Freyung-Grafenau. Die 25-jährige Julia Reihofer aus Freyung ist vielen bekannt: als Moderatorin von „unserradio“, als Frontfrau von „Jump“ oder als „Pussy-Rockerin“ der Band „Romy Schneider in Berlin“. Sie ist lesbisch. Na und? Ist doch ganz normal, findet Julia. Warum Homosexualität für viele noch immer nicht Normalität ist und warum manch Spätzünder erst mit 40 entdeckt, dass er schwul ist, darüber spricht sie im Hog’n-Interview.

„Romy Schneider in Berlin“ (RSB) ist eine Lesbenband. Bei uns im Woid hört man euch eher selten. Gibt es hier für euch keine geeigneten Veranstaltungen?
Veranstaltungen für ein homosexuelles Publikum gibt es – bis auf die Passauer Frauenparty im Simplex – tatsächlich eher wenige. Das liegt aber nicht daran, dass es hier nicht genügend Lesben und Schwule gibt! Es gibt nur keine Vereinigung, die solche Events organisiert. Mit RSB sind wir vor allem in den großen Städten in Deutschland und Österreich unterwegs. Christopher Street Days, kurz: CSD, sind so typische Veranstaltungen. Wir sind sozusagen eine Girl-Group für Lesben.
Würdet ihr auch auf „normalen“ Events spielen?
Ja klar, wahnsinnig gerne! In den Wintermonaten, wenn wir weniger Auftritte haben, spielen wir auch hin und wieder in den hiesigen Kneipen. Obwohl wir alle szenemäßig sehr bekannt sind, haben wir mit der Lesben- und Schwulenszene an sich nicht so viel zu tun. Unser Schlagzeuger hat den Spitznamen Mathilda, ist aber hetero. Es ist zwar echt superschön vor lesbischem Publikum zu spielen – aber manchmal eben auch anstrengend, weil es oft nur um das Eine geht.
„Man verliebt sich in den Menschen, nicht in das Geschlecht“
Ist das Eine denn so anders als bei den Heteros?
Eben nicht! Es passiert nichts anderes als in anderen Beziehungen auch. Die Homosexualität verändert einen Menschen ja nicht. Du bist der gleiche Mensch wie vorher – also bevor du erkannt hast, dass du homosexuell bist. Außer vielleicht, dass es ein Stück weit Befreiung bedeutet. Ich kenne viele, die zunächst verheiratet waren, Kinder bekommen haben und erst im Laufe ihres Lebens begriffen haben, dass sie homosexuell sind. Vielleicht sollte man es auch so sehen: Man verliebt sich in den Menschen, nicht in das Geschlecht.
Ist das nicht komisch wenn einer erst, sagen wir mal mit 40 feststellt, dass er homosexuell ist?
Warum? Viele wollen das ganz einfach gar nicht wahrnehmen. Wenn du immer nur das gleiche Bild der Heterosexualität vorgelebt bekommst, dann kommt dir das doch gar nicht in den Sinn! Klar, du denkst vielleicht: Warum gefällt mir jetzt die Frau besser als der Mann? Aber dass du deswegen lesbisch sein könntest … man belügt sich schon damit, dass man gleich mal gar nicht in Erwägung zieht, dass es so sein könnte.

Ist die Angst vor den Reaktionen aus der Gesellschaft denn immer noch so groß?
Bei Lesben hat sich das Bild mittlerweile geändert – ich weiß nicht, vielleicht liegt das daran, dass es für viele Männer eine Wunschvorstellung ist, zwei Frauen zuzuschauen… (lacht). Aber mal im Ernst: Sowohl auf dem Land als auch in der Stadt sind die meisten Lesben relativ gut integriert. Schwule haben es da schon schwerer.
Wieso denn?
Das liegt an den Männern. Viele Frauen schließen es ja gar nicht aus, dass sie mal etwas mit einer Frau haben könnten. Männer reagieren
schon beim Gedanken daran, einen Mann zu berühren, ganz allergisch …
„Ein Outing ist einfach die totale Befreiung!“
Und Filme wie „Brokeback Mountain“ haben da nichts bewirkt?
Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht so sehr. Ein Mann muss halt einfach ein Mann sein. Und einen Schwulen verbinden die meisten mit weiblichen Zügen. Die denken dann gleich, das ist eine Tunte. Klar, die gibt’s auch, aber es gibt auch viele Schwule, die sehr männlich rüberkommen. Da würde keiner glauben, dass die schwul sind. Vielleicht fällt es vielen Männern deswegen auch so schwer, damit umzugehen oder es zuzulassen, wenn man erkennt, dass man schwul ist. Ein Freund von mir war zum Beispiel 15 Jahre lang verheiratet. Als er es dann endlich erkannt und seiner Frau gesagt hat, hat die nur gemeint: Das habe ich eigentlich schon gewusst. Die anderen erkennen es also meist noch eher als man selbst. Ich will damit nur die Angst nehmen: Ein Outing ist einfach die totale Befreiung!
Wie war das denn bei Dir? Wann stand für Dich fest: Ich stehe auf Frauen!
Nach der Realschule war ich auf einer weiterführenden Schule in Plattling. Und da hab ich mich Hals über Kopf in meine beste Freundin verliebt. Dass ich solch starke Gefühle für eine Frau haben kann, hat mich völlig überrascht. Ich bin zwar nie mit ihr zusammengekommen, aber das war das erste Mal, dass mir klar wurde: Mmm, da ist etwas anders. Als ich dann zum ersten Mal eine Frau geküsst habe, ist mir sprichwörtlich ein Licht aufgegangen. Das Beruhigende in dem Moment war: Ich fühl mich ganz normal dabei.

Und ab dem Zeitpunkt war’s das dann mit den Männern?
Nein, ich habe zwischenzeitlich immer mal was mit Männern gehabt. Ich habe auch nie negative Erfahrungen mit Männern gemacht. Und was einem dann immer so gesagt wird von wegen: Du hast halt noch nie einen richtigen Mann im Bett gehabt! Nein, das kann ich nun wirklich nicht bestätigen. Da war keine Niete dabei – aber ich verliebe mich halt nunmal nicht in Männer.
„Am Anfang war es schon ein Schock für meine Eltern“
Ab da hast Du gewusst: Ich bin lesbisch. Wann hast du Dich dann geoutet?
Vor neun Jahren. Ein sehr stressfreies Outing, muss ich sagen. Meine Eltern sind selbst draufgekommen. Ich hab eben keine Männer mehr mit nach Hause genommen. Dann gab’s das obligatorische Gespräch auf der Couch. Am Anfang war das schon ein Schock für meine Eltern, da ist ihr Weltbild im ersten Moment zusammengebrochen. Aber es hat nicht lange gedauert, bis sie gesehen haben: Julia verändert sich nicht, sie ist kein anderer Mensch. Sie haben auch meine erste Freundin sofort akzeptiert.
Und vor dem ersten Verliebtsein hast Du nie in Betracht gezogen, dass Du lesbisch bist?
Nein, zumindest nicht bewusst. Im Nachhinein betrachtet gab’s da schon einige Anzeichen: Ich war schon immer eher der burschikose Typ, bin mit Jungs aufgewachsen und hab mich mit denen auch immer besser verstanden als mit den Mädchen.
Das stimmt also wirklich? Dieses Klischee: „Lesben erkennt man am kurzen Haarschnitt“?
Man kann es sicherlich nicht pauschalisieren – es gibt auch sehr weibliche Lesben. Auch das Klischee, dass eine Lesbe die männliche, dominantere Rolle in der Beziehung übernimmt und die andere die weibliche, ist Quatsch. Klar gibt es das, wie in jeder anderen Beziehung auch. Aber da werden eher heterosexuelle Merkmale auf lesbische Beziehungen übertragen.
„Der Mutter erklärt, dass das keine therapierbare Krankheit ist“
Ist es für Lesben und Schwule auf dem Land eigentlich schwieriger als in der Stadt?
Mei, in der Stadt hat man den Vorteil der Anonymität. Es kennt nicht jeder jeden. Aber in München schauen sie genauso, wenn zwei Frauen Hand in Hand gehen. Nur auf dem Land hat man den persönlichen Bezug. Natürlich hat man in der Stadt auch mehr Angebote wie Vereine oder Beratungsstellen. Und dadurch lernt man wiederum mehr Leute kennen.
Wie wichtig sind denn Vereine und Beratungsstellen?
Die sind schon wichtig – gerade für Leute, die beispielsweise Probleme mit ihrem Umfeld haben. Eine Freundin von mir wurde etwa nach ihrem Outing von ihrer Mutter ein halbes Jahr lang zum Psychologen geschleppt. Der hat der Mutter natürlich gleich mal erklärt, dass das keine therapierbare Krankheit ist, sondern ganz normal. Aber sie kannte es eben einfach nicht. Und was die Leute nicht kennen, das macht ihnen Angst.
Aber die Leute sind doch immer so furchtbar neugierig, oder?

Ja klar, aber sie geben es nicht zu! Das ist schon interessant: Sobald die Leute wissen, dass du lesbisch bist, meinen sie, sie können dich alles fragen. ‚Wie ist es denn mit einer Frau? Ist das überhaupt richtiger Sex’‘ Das bin ich schon oft gefragt worden.
„Wenn du so neugierig bist, probier’s halt aus!“
Und was antwortest Du den Leuten dann?
Wenn du so neugierig bist, probier’s halt aus! Ich mein, ich frage doch auch keine Hetero-Pärchen was die im Bett so treiben. Das ist schließlich deren Privatangelegenheit.
Was regt Dich denn sonst noch auf?
Als ich zum Beispiel das Hog’n-Interview mit dem angehenden Pfarrer gelesen habe, ist mir wieder einmal klar geworden: Lesben und Schwule werden nach wie vor von der Kirche ignoriert. Das wird als Krankheit gesehen. Als wäre das irgendeine Teufelei. Dabei hat es das schon immer gegeben. Und hey, ich kenn so einige schwule Pfarrer, die mir in eindeutigen Situationen übern Weg gelaufen sind …
Was wünschst Du Dir?
In den letzten zwanzig Jahren hat die Gesellschaft in Sachen Akzeptanz einen Riesenschritt nach vorne gemacht. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass die Leute sich einfach um ihre eigenen Sachen kümmern und die anderen in Ruhe lassen. Und es wäre wichtig, dass Eltern erkennen, dass sie ihre Kinder so lieben und annehmen sollen, wie sie sind. Ich wünsche mir ganz einfach Normalität. Es soll nicht als Sensation hingestellt werden, wenn sich jemand outet, sondern man sollte demjenigen dazu gratulieren, dass er es erkannt hat und den Mut dazu hatte, dazu zu stehen.
Interview: Dike Attenbrunner
Empfehlenswert.
Frau ohne Facebook 😉