Trautmannsdorf. Samstagvormittag, zu Hause bei den Rabhansls: Es duftet nach frischem Kaffee, der Frühstückstisch ist gedeckt, es gibt frische Semmeln, Brot, Wurst, Käse, dazu Mamas selbstgemachte Johannisbeer-Marmelade. Am Tisch sitzt Musikerin Karin Rabhansl, der derzeit wohl bekannteste Singer-/Songwriter-Export aus dem Bayerwald, gemeinsam mit ihrem Bassisten Sebastian Braun. Beide lassen gerade das Konzert vom Vorabend Revue passieren. Der Rest der Band liegt noch in den Federn. Trotz Müdigkeit ist die Stimmung erwartungsgemäß ausgelassen, es wird schon wieder gewitzelt. Am Tisch mit dabei: Die Fragensteller vom Online-Magazin „Da Hog’n“.
Danke für die Einladung zum Frühstück, Karin. Schön, dass wir Dich hier in Deinem Elternhaus antreffen, nachdem Du seit ein paar Monaten ja in Nürnberg wohnst und nicht mehr so häufig nach Trautmannsdorf kommst. Mit Deinem Erstlingswerk „Mogst schmusn mia wad‘s wurscht“ ist Dir gleich der Durchbruch gelungen. Du bist damit seit einem Jahr erfolgreich unterwegs, seit kurzem sogar mit eigener Band. Sind schon neue Lieder in Planung?
Karin: Ich schreibe am laufenden Band neue Songs. Wenn ich ein neues Lied habe, von dem ich glaube, dass er passt, spiel ich es meinen Bandkollegen vor – und bisher haben ihnen die neuen Sachen immer sehr gut gefallen. Noch! (lacht).
„Saucool, wenn 200, 300 Leute deine Lieder laut mitsingen“
Du könntest also morgen ins Studio gehen und ein neues Album aufnehmen?
Karin: Es sind zwar schon einige Songs da, aber noch nicht genug für eine ganze Platte. Soviel kann ich verraten: Von den Texten her sind die neuen etwas ruhiger. Das macht vielleicht das Alter … (schmunzelt). Die Texte sind auch positiver als auf dem ersten Album.
Du spielst auf deinen Hit „Arbeitsamt“ an?
Karin: Ja, der war nicht so positiv, also rein inhaltlich gesehen. Ansonsten hat mich das Lied natürlich bekannt gemacht.
Wie ist es für Dich jetzt, wenn Du in heimischen Gefilden auftrittst?
Karin: Sehr wichitg. Es ist einfach dahoam. Viele Leute, die ich kenne – und die mittlerweile auch mich kennen. Viele können sogar schon meine Texte mitsingen – das ist saucool, wenn 200, 300 Leute „Arbeitsamt“ in voller Lautstärke mitträllern. Das macht wahnsinnig Spaß! Man muss aber auch aufpassen: Wenn wir zu oft dahoam spielen, dann kommt halt irgendwann auch keiner mehr.
Lieder mit boarischen Mundart-Texten liegen aktuell voll im Trend. Was glaubst du: Warum funktioniert das?
Karin: Ich glaube, es liegt schlichtweg daran, dass das Boarische den Menschen aus der Seele spricht. Das Wir-Gefühl, das in Bayern ohnehin besonders ausgeprägt ist, der Stolz der Leute auf ihre Herkunft und die Identifikation damit – das alles hat in den letzten Jahren wieder zugenommen.
Auf Englisch zu singen würde für Dich also nicht in Frage kommen?
Karin: Doch, schon, aber nicht in diesem Projekt. Englisch singe ich im Rahmen eines europäischen Songwriter-Kollektivs …. Holla die Waldfee … (Gitarrist Christoph betritt den Raum, etwas zerzaust, mit müden Augen und blass um die Nase; Karin lacht lauthals) … gestern beim Konzert hat jemand gesagt: ‚Der is‘ immer so kaasig, Euer Gitarrist!‘
„Nach dem Auftritt war’s häufig sehr einsam“
(Nach der Begrüßung und Kaffee für Christoph:) Stefan Dettl, Claudia Koreck und der Keller Steff heißen die Begründer der ‚Neuen Boarischen Welle‘ – fühlst Du Dich da schon zugehörig?
Karin: Ja. Meine Band und ich sind vielleicht noch nicht so erfolgreich wie sie, aber wir gehen vom Stil her ja in eine sehr ähnliche Richtung.
Du kennst sie alle recht gut?
Karin: Was heißt recht gut? Sie sind Kollegen. Man spielt miteinander, unterhält sich über Musik. Von Freundschaft zu reden würde zu weit führen. Wenn wir uns treffen, dann passt’s einfach. Keiner von denen ist überheblich, im Gegenteil: Alle sind herzlich, lustig und entspannt – völlig ohne Konkurrenzkampf. Ich habe die Erfahrung gemacht: Je weiter oben du spielst, umso entspannter sind die Leute.
Zu Eurer Band: Deine Kollegen kommen alle aus dem Frankenland, Du bist die einzige Niederbayerin. Gibt’s Verständigungsprobleme?
Karin: Nein, das funktioniert schon ganz gut. Manchmal verstehen sie mich vom Dialekt her nicht, aber …
Sebastian: … wir sind ja lernfähig (lacht).
Wie ist es denn, mit drei Männern in einer Band zu spielen?
Karin (blickt den Herren mit einem Grinsen tief in die Augen): Ich war die vergangenen drei Jahre ja immer allein unterwegs. Irgendwann hab ich gemerkt, dass es mich anödet, solo durch die Lande zu ziehen. Nach einem Auftritt, wenn man niemanden kennt, war das häufig ein sehr einsamer Job. Christoph und Matthias (Matthias „Matze“ Bäuerlein (25), Schlagzeug – Anm. d. Red.) kenn ich aus meiner Zeit an der Berufsfachschule für Musik in Dinkelsbühl in Mittelfranken. Die beiden sind mir sehr schnell ans Herz gewachsen. Und da Basti, ein Freund von Matze, ist ein echter Glücksgriff – er passt super in die Truppe. Sein Papa hat ein Autohaus und hat uns den Tourbus gestellt – deswegen ist er bei uns dabei (Gelächter).
Basti, beschreib doch bitte mal die Karin. Wie ist sie denn so als Chefin?
Sebastian: Sie ist ’ne gute Chefin, die alles sehr demokratisch organisiert und auch manchmal auf uns hört. (Pause, überlegt) Sie ist unfassbar nett, total unkompliziert und völlig undivenhaft. So, jetzt dürfte ich meine Gage erhöht haben (lacht). Manchmal versteht man sie eben ein bisschen schlecht, aber wir arbeiten dran.
Christoph? Was zeichnet die Karin aus?
Karin (unterbricht): Das ist irgendwie blöd, wenn ich dabei sitze … (lacht).
Christoph: Ich kenn die Karin ja schon ziemlich lange. Als sie frisch nach Dinkelsbühl kam, hab ich sie in der ersten Zeit an meinen nicht-vorhandenen Mutterbusen genommen (großes Gelächter). Und seitdem hat sich da eben eine Freundschaft entwickelt.
„Entweder Musik – oder du fängst mit dem Saufen an“
Okay, Themawechsel: Hauptberuflich bist du ja immer noch Musiklehrerin, richtig?
Karin: Stimmt. Allein von der Musik kann ich noch nicht leben. Aber wir sind ja noch am Anfang unserer Karriere. Wir schauen immer, dass die Spritkosten gedeckt sind – und wenn für jeden noch etwas übrig bleibt, ist’s okay. Aber wenn du bei dem Job nicht ein Stück weit Idealist bist, brauchst du gar nicht anzufangen, sonst wird’s auf Dauer frustrierend.
Verdient man denn heute eigentlich noch Geld mit dem CD-Verkauf? Die meisten laden sich ja eh alles aus dem Internet.
Karin: Früher war’s so: Bands haben eine CD rausgebracht, dass die Leute auf ihre Konzerte gehen. Und heute ist es so, dass Bands Konzerte geben, damit die Leute ihre CDs dort kaufen. Merchandising ist ein wichtiges Thema. Und weil der CD-Verkauf nicht mehr so floriert wie früher, werden auch die Konzerte immer teurer. Hat eine Rock-im-Park-Karte 2003 noch 100 Euro gekostet, bezahlst du heute 180 Euro. Das ist krass …
Welche musikalischen Vorbilder hast Du, Karin?
Karin (spontan): Sebastian Braun zum Beispiel. Und Christoph Kilgenstein, der Jimmy Hendrix aus Fürth (Christoph bekommt einen Lachkrampf). Nein im Ernst: Ich hör‘ unterschiedliche Musikrichtungen. Meine Favoriten sind Radiohead und Feist. Gerade Leslie Feist hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Joni Mitchell, Led Zeppelin find ich auch saucool. Als ich noch jünger war, hatte ich immer das Gefühl im falschen Jahrzehnt geboren zu sein, weil’s keine gute Musik gab. Dieses Dance-Floor-Zeugs mit Culture Beat und Dr. Alban – nein danke!
Ich habe das Ehrliche vermisst, das Echte, bei dem einer mit Gitarre auf der Bühne steht und ins Mikro hineinrotzt – weil er gerade Bock drauf hat und weil er etwas dabei spürt. Inzwischen kommt wieder mehr diese Songwriter-Szene durch, wie sie Ende der 60er, Anfang der 70er verbreitet war. Auch bei den Rockbands geht’s wieder mehr zurück zu den Wurzeln, nicht zu überladen, auf das Wesentliche konzentriert, einfach Schlagzeug, Bass und Gitarre. Damit kann ich mich identifizieren.
Dabei spielt vermutlich mit rein, dass du aus einer bodenständigen Gegend kommst und deswegen auch sehr down-to-earth bist. Das spiegelt sich wider in deinem Charakter und deiner Art Musik zu machen?
Karin: Hm. Wie ist es denn bei uns? Was kann man groß machen? Entweder du machst Musik – oder du fängst mit dem Saufen an. Oder beides (großes Gelächter).
Zum Schluss: Wohin geht die Reise der Karin Rabhansl in den nächsten fünf, zehn Jahren?
Karin: Blöde Frage. Ich möchte alles mitnehmen, was möglich ist und soweit kommen wie’s geht. Was soll ich sagen? Wenn’s klappt mit der Musik, dass wir alle vier davon leben können, dass ich der Band gute Gagen zahlen kann, dass sich jeder seinen Ferrari kaufen kann, dann passt’s (lacht). Aber dahin ist noch ein weiter Weg …
Interview: Stephan Hörhammer und Christian Luckner