Steigende Kriminalitätsraten, beengte Wohnräume zu horrenden Preisen, überteuerte Krippenplätze und wenig Natur: Großstädte. Wer will da schon seine Kinder aufziehen? Da ist es doch auf dem Land bei weitem besser – möchte man meinen. Oder etwa nicht? Die Hog’n-Redakteure Dike Attenbrunner und Stephan Hörhammer haben sich darüber mal so ihre Gedanken gemacht …
Dike: Also meiner Meinung nach lernen die Kinder in der anonymen Stadtwelt vor allem eins kennen: Argwohn. In der großen Masse verliert man schnell einmal den Überblick, wird jeder Einzelne zum potenziellen Täter. Von Anfang an muss dem Kind deswegen eingebläut werden, dass ein Fremder tendenziell eher gefährlich als nett ist. Verständlich angesichts der weitaus höheren Kriminalitätsraten. Natürlich muss auch ein Landkind wissen, dass es mit einem Fremden nicht einfach mitgehen kann. Aber es ist ein Unterschied, ob in den Warnungen der Eltern eine ständige Angst ums Kind mitschwingt oder eben nicht.
Stephan: Stadtkinder werden dafür schneller auf das Leben in der großen weiten Welt mit all seinen harten Realitäten vorbereitet, lernen eher auf eigenen Beinen zu stehen und werden nicht so sehr in Watte gepackt, wie die wohlbehüteten Landeier, die beim ersten Ausflug in die Großstadt mit zwölf den Mund vor Staunen nicht mehr zu bekommen – und sich beim nächstbesten „U-Bahn-Wolle-Rose-Kaufen-Händler“ eine goldene Plastik-Rolex für 100 Euro andrehen lassen. So sieht’s doch aus!
„Das Leben in der Großstadt kann sich doch keiner mehr leisten“
Dike: Du übertreibst mal wieder maßlos! Es ist ja nun wirklich nicht so, dass unsere Landkinder erst mit 12 Jahren zum ersten Mal eine Großstadt von innen sehen. Und außerdem: Es geht nicht nur darum, dass es in der Großstadt um einiges gefährlicher ist, es kann sich auch fast kein Mensch mehr leisten dort zu leben. Angefangen von den wenigen Krippenplätzen, die in der Großstadt meist das Doppelte bis Dreifache kosten bis hin zu völlig überteuerten kleinen Mini-Wohnungen ohne Garten. Wenn eine Butterbrezn beim Bäcker einmal 1,80 Euro kostet, dann weißt du, dass du dich gerade in München, Frankfurt oder Hamburg aufhältst.
Stephan: Das mag schon sein, dass derlei Einrichtungen etwas teurer sind als bei uns, aber: In der Stadt verdienen die Leute eben auch um einiges mehr – und können sich deshalb die Krippenplätze auch leisten. Zudem können Großstadteltern ihren Kindern viel mehr bieten als auf dem Land: ein größeres Freizeitangebot, ein umfangreicheres kulturelles Angebot, die Verkehrsanbindungen sind bei weitem besser, und und und. Dadurch können die kleinen Pupser geistig mehr gefordert – und auch gefördert werden.
Dike: Geistig gefördert! Pah, meinst du wirklich, die Kinder sind unter einer halben Stunde mit der S-Bahn bei ihren Klavier- und Sportstunden? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch ganz München zu gondeln dauert länger als von Grafenau nach Waldkirchen zu fahren. Klar, ich muss mein Kind dann vielleicht nicht selber fahren, aber dafür haben wir hier unter den Eltern Fahrgemeinschaften. Und jetzt mal ernsthaft: Welches Kind geht – freiwillig – öfter als einmal im Jahr ins Museum?!? Überhaupt: Bei diesen Zuständen an Großstadtschulen mit hoher Ausländerproblematik und völlig überforderten Lehrern, bezweifle ich, dass die Kinder kulturelle Angebote geistig aufnehmen können.
„Auch auf dem Land nimmt die Ausländerproblematik rasant zu“
Stephan: Jetzt mach aber mal nen Punkt. Das ist ja Schwarzmalerei hoch drei. Erstens sind die Lehrer mit den Land-Schülern genauso überfordert wie mit den Stadtkindern. Und zweitens ist auch in unseren Breitengraden ein Zuwachs an Familien mit Migrationshintergrund deutlich erkennbar, sprich: auch hier wächst die Ausländerproblematik. Die Schulbildung leidet hier wie dort. Und Zwischenfälle in den Großstadtschulen werden natürlich auch medial immer sehr schnell aufgebauscht …
Dike: Naja, es ist schon noch ein Unterschied, ob man sich mit den Schülern unterhalten kann oder dafür extra einen Dolmetscher und einen Sozialpädagogen braucht! Und angesichts des demographischen Wandels werden die Klassen sowieso immer kleiner werden … Was anderes: Was ist denn eigentlich mit der Gesundheit unserer Kinder? Feinstaub lässt grüßen!
Stephan: Hör doch auf! Das wird doch immer maßlos übertrieben. Im Woid gibt’s ein Sprichwort: „Sieb’n Pfund Dreck vatrogt da Mensch im Joah!“ Wenn du bei uns zum Schwammerl-Suchen gehst, ist der Geigerzähler fast schon Pflicht. Ich sage: Tschernobyl lässt immer noch grüßen. Und Temelin steht sowieso schon längst in der Warteschleife …
Dike: Ich seh schon: Da kommen wir auf keinen Nenner!
Stephan: Da stimme ich Dir ausnahmweise mal zu.
Dike: Und was nun?
Stephan: Hm. Fragen wir doch mal bei unseren Lesern nach, was sie darüber denken …
Was glauben Sie: Wer hat die besseren Zukunftschancen – Landkinder oder Stadtkinder? Schreiben Sie uns Ihre Meinung (mit Begründung) direkt unter diesen Artikel. Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare.
Servus Leid,
finde diese Diskussion hervorragend! Lob an die Seite und an Sie beide!
Die Argumentation von Hrn. Hörhammer leidet allerdings am Faktischen. Ich war sowohl im Woid als auch in Minga Lehrer und behaupte, dass es auf dem Land höchstens ein Zehntel an Schülern mit MiGraHu gibt, als wie (gem. Goethe: „..und bin so klug ALS WIE zuvor“) in den Großstädten. Dadurch findet der Unterricht eine wesentlich vereinfachte Basis. Außerdem sind Dialekt-Sprecher die besten Fremdsprachen-Erlerner (vgl. Studie LMU)! Und Herr Hörhammer: Die Kinder in Minga müssen leider mehr wie 6 Pfund „Dreeg“ im Jahr „fressn“… ;-)
P.S.: Als Waidler und Bayer dürfen Sie sich gerne in der Schriftsprache austoben; das machen Sie ja auch sehr akzeptabel! Was nicht geht ist – insbesondere auf einer Waidler-Seite – preußischen Dialekt (mittlerweile vermeintliche „Hochsprache“) in der Diskussion verwenden: „…nen Punkt“ macht man in Norddeutschland, wenn überhaupt macht man in Niederbayern „an Punkt“ oder nach der Schrift „einen Punkt“. Sie bestellen ja auch nicht „ne Halbe“ in „nem Wirtshaus“ bei „ner Kellenerin“… ;-)
Liebe Grüße aus Minga
Franz
Giaß eich midanand!
Also – i leb liaba auf’m Land: weil i mit meine Kinder ned immer auf’n Spuiplatz mitgeh‘ muaß, sondern sie einfach in Garten auße schicka ko – weil i liaba a halbe Stund in d’Arbeit fahr und ned a halbe Stund in d’Arbeit „steh“ – weil i auf d’Nacht in Ruah auf meiner Terrass’n sitzen ko und ned dauernd Autos vorbeifahrn – weil ma unsere Nachbarn no alle kennand – und weil i (wia d’Dike scho gsagt hat) aa ned jedn Dog ins Museum muaß. Ab und zu auf Minga oder sonst wo hinfahrn, des langt.
Pfiad eich
Traudl
Um hier sozusagen auch meinen Senf mitdazuzugeben schreib ich auch etwas:
Ich bin auf dem Land aufgewachsen, hatte eine traumhafte Kindheit – und ich bin wirklich das erste mal mit ich glaub ich war schon 14 oder 15 Jahre in die Großsstadt gekommen und das auch eher an den Rand von München in den Tierpark.
Mit 21 bin ich das erste mal U-Bahn gefahren und verstand wirklich nur Bahnhof, ich glaube in der U-Bahn in Nürnberg konnte keiner Deutsch außer mir und meiner Begleitung (die auch nur Deutsch sprach weil ich russisch nicht verstehe, nehme ich an.
Mit 17 sah ich das erste mal einen Farbigen und wäre vor lauter gaffen, bald an den Randstein gefahren mit dem Roller.
Also ein bisschen muss ich dem Stephan schon recht geben in der großen Stadt wird man einfach anders groß.
Aber auf dem Land ist es auch ohne U-Bahn, S-Bahn und sonstigen Einrichtungen toll.
Auf der Straße Rad fahren oder Trettraktor oder Dreirad – in der Großstadt undenkbar. Von der Haustüre raus ein paar Schritte laufen und gleich bei der Oma sein, in der Großstadt leider seltenst möglich.
Von den Mini-Wohnungen die sehr teuer sind einmal abgesehen – klar verdient man in z.B. München mehr, aber in München können sich die wenigsten eine 200 qm Wohnung leisten.
Bei uns hat fast jedes Kind sein eigenes Zimmer, viele sogar ein Spielzimmer für die Schlecht-Wetter-Tage.
Jeder hat im Garten für seine Kinder einen kleinen Spielplatz und der Dorfspielplatz ist meinst auch nicht weit weg – da kann man ab einem gewissen Alter schon einmal alleine hingehen und sich mit Schulfreunden treffen.
Auch die kleinen Klassen find ich in den Dorfschulen super, die leider immer weniger werden, weil es einfach immer weniger Kinder in den Dörfern gibt.
Die Kindergartenplätze in „normalen“ Kindergarten sind eher leicht zu bekommen, aber möchte man in einen besonderen Kindergarten z.B. „Waldkindergarten“ tut man sich auch auf dem Land schwer – hier müsste man sein Kind auch mit der Geburt schon anmelden.
Der Traudl muss ich rechtgeben, auf dem Land kann man die Ruhe genießen, man kann Abends die Füsse auf der Terasse oder im Garten hochlegen und den Vögeln beim zwitschern zuhören.
Ich hab in der Stadt studiert und habe mir lange überlegt was ích machen möchte, die Jobangebote in der Stadt sind natürlich Vielfältiger als auf dem Land, wobei auch auf dem Land die Jobangebote immer besser werden.
Für mich selber habe ich entschieden wo ich es mir aussuchen konnte Stadt oder Land, das ich auf dem Land bleibe wo ich meine Nachbarn kenne, meine Familie wohnt und wo ich meine Kinder behütet in der Dorfgemeinschaft aufwachsen können.
Zukunftschancen haben Landeier mit Sicherheit, es gibt nahezu die selben Möglichkeiten wie in der Stadt, auch Studiengänge etc. werden auch schon in ländlicheren Städten angeboten, Fachkräfte werden auch auf dem Land gesucht und seit doch mal ehrlich ihr hättet euch als Redakteure doch auch in München/Nürnberg oder Berlin niederlassen können und wo habt ihr es gemacht in FRG :-)
Ich bin im Bayerischen Wald geborgen und aufgewachsen. Danach habe ich 32 Jahre in 4 Großstädten dieser Welt gelebt. Städte sind unglaublich interessant und gut für die Entwicklung von Teenagern und Erwachsenen. Wirklich Kind sein können, da ist, meiner Meinung nach, der löndliche Raum der einzig richtige (Spiel)Platz. Von dort aus ab und zu eine Stadt besuchen… nicht verkeerd. Ich bin auf jeden Fall noch immer dankbar dafür, dass ich im Bayerischen Wald aufgewachsen bin. Umringt von Natur, Freiraum und Weite, statt Auto,s, Menschen und Beton :-)