Passau. Leberkässemmeln, Schweinshaxn, Weißwurstfrühstück – wer schon einmal in Bayern war, wird schnell bemerkt haben, dass deftige Hausmannskost hierzulande vor allem in Form von Fleisch genossen wird. In den Sommermonaten kommt in den zahlreichen Biergärten des Freistaates neben Käsespätzle und Obazda vor allem eins auf den Tisch: Schnitzel, Schweiners, Steaks, Hendl… Dazu noch ein kühles Helles und der Gast – egal, ob Einheimischer oder Preiß‘ – scheint glücklich und zufrieden.
Seit einigen Jahren sieht sich die bayerische Gastronomie jedoch zunehmend mit folgendem Problem konfrontiert: Immer mehr Gäste verlangen nach einer fleischfreien Mahlzeit. Ob es Salat gibt? Nein, Wurstsalat sei nicht vegetarisch. Auch toter Fisch sei ein totes Tier. Und selbst zu den Spätzle soll nun plötzlich kein Speck mehr gereicht werden. So mancher Gastwirt hat diese neue Spezies, diese Vegetarier, nicht kommen sehen. Der ein oder andere Koch sieht sich in seiner Ehre verletzt und würde am liebsten die Flinte ins Korn werfen – die braucht man ja nun ohnehin nicht mehr, um Freiwild zu erlegen…
Immer mehr kleinere vegane Lokale sprießen aus dem Boden
Gerade scheint sich also der bayerische Biergartenbesitzer umgestellt und schweren Herzens auch die fleischfreien Alternativen auf die Speisekarte gesetzt zu haben, kommt schon der nächste Essenstrend ums Eck: die Veganer. Egal ob Obazda, die Sahne in der Schwammerlsoße oder das Salatdressing aus Schmand – auch, wenn es für den gebürtigen Bayern schwer nachvollziehbar ist: Alles, was vom Tier kommt, ist für Veganer tabu. Während Essgewohnheiten wie diese noch vor zwei Jahrzehnten undenkbar für die meisten Einheimischen gewesen wären, scheinen sich die Leute nun für genau solche Gewohnheiten verstärkt zu interessieren. Die einen möchten einfach nur bewusster essen, das heißt: mehr darauf achten, was und wie viel sie essen und vor allem, woher die Produkte kommen. Die anderen verzichten aus ethischen oder gesundheitlichen Gründen komplett (oder teilweise) auf tierische Produkte.
Kein Wunder also, dass auch der Einzelhandel sich anpasst und plötzlich neben glutenfreien Laugenbrezn und Semmeln vegetarisches oder veganes Grillgut anbietet. Selbst die gute alte Weißwurst soll es mittlerweise ohne tierische Zutaten geben – über die Notwendigkeit und den Geschmack solcher Produkte ist man jedoch geteilter Meinung. Da ist es wenig erstaunlich, dass auch die Gastronomie (schon wieder) nachzieht: Während größere Ketten bereits auf den Zug aufgesprungen sind und ihr Sortiment an die Wünsche der veganen Kunden angepasst haben, sprießen jetzt auch immer mehr kleinere vegane Lokale wie Pilze (ohne Sahnesoße versteht sich!) aus dem Boden…
Eines dieser neuen Lokale hat nun in der bayerischen Kleinstadt Passau eröffnet: „Nadines Frozen Yogurt“ bietet seinen Kunden neben Shakes, Smoothies und Kaffee auch „normalen“ und veganen Frozen Yogurt an. „Passau mag zwar eine kleine Stadt sein, der Anteil der Studenten ist aber enorm groß“, erklärt Nadine Rothkopf, Chefin des neuen Ladens. Mit ihren 26 Jahren weiß die junge Passauerin, welche so genannten Foodtrends gut ankommen. Für konstruktive Kritik, Ideen und Verbesserungsvorschläge ist sie dennoch aufgeschlossen. „Schließlich möchte ich auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden eingehen.“
Gras, Heu, Löwenzahn? Wie schmeckt’s denn nun?
Denn genau das ist der Leitgedanke des gesamten Teams: „Der vegane Frozen Yogurt ist nicht nur etwas für diejenigen, die auf tierische Produkte verzichten“, erklärt Hans Schraner, Nadines Lebensgefährte und Mitarbeiter. „Es gibt ja heutzutage alle möglichen Unverträglichkeiten.“ Und so kommen auch immer mehr lactose- oder milcheiweißintollerante Passauer in die Theresienstraße, um sich mit einer verträglichen Variante des Eises den Tag zu versüßen.
Aber wie schmeckt die vegane Süßspeise denn nun? Nach Gras, Heu und Löwenzahn? Grün ist er schon mal nicht, so viel steht fest. „Ich lasse die Kunden, die zum ersten Mal hier sind, gerne erst probieren, ohne etwas zu verraten“, sagt eine der Angestellten und schmunzelt. Denn wenn man sie direkt frage, ob sie den veganen oder doch lieber den konventionellen Frozen Yogurt wünschten, seien die Reaktionen häufig dieselben: „Vor allem in Bayern ist das Wort vegan fast schon ein Schimpfwort – die meisten gehen sofort davon aus, dass es sich um eine ungenießbare, zähe Masse handeln muss, die nach Tofu schmeckt“, berichtet die junge Studentin und schüttelt den Kopf.
Umso größer sei dann die Überraschung bei den meisten Kunden, wenn sie „das, was nach Kokos schmeckt“, bestellen. Denn anstatt auf Sojajoghurt zu setzen, bevorzugt das kleine Eiscafé eine Basis aus Kokosjoghurt, Kokos-Reis-Milch und ein wenig Sojacuisine. „Den typischen Sojageschmack mögen die wenigsten“, meint Hans Schraner. „Ich selbst bin nun wirklich kein Vegetarier, aber ich esse nur noch die vegane Variante, weil sie mir besser schmeckt“. Das kann seine Freundin nur bestätigen: „Du würdest doch sogar Döner als Topping nehmen, wenn es das gäbe“, sagt Nadine und lacht.
Nadines Team weiß: Man kann nicht jeden überzeugen
Veganer Frozen Yogurt in einer bayerischen Kleinstadt – ob das wirklich bei den Leuten ankommt, haben sich anfangs auch die Mitarbeiter gefragt. Eine der Studentinnen, die seit der Eröffnung des Ladens im April 2017 dort jobbt, berichtet: „Ich komme nicht aus Bayern und als langjährige Vegetarierin musste ich mir anfangs neben Witzen über die Preiß’n auch noch so einiges über die Graßfresserei anhören“. Doch sie nimmt es mit Humor: „Ich kann darüber lachen – und mach selber auch meine Späße.“ Trotzdem sei die 21-Jährige erst unsicher gewesen, ob auch der Rest ihrer Kommilitonen so offen damit umgehe. Mittlerweile weiß sie, dass viele den veganen Frozen Yogurt sogar häufiger bestellen als den konventionellen – natürlich nur, wenn sie es keinem verrate…
Doch nicht jedermann versteht das Konzept. Vor allem einige der älteren Kunden sind alleine mit dem Begriff Frozen Yogurt überfordert. „Schön ist’s immer, wenn die Leute reinkommen und direkt loslegen: Ich hätt gern eine Kugel Schokolade, zwei Mal Vanille und Erdbeere im Becher„, erzählt Nadine mit einem Lächeln. Wenn sie die Eisliebhaber dann aufkläre, dass es hier „gefrorenen Joghurt“ gäbe und den auch noch in veganer Form, sei die Verwirrung komplett. „Ich versuche immer gerne, die Kunden vom Geschmack der Produkte zu überzeugen – sei es vom veganen oder vom konventionellen Frozen Yogurt“, betont eine weitere studentische Angestellte den missionarischen Charakter ihrer Arbeit. „Bei vielen klappt’s – manche sehnen sich dann aber doch zu sehr nach ihrer traditionellen Kugel Erdbeereis.“ Man kann eben nicht jeden überzeugen, das wissen auch die Mitarbeiter. Für alle anderen gibt es immer noch frische (und sogar komplett vegane) Erdbeeren als Topping.
Neben den Gesprächen im Laden, der entspannten Atmosphäre und den strahlenden Kinderaugen, wenn man deren Eis mit bunten Zuckerstreuseln versehe, freuen sich Nadine und ihre Mitstreiter auch über die etwas skeptischeren Reaktionen der Kunden: „Man hat immer etwas zu lachen, wenn man mitbekommt, womit die boarischen Landsmänner das Wort vegan assoziieren – wenn sie es denn kennen!“ Für viele von ihnen sei selbst eine Schweinshaxn vegetarisch – schließlich wird sie mit Salat und Sauerkraut serviert! Und auch wenn niemand aus Nadines Team es garantieren könne – Risiken und Nebenwirkungen in Form eines wachsenden Ochsenschwanzes, einer Schweinenase oder plötzlich wachsenden Pferdehufen seien dann doch relativ unwahrscheinlich…
„Denn da ist Ei drin – und das ist ja nun wirklich nicht vegan“
Freude über das vegane und lactosefreie Angebot, Skepsis, Vorurteile, (positive) Überraschung – egal, ob man sich vom Konzept des kleinen Ladens in der Passauer Theresienstraße überzeugen lässt oder nicht: fest steht, dass wohl selten eine Eisdiele in der bayrischen Studentenstadt mit so vielen verschiedenen Ansichten konfrontiert wurde wie Nadines Frozen Yogurt. „Ich nehm’s mit Humor“, sagt Hans Schraner und lacht. „Solange die Leute kein Brathendl bestellen. Denn da ist Ei drin – und das ist ja nun wirklich nicht vegan!“
Text: Malin Schmidt-Ott
Fotos: Nadine’s Frozen Yogurt
Ich finde es eher unmöglich, wie die hier beschriebenen Bayern ohne Sinn und Verstand scheints tierische Produkte in sich reinschaufeln und obendrein noch völlig ahnungslos sein sollen, was vegane bzw. vegetarische Ernährung betrifft. Da mag es ja einige geben, aber so hinter dem Mond…?
Warum dieses Frozen Joghurt Konzept allerdings hier so in die vegane/veg. Schiene gehypt wird, ist mir völlig schleierhaft. Nur weil es Joghurt aus Kokosmilch gibt? Das ist keine Erfindung von Veganern – genauso wenig wie Sojaprodukte etc. Da müßte ja jeder Obst- und Gemüseladen demnächst einen Artikel bekommen.
Im übrigen schmeckt dieser Joghurt aus Kokos göttlich und wenn ich nicht sowieso Veganer wäre, würde ich nie wieder anderen essen!…und damit meine ich nicht den aus Kuhmilch sondern den aus Soja!
Liebe Pauline,
als Autorin des Textes möchte ich mich für deinen Kommentar bedanken!
Ja, auch ich war anfangs überrascht, wie unbedacht einige mit dem Thema umgehen. Natürlich lassen sich solche Erfahrungen (glücklicherweise) nie verallgemeinern- deshalb ist der Artikel bitte mit Humor zu genießen. Trotzdem basiert er auf Situationen, die ich selber so erlebt habe.
Ich möchte mit dem Artikel keinesfalls jemanden in irgendeiner Art und Weise beeinflussen- meiner Meinung nach sollte das Thema Ernährung jedem selbst überlassen sein. Trotzdem regt er vielleicht etwas zum Nachdenken an und zeigt, dass man sich selbst- egal ob man nun Veganer, Vegetarier oder überzeugter Fleischesser ist- nicht immer zu ernst nehmen sollte :)