Freyung/Passau. Großeinsatz in der Kreisstadt: Nicht weniger als 130 Beamtinnen und Beamte sowie fünf Diensthunde beteiligten sich am Donnerstagmorgen gegen 7 Uhr an einer von der Staatsanwaltschaft Passau angeordneten Durchsuchungsaktion der Asylbewerberunterkunft in Freyung-Geyersberg. Nach dem Vorfall Anfang Mai, bei dem 30 bis 40 Asylbewerber gegen die geplante Verlegung von vier ihrer Mitbewohner protestierten, ist dies nun bereits der zweite größere Polzeieinsatz binnen vier Wochen in der ehemaligen Gesa-Klinik.
„Unter der Federführung der Kriminalpolizeiinspektion Passau vollzog ein Großaufgebot der Polizei am Donnerstag, 1. Juli, gegen 7 Uhr morgens mehrere Durchsuchungsbeschlüsse in der Asylbewerberunterkunft in Freyung-Geyersberg. Neben Beamten der Kripo Passau waren auch Beamte der Polizeiinspektion Freyung, des Polizeipräsidiums Niederbayern und der Bereitschaftspolizei aus Dachau im Einsatz“, ist in der Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Niederbayern zu lesen.
„Kräfteeinsatz nicht unüblich bei größeren Gebäuden“
Weiter heißt es dort:
„Hintergrund für die Durchsuchungsbeschlüsse waren Selbstbezichtigungen von einzelnen Asylbewerbern aus Sierra Leone. Diese hatten im Asylverfahren gegenüber den Behörden angegeben, Straftaten in ihrem Heimatland begangen zu haben. Zur Überprüfung dieser Aussagen beantragte die Staatsanwaltschaft Passau Durchsuchungsbeschlüsse für deren Zimmer in der Asylbewerberunterkunft. Durch die starke Polizeipräsenz konnten die Maßnahmen ohne Zwischenfälle durchgeführt werden. Die betroffenen Bewohner verhielten sich sehr kooperativ und aufgeschlossen.
Neben dem Vollzug der Durchsuchungsbeschlüsse durch die Kripo Passau führte die Polizeiinspektion Freyung Kontrollen in einzelnen Zimmern der Unterkunft durch, um die Identität der anwesenden Bewohner festzustellen. Hierdurch sollte geklärt werden, ob sich Personen unberechtigt in der Unterkunft aufhalten. Zunächst wurden keine Verstöße festgestellt.
Im Nachgang zu einer Personalienfeststellung kam es jedoch zu einem Angriff eines 27-jährigen Mannes aus Sierra Leone auf einen Polizeibeamten. Dieser wurde nicht verletzt. Da sich der Tatverdächtige in einem psychischen Ausnahmezustand befand, wurde er nach Rücksprache mit dem Landratsamt Freyung-Grafenau in einem Bezirksklinikum untergebracht.“
Unter dem Begriff „Selbstbezichtigung“ ist die Beantragung eines Strafverfahrens gegen die eigene Person zu verstehen. In einem Wort ausgedrückt bedeutet dies: Selbstanklage. Auf die Nachfrage, warum eine Einsatzstärke von 130 Beamten für die Aktion erforderlich war, antwortet Kriminalhauptkommissar Günther Tomaschko vom Polizeipräsidium Niederbayern: „Dieser Kräfteeinsatz ist bei Durchsuchungen von größeren Gebäudekomplexen normal.“ Es sei also nicht unüblich, dass man mit einem derartigen Kräfteeinsatz wie dem in Freyung ans Werk gehe. Mehr wolle er aus einsatztatkischen Gründen dazu nicht sagen.
Konstruktion eines Scheingrunds, um bleiben zu können
Warum auch die Bereitschaftspolizei aus Dachau hinzugegzogen wurde? „Wir schauen, wo wir Kräfte herbekommen“, sagt Tomaschko gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n. Dieser ergänzt: „Das müssen wir aber auch nicht sagen, warum wir Kräfte aus Dachau oder sonstwo hernehmen.“ Wie der Angriff des 27-jährigen Asylbewerbers aus Sierra Leone sich im Detail zugetragen hat, weiß Tomaschko nicht.
Oberstaatsanwalt Walter Feiler von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Passau teilt auf Hog’n-Nachfrage, welches Motiv hinter der Selbstanklage der Heimbewohner stecken könnte, mit, dass diese dadurch versuchen würden, ihre drohende Abschiebung in ihr Heimatland zu verhindern oder zu verzögern. Mehrere solcher Fälle seien bereits bei der StA Passau festgestellt worden. Flüchtlinge aus Sierra Leone hätten wenig Aussicht darauf in Deutschland bleiben zu dürfen und hier ihren Asylantrag bestätigt zu bekommen. Daher, so die Vermutung der Staatsanwaltschaft, würden die Geflüchteten einen Scheingrund konstruieren, indem sie sich selbst einer Straftat in ihrem Heimatland beschuldigen, um somit die Hoffnung auf Nicht-Abschiebung zu wahren. Bei der Durchsuchung sei der Fokus auf Handys und Laptops der Bewohner gelegen, die hinsichtlich Hinweisen auf mögliche Anweisungen von außen bzw. einschlägige Nachrichten geprüft wurden, die die Flüchtlinge gewisser Straftaten in der Vergangenheit überführen sollten.
Eine Bewertung des Vorfalls durch den für die Unterkunft zuständigen Beamten der Stadt Freyung, Herbert Graf, blieb trotz Anfrage (bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels) unbeantwortet. Ebenso eine Auskunft zur aktuellen Bewohnerzahl.
da Hog’n
Nachtrag Herbert Graf: „Die Anzahl der Bewohner der Asylerstaufnahmeeinrichtung-Dependance Geyersberg beträgt derzeit 203 Personen bei täglicher geringfügiger Veränderung.“ Und weiter: Eine „Bewertung des Vorfalles“ nehme ich insofern nicht vor, da es sich nicht um einen „Vorfall“, sondern um eine bestens organisierte Präventivmaßnahme der Exekutive handelte. Entsprechend entbehrt eine Bewertung dessen in jedweder Hinsicht einer Grundlage.“