FRG. So manches birgt Potenzial, dass es im Woid wieder zu einem Bevölkerungsanstieg kommen kann: Eine vieldiskutierte Imagekampagne etwa soll mehr Menschen in die Region locken, um dem Bevölkerungsrückgang der vergangenen Jahre Einhalt zu gebieten. Anders als in Metropolen wie München steht in den hiesigen Breitengraden massig Bauland zur Verfügung – welches mehr als bedarfsdeckend genutzt wird.
Doch ausgerechnet der ländliche Bauboom könnte langfristig zu neuen Strukturproblemen führen – das jedenfalls lässt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vermuten. Wie reagieren die Kommunen darauf? Wird ihnen der Spagat zwischen attraktiven Bedingungen für die dringend benötigten Fachkräfte einerseits und einer nachhaltigen Baupolitik andererseits gelingen?
In den Landkreisen Regen und Freyung-Grafenau wird zu viel gebaut
Der Landkreis Freyung-Grafenau startete erst kürzlich eine Imagekampagne, um sich als moderner Arbeitsstandort zu positionieren. Das Ziel: Es sollen sich wieder mehr Menschen in der zuletzt von Bevölkerungsrückgang betroffenen Region ansiedeln. Zwar stabilisierte sich die Einwohnerzahl im Landkreis Freyung-Grafenau inzwischen etwas, doch mit einer Zuwanderungsrate von 0,25 Prozent ist FRG noch immer das Schlusslicht Niederbayerns.
Mit der Kampagne „MADE – Mehr als du erwartest“ will der Landkreis nun den hoffnungsvollen Aufwärtstrend unterstützen und Fachkräfte von der hohen Lebensqualität im Woid überzeugen. Doch wer im Woid arbeiten soll, braucht auch Wohnraum. Viele junge Familien wollen sich in einer ländlichen Region wie dem Bayerischen Wald den Traum vom selbstgebauten Eigenheim erfüllen. Dieser Trend sowie das aktuell niedrige Zinsniveau führen dazu, dass in der Region inzwischen deutlich zu viel gebaut wird: So ist der Baubedarf in Freyung-Grafenau laut einer aktuellen Studie des IW bereits zu 176 Prozent gedeckt. Im benachbarten Landkreis Regen wird sogar mehr als doppelt so viel Wohnraum geschaffen, wie tatsächlich benötigt wird – und das bei einem Bevölkerungsrückgang von 221 Prozent.
Zersiedlung soll vermieden werden
Die niedrigen Zinsen und die großzügige Ausweisung von Bauland hat in vielen Kommunen dazu geführt, dass der Kauf einer Bestandsimmobile zunehmend unattraktiv erscheint. Dies führt langfristig zu einer Zersiedlung der Dörfer, zu leerstehenden und verfallenden Altbauten, zu verödeten Dorfzentren und letztlich zu infrastrukturellen Problemen. In Freyung-Grafenau hat man dieses Problem erkannt und versucht, ihm entgegenzuwirken: Wir berichteten bereits über die Familie Martin, die kürzlich aus Landsberg in den Woid zog, jedoch keine Genehmigung für ihren geplanten Neubau erhielt. Die Begründung: Eine „Zersiedelung der Landschaft“ müsse vermieden werden. Die Familie ging schließlich einen anderen Weg: Sie kaufte ein 140 Quadratmeter großes Haus auf einem 900 Quadratmeter großen Grundstück – und dies im Vergleich zu München zu einem Spottpreis.
Nachhaltige Bebauung und attraktive Bedingungen für Zuzügler – ein Widerspruch?
Landkreis und Kommunen befinden sich in einer Zwickmühle: Zum einen soll Abwanderung vermieden und der Zuzug gefördert, zum anderen übermäßiger Neubau verhindert werden. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass dieser Spagat in der Region gelingen kann, denn eine verweigerte Baugenehmigung ist kein Hindernis für einen Zuzug in den Woid: Der Immobilienmarkt ist gegenwärtig nämlich recht entspannt, wie das Beispiel der Familie Martin gezeigt hat.
Anders als in München gibt es viele günstige Immobilien mit großzügiger Wohnfläche. Der Aus- und Umbau von Bestandsimmobilien ist in der Regel auch günstiger: Modernisierungskredite werden immer beliebter, da sie – wie dieser Artikel erklärt – meist einen günstigeren Zinssatz als Ratenkredite haben. Wer trotzdem bauen will, findet dafür immer noch Baugrundstücke – allerdings vorwiegend in dichter besiedelten Neubaugebieten. Ebenfalls förderlich für den Zuzug ist, dass der Arbeitsmarkt für Fachkräfte günstig ist: Firmen in der Region suchen händeringend nach qualifizierten Bewerben von außerhalb.
Ob die neue Imagekampagne in dieser Hinsicht erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Die größte Herausforderung dürfte es sein, das „Provinz-Image“ loszuwerden und vermehrt Großstädter anzusprechen – mehr dazu in diesem Artikel.