Freyung-Grafenau. Noch vor wenigen Wochen war es nicht gerade rosig um die Zukunft von „E-Wald“ bestellt: Dem prestigeträchtigen Modell-Elektromobilitätsprojekt im Bayerischen Wald drohte das vorzeitige Aus, da sich die beteiligten Gemeinden unter anderem nicht über eine passende Rechtsform zur Finanzierung einigen konnten. In letzter Minute wurde dann doch noch ein Konsens gefunden. Da viele Waidler immer noch nicht genau wissen, um was es sich bei E-Wald eigentlich handelt, haben wir mit Prof. Dr. Wolfgang Dorner vom Freyunger Technologiecampus gesprochen. Was verbirgt sich dahinter? Welchen Nutzen hat E-Wald für die Region? Welche Vorteile haben Elektroautos gegenüber den herkömmlichen Fahrzeugen?
Herr Professor Dorner, was bedeutet „E-Wald“ genau?
Das „E“ steht für Elektromobilität, der „Wald“ für den „Bayerischen Wald“.
Wozu ist Elektromobilität gut? Welche Vorteile hat sie?
Elektroautos innerhalb des E-Wald-Projektes verursachen weder einen direkten noch einen zurechenbaren CO²-Ausstoß. Ein Elektroauto macht auch keinen Lärm und es „stinkt“ nicht. Es ist der Natur angepasst, schadstofffrei und leise. Die Verbrauchskosten bei einem Elektroauto sind deutlich günstiger. Für 100 Kilometer Fahrstrecke wird Strom für ungefähr 1 bis 3 Euro „getankt“. Ein Elektroauto benötigt keinen Ölwechsel, es kann auch kein Auspuff durchrosten und ein Luftfilter muss ebenso wenig erneuert werden wie ein Vergaser.
Und was passiert nun beim Projekt E-Wald konkret?
E-Wald soll untersuchen, wie Elektroautos – die ihre Tauglichkeit in Städten bereits bewiesen haben – sich in einem ländlichen Raum wie dem Bayerischen Wald mit seiner herausfordernden Topografie und Kälte oder auch Schnee einsetzen lassen und welche Strukturen dafür geschaffen werden müssen. Das E-Wald-Projekt wird deshalb auf einer Fläche von mehr als 7.000 Quadratkilometern eine innovative Struktur von Ladesäulen sowie Steuerungs- und Kommunikationskonzepten installieren, die belegt, dass Elektromobilität im ländlichen Raum, also in Räumen, die auf Grund der vorhandenen Infrastruktur zwingend auf den Einsatz von Kraftfahrzeugen angewiesen sind, realisierbar ist. Die Versorgungs- und Demonstrationsregion umfasst dabei die Landkreise Cham, Straubing-Bogen, Regen, Deggendorf, Freyung-Grafenau und Passau. Federführend ist die Hochschule Deggendorf mit seiner Aufgabenzuteilung im wissenschaftlich-technischen Bereich an ihre Technologiecampi.
„Kraftwerk erzeugt immer mehr Strom, als die Flotte benötigt“
Welche Aufgabe übernimmt dabei der Technologiecampus Freyung zum Beispiel?
Der TC in Freyung ist zuständig für die Software für Navigationstechnik, Geoinformationssysteme, Embedded Systems und Interne Bussoftware.
Wer ist sonst noch an E-Wald beteiligt?
Der Technologiecampus Cham, der für die Mechatronik und Ladekontrolle im Fahrzeug und die Verknüpfung der Sensordaten verantwortlich zeichnet. Ebenso der Technologiecampus Teisnach: für die Sensorik und Elektronik sowie für die Koordination des Modellversuchs.
Damit ein Elektroauto fahren kann, benötigt es eine regelmäßige Stromzufuhr? Woher bezieht der Elektroautofahrer seinen Strom? Welche Modelle gibt es hier?
Strom erhalten alle Nutzer eines E-Wald-Elektroautos, aber auch private Elektromobilisten, an einer der E-Wald-Stromladesäulen. Dieser Strom soll aus einem eigenen „Kraftwerk“ stammen. Hierzu wird ein sogenanntes virtuelles Kraftwerk, also ein Verbund verschiedener regenerativer Energienkraftwerke aufgebaut. Durch die Entwicklung einer Steuerung dieses Verbundes wird sichergestellt, dass das Kraftwerk immer mehr Strom erzeugt, als die E-Wald-Flotte benötigt.
Welche Wissenschaft steckt genau dahinter?
Die Hochschule Deggendorf erarbeitet zusammen mit ihren Technologiecampi ein völlig neues Steuerungssystem. Über einen Zentralrechner findet eine ständige Berechnung der Fahrzeugreichweite statt. Alle wichtigen Parameter – wie Wetter, Straßenzustand, überwundene Höhenmeter, im Fahrzeug eingeschaltete Aggregate, Entfernung, Geschwindigkeit etc. – werden berücksichtigt. Die Kommunikation zwischen dem Navigationsgerät des Fahrzeugs und dem Zentralrechner zeigt alle verfügbaren Ladestationen innerhalb der Reichweite. Die gewünschte Ladestation kann über das Navi bereits während der Fahrt gebucht werden und ist somit reserviert. Eine Integration von Fahrplänen des ÖPNV und wichtiger Anlaufstellen ist vorgesehen.
Wichtig ist die Nachhaltigkeit des angewandten Energiekonzepts“
Nach welchen Kriterien richtet sich die Verteilung von Ladestationen?
Die Stromladesäulen werden so verteilt, dass die Fläche der Region gut abgedeckt ist. Es muss dabei natürlich berücksichtigt werden, dass eine Ladesäule einerseits an einem Ort ist, wo eine gute Besucherfrequenz herrscht und wo andererseits sich die Nutzer gleichzeitig in der Regel längere Zeit auch aufhalten.
In vielen Gemeinderatssitzungen wurde und wird diskutiert, ob sich die jeweilige Kommune an einer Ladestation beteiligen möchte. Welche Kosten kommen dabei auf die Gemeinde zu? Welchen Nutzen hat diese von einer Ladestation?
In einer Gemeinde ist eine Ladesäule sicherlich anfänglich eine große Attraktion – und hat somit einen großen Marketingwert. Wichtig ist aber, dass die Ladesäule den Elektromobilisten die Sicherheit gibt, immer und überall eine Lademöglichkeit zu finden.
Wenn wir unseren Strom für Elektroautos aber aus Atomstrom oder Strom aus konventionellen Kraftwerken beziehen, wie ist es dann um die Umwelt bestellt? Steckt auch ein Energiekonzept hinter E-Wald?
Wichtig ist die Nachhaltigkeit des angewandten Energiekonzepts, das den zusätzlichen Strombedarf ausschließlich aus regenerativen Ressourcen bereitstellt, darüber hinaus die Energieerzeugung dezentralisiert und die teilnehmenden Gemeinden nicht nur an eine autarke Stromerzeugung heranführt, sondern auch die Wertschöpfung aus der Energieerzeugung in der Region belässt.
Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff „virtuelles Kraftwerk“?
Da viele regenerative Technologien zur Stromerzeugung wie etwa Windkraft oder Photovoltaik nicht regelmäßig und gleichmäßig Strom liefern, versucht man dieses Manko durch eine Steuerung eines Kraftwerksverbundes zu kompensieren. Viele kleine regenerative Kraftwerke werden in Verbindung mit einer Softwaresteuerung genauso sicher und zuverlässig, wie ein großes konventionelles Kraftwerk. Hierzu schließt man Windkraft, Photovoltaik, Wasserkraft, Biomassekraftwerke und andere Technologien zu einem virtuellen, also Software-gesteuerten, Verbundkraftwerk zusammen.
„Sparsam sind Elektroautos bei Verbrauch und Unterhalt“
Aber ein Elektroauto kommt doch in Sachen Schnelligkeit und Ausstattung gar nicht an ein konventionelles Auto heran! Oder?
Und ob! Egal ob schnittiger Sportwagen, Familienauto, Einsitzer oder Kleintransporter. Hier ist es an der Zeit, sich von eventuellen Vorurteilen zu verabschieden, obwohl es natürlich Unterschiede gibt. Der Autofahrer ist befreit von allen Motorengeräuschen und erlebt erstaunliche Beschleunigungswerte. Der Tesla Roadster, ein sportlicher Zweisitzer mit einer Höchstgeschwindigkeit von 192 km/h und einer Reichweite von 300 bis 350 Kilometern ist hier sicherlich ein Paradebeispiel. Gerade bei Kleinwagen mit einer „kleinen“ und sparsamen Motorisierung ist man überrascht, wie agil diese auf der Straße sind. Egal ob Sport- oder Kleinwagen: Elektroautos machen Spaß.
Aber Elektroautos sind doch bestimmt recht teuer, oder?
Die Anschaffungskosten liegen derzeit noch verhältnismäßig hoch, befinden sich aber gerade im Fallen. Man muss dazu sagen, dass viele Anbieter momentan erst ihre Serienfahrzeuge auf den Markt bringen. Andere Anbieter mit Fahrzeugen in der Angebotspalette haben eine größere Serie noch nicht erreicht. Preislich ist hier also viel Platz nach unten – und dies werden wir in den kommenden Monaten direkt miterleben. Sparsam sind Elektroautos bei Verbrauch und Unterhalt. Strom für 1 bis 3 Euro auf 100 Kilometer ist, wie schon erwähnt, unschlagbar günstig im Vergleich zu den Kraftstoffen.
Für wen kommen denn Elektroautos überhaupt in Frage?
Interessant sind diese für regionale Unternehmen im Liefer- und Serviceverkehr. Aber sie bieten sich auch für Privatpersonen an, etwa als Zweitwagen für Pendler oder für die Fahrt zum Einkaufen. Wenn man weniger als 80 bis 150 Kilometer am Tag fährt, ist man ein perfekter Elektromobilist.
Interview: Dike Attenbrunner
Lesen Sie zum Thema E-Wald/Elektromobilität auch den Erfahrungsbericht mit einem E-Auto in unserer Hog’n-Rubrik „Ausprobiat“