deutschsprachigen Raum – inzwischen sehr positiv wahrgenommen. Ein weiterer Grund ist die begonnene Debatte bzw. die momentane Startphase der Umstrukturierung der Kommunen in der Nationalparkregion. Dort wird eine grundlegende Neuordnung sämtlicher Tourismusaufgaben der öffentlichen Hand überdacht.
Der Landkreis wird sämtliche Veränderungsprozesse begleiten und versuchen, zwischen den einzelnen Aktivitäten der Orte und Gebietsgemeinschaften Verbindungselemente zu schaffen. Hier sieht der Landkreis vor allen Dingen im operativen Geschäft, etwa bei Verwaltungsaufgaben, Pflege und Unterhalt der Infrastruktur, gemeinsame Darstellung unter dem Dach des Bayerischen Waldes, noch Potenzial für Veränderungen und Verbesserungen. Ob sich daraus in nächster Zeit eine GmbH-Organisationsstruktur ergibt, ist aus genannten Gründen eher unwahrscheinlich.
„Der zufriedene Gast wird zur wandlenden Litfaßsäule für die Unterkunft“
Wie müssen sich die Beherbergungsbetriebe im Landkreis künftig auf- bzw. umstellen, um einem modernen Tourismus gerecht zu werden? Gibt es eine Koordinationsstelle, an die sich Hoteliers bzw. Betreiber von Hotels und Gaststätten direkt wenden können, wenn sie Hilfe bei der Umstellung brauchen?
In den letzten Jahren haben sich im Landkreis einige Betriebe herauskristallisiert, die überaus erfolgreich agieren. Die Erfolgsfaktoren sind selbstverständlich vielschichtig – letztendlich konzentriert es sich allerdings immer wieder auf drei Kernaspekte:
- Der Übernachtungsbetrieb muss von seiner Ausstattung und dem Erscheinungsbild her zumindest einen guten, wenn nicht sogar sehr guten ersten Eindruck bei den Gästen hinterlassen. Die Qualität muss stimmen.
- Die Werbe- und Marketingmaßnahmen, insbesondere auch im Online-Bereich, müssen aufeinander abgestimmt und der Konzentration auf wenige – ein bis zwei – Zielgruppen geschuldet sein.
- Das Wichtigste: Die Servicequalität, der Umgang mit den Gästen und die gesamte Servicekette müssen passen. Nur wenn ein Gast mehr als zufrieden ist, wird er wieder kommen. Ebenso wichtig ist: Der zufriedene Gast wird zur wandelnden Litfaßsäule für den Übernachtungsbetrieb, denn seine positive Mundpropaganda wird neue Urlauber in die Unterkunft und somit in die Region bringen.
![Sitter Haus 2012](http://www.hogn.de/wp-content/uploads/2012/06/Sitter-Haus-2012-600x399.jpg)
Als Vorzeigebetrieb unter den Beherbungsbetrieben gilt zum Beispiel der Sitter-Wirt in Riedelsbach bei Neureichenau. Foto: Sitter.
„Beratungen sollen Vermietern bei der Optimierung helfen“
Im Bereich der qualitätsverbessernden Maßnahmen hatte das Wirtschaftsreferat des Landkreises in den letzten Jahren eine Vielzahl an Betrieben in Form von Förderberatungen und daraus resultierenden EU-Fördergeldern unterstützen können. Wir hoffen natürlich sehr, dass dies auch mit Beginn der neuen Förderperiode im Jahr 2014 wieder möglich ist. Zudem werden von den verschiedensten Institutionen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, speziell im Bereich der Internet-Vermarktung, angeboten.
Um den Vermietern in kompakter Form die gesamten Möglichkeiten bei den Werbemaßnahmen, der Servicekette und den Fördermaßnahmen aufzuzeigen, hat der Landkreis seit etwa zwei Monaten die sogenannten Vermieterberatungen ins Leben gerufen. Quartiergeber, die sich beim Tourismusreferat am Landratsamt (Tel. 08551/57-246, E-mail: service@nationalpark-ferienland.de) melden, werden individuell betreut und in den ersten Schritten angeleitet, wie sie ihr Übernachtungsangebot optimieren und individuelle bzw. passende Aktivitäten zur Gästegewinnung umsetzen können.
Den Ausführungen von Ernst Kandlbinder kann man in vielen Punkten nur zustimmen.
Auch der Punkt, dass der Bayerische Wald mittlerweile im Vergleich zu anderen Tourismusregionen wie beispielsweise dem Allgäu etc aufgeholt hat.
Was sich aber denke ich in unserer Region noch weiterhin ändern und verbessern muss, ist das Bewusstsein zum Tourismus.
Es wird zwar immer wieder betont, welch grossen Stellenwert der Wirtschaftsfaktor Tourismus einnimmt, und welch wichtige Rolle dieser für den Landkreis FRG und die gesamte Region spielt. Aber im Bewusstsein mancher, auch verantwortlicher Kommunalpolitiker, spiegelt sich dies oft nicht unbedingt wieder. Wenn denn der Tourismus wirklich solch eine hohe Wertigkeit für die Region besitzt, dann sollten doch auch manchmal die Gelder dafür „etwas lockerer sitzen“, und die Investitionsbereitschaft manchmal etwas höher sein. Sicher, in Zeiten von klammen Städte-, Gemeinden- und Landkreiskassen ein frommer Wunsch. Aber wie erwähnt, die oft herangezogene Formulierung „Tourismus – einer der wichtigsten Faktoren in der Region“ sollte nicht nur durch Worte unterstrichen werden.
Da sind uns vielleicht die anderen Regionen vielleicht doch noch einen Tick voraus: Dort wird Tourismus etwas mehr gelebt, mit allen notwendigen Facetten. Es gibt auch bei uns in der Region Betriebe, die dies schon verinnerlicht haben, und diese florieren ja offensichtlich auch.
Teil 2: :-)
Die Privatisierung des Tourismus bzw. die Überführung in eine GmbH oder andere Gesellschaftsform hat sicherlich ihre Berechtigung – wie es auch Herr BGM Höppler in seinem Interview fordert.
Aber sollte dies wirklich auf Landkreisebene passieren? Gerade wenn als Beispiel immer wieder österreichische Regionen herangezogen werden, dann kann bzw muss man diese Frage eigentlich mit einem klaren „Nein“ beantworten.
Man wird dort nicht oft eine Tourimusregion finden, die kongruent ist mit einer politischen Einheit wie beispielsweise einem Landkreis.
Wie Ernst Kandlbinder in dem Interview auch anspricht, sind die Voraussetzungen bzw, die Gegebenheiten innerhalb des Landkreistourismus zu unterschiedlich, um eine gemeinsame touristische Organisation formen zu können.
Meiner Meinung nach dürfen in der touristischen Ausrichtung politische Grenzen keine Rolle spielen, abseits jeglicher Begehrlichkeiten. (Auch ein Punkt des „touristischen Bewusstseins“, siehe Kommentar 1).
Was gerade in der Nationalparkregion Bayerischer Wald passiert, ist ein guter Ansatz. Diese Region, die ja bekanntlich in die LKRe Regen und FRG fällt, hat durch dieses gestartete Projekt sicher die Möglichkeit, eine vermarktungsfähige Einheit zu bilden, welche grosses Potenzial entwickeln kann.