Frauenberg. Es ist schon fast zum Ritual geworden: Bei jedem Spaziergang, der mich und meine Familie am ehemaligen „Waldschlößl“ – einem längst geschlossenen Wirtshaus direkt neben der einstigen Bahnlinie Haidmühle-Waldkirchen in Frauenberg (Gemeinde Haidmühle) – vorbeiführt, wundern wir uns, wie man ein so schönes, altes Gebäude einfach verfallen lassen kann. Wir kommen hier regelmäßig vorbei – wir wohnen in der Nachbarschaft. Bereits 2014 hatte das Onlinemagazin da Hog’n über das Anwesen berichtet: Was hat sich in der Zwischenzeit getan?
Der Zahn der Zeit hat in den vergangenen Jahren sichtlich weiter am Gebäude genagt: Mittlerweile sind die Birken und Fichten, die sich vor der Eingangstür ihren Weg durch den Asphalt empor gesucht haben, schon fast so hoch wie das Gebäude selbst. Teile der hölzernen Außenverkleidung fallen ab. Fenster sind gesplittert – oder mutwillig eingeworfen worden? Der Kamin ist herunter gestürzt, aus dem Loch im Dach wächst ein Baum. Im Inneren des Gebäudes sieht es genauso wüst aus: Decken sind bereits eingestürzt. An der Inneneinrichtung und den zurückgelassenen Gläsern, Tellern und anderem Gastro-Inventar haben sich Gerüchten zufolge immer wieder Leute „bedient“.
„Nachts sehen wir immer mal wieder Licht brennen“
Ich selbst hätte Angst, durch eines der Fenster in dieses Gebäude zu klettern. Weil es natürlich nicht erlaubt ist, fremdes Eigentum zu betreten. Aber vor allem, weil ich nicht von herabstürzenden Balken erschlagen werden möchte…
Ein Landstreicher sucht die ehemalige Wirtschaft anscheinend regelmäßig auf und nutzt sie als trockenen Schlafplatz, berichtet uns Jan Ruzicka. „Nachts sehen wir immer mal wieder Licht brennen.“ Ruzicka betreibt seit dem Winter 2013/14 die Jugendherberge direkt neben dem Waldschlößl. Von dort aus beobachtet er ab und an, was in dem verfallenen Wirtshaus so vor sich geht. „Mittlerweile kann man wohl nix mehr aus dem Gebäude machen. Schade drum“, findet Ruzicka. Er hätte das einstige Gasthaus sofort angemietet, wenn er es früher entdeckt hätte, sagt er. Aber als er in Frauenberg ankam, war das Gebäude bereits so marode, dass man es eigentlich nur noch abreißen oder sehr aufwendig renovieren hätte können: „Schon damals war der Zustand katastrophal.“
Die Nachbarn beobachten also den stetigen Verfall. Auch ein Anruf bei Haidmühles Bürgermeisterin Margot Fenzl ergibt wenig Neues: Man habe 2014 das Landratsamt eingeschaltet, vor allem weil es auch immer wieder „wildes Treiben“ abends im Waldschlößl gegeben haben soll. Die Gemeinde selbst hat Fenzl zufolge keine Handhabe – nur das Landratsamt könne von der Eigentümerin die Sicherung des Gebäudes fordern – oder, im gravierendsten Fall, den Abriss. Die Baubehörde sei damals auch vor Ort gewesen, berichtet Fenzl. Sie habe Fotos gemacht. Und, soweit die Bürgermeisterin sich richtig erinnern kann, sollten wohl die Zugänge zum Anwesen gesichert werden.
Die Zugänge sind allerdings nach wie vor weder durch einen Zaun noch durch Bretter versperrt. Am Zustand des Hauses – an den weit offen stehenden Fenstern, der mittlerweile aus den Angeln gerissenen Tür zum Nebengebäude – hat sich nie etwas geändert. Außer eben die augenscheinliche Tatsache, dass das Haus immer weiter verfällt.
Was ist denn nun mit den Sicherungsmaßnahmen? Muss die Eigentümerin das Gebäude nicht mit einem Zaun abgrenzen, den Zugang für Vandalen und Neugierige aller Art verhindern? „Die Grundstückseigentümerin wurde vom Landratsamt bisher aufgefordert, das Gebäude so weit abzusichern, dass zumindest kein ungehinderter Zugang zum Gebäude mehr möglich ist“, teilt Pressesprecher Karl Matschiner auf Hog’n-Nachfrage mit. Umgesetzt hat die Eigentümerin, eine angeblich in Berlin lebende Frau, diese Aufforderung in den vergangenen Jahren offensichtlich nicht. Mit der Anfrage wurde jedoch wohl beim Landratsamt das marode Gebäude wieder in Erinnerung gerufen: „Eine Einsturzgefahr bzw. eine Gefährdung unbeteiligter Dritter wird aktuell geprüft“, heißt es.
Nur in einem Fall wäre die Ruine ein Kaufanreiz
Eine Woche später teilt Pressesprecher Matschiner das Ergebnis der Bauprüfung mit: Eine Einsturzgefahr oder eine Gefährdung unbeteiligter Dritter konnte der Beamte, der das Gebäude besichtigt hatte, nicht feststellen. Spuren von Vandalismus seien ersichtlich gewesen. „Diese Sachbeschädigungen haben jedoch keine baurechtliche Relevanz. Ein unberechtigter oder gewaltsamer Zugang kann vom Landratsamt nicht verhindert werden und ist auch durch Anordnungen gegenüber der Eigentümerin letztlich nicht regelbar“, erklärt Matschiner.
Von Seiten der Behörde wird also keine Sicherung des Gebäudes stattfinden, solange das Gebäude nicht kurz vor dem Einsturz steht. Und der Eigentümerin wird es wohl weiter egal sein, wer da in ihr „Haus“ einsteigt und wann es endgültig zur Ruine verkommen wird.
Doch vielleicht findet sich ja irgendwann doch noch ein finanzstarker Investor, der der Eigentümerin viel Geld für das eigentlich so schöne Gebäude bietet? Nur in einem Fall wäre die Ruine wohl ein Kaufanreiz: Wenn irgendwann wieder ein Zug hier vorbei fahren würde, auf der Trasse zwischen Waldkirchen und Haidmühle/Nove Udoli. Laut Hermann Schoyerer von der Ilztalbahn-Initiative ist dies keine irreale Vorstellung, dass die Schienen an dieser Stelle doch einmal wieder verlegt werden.
Eine Zugverbindung nach Tschechien scheint förderfähig durch die EU. Das größte Problem wären aber nicht die hohen Kosten, wenn man die Strecke Waldkirchen – Nove Udoli wieder mit Gleisen bestücken möchte: „Knackpunkt ist immer die sogenannte Eisenbahnrechtliche Widmung“, weiß Schoyerer. Für die Strecke ist diese Widmung nicht mehr vorhanden. „Somit müssten zumindest Teile der alten Trasse wieder vollkommen neu erworben oder eingeklagt werden.“
Demnächst will Michael Cramer das Areal besuchen
Ein sicherlich langwieriges und schwieriges Projekt wäre das. Aber Interesse seitens der Ilztalbahn-Freunde besteht. Und auch ein Mitglied des Europäischen Parlaments interessiert sich für die ehemalige Bahnstrecke und ihr Potenzial: Demnächst will MdEP Michael Cramer den Grenzübergang in Haidmühle besuchen und sich die Situation anschauen. Ob etwas dabei herauskommt?
Das Waldschlößl wird indes die Situation ruhig und gelassen beobachten und abwarten, was mit ihm passiert. Noch ist mein Sohn zu klein, um auf dumme Ideen zu kommen und in das verfallende Haus einzusteigen. Aber ich befürchte, dass die Chance dazu auch dann noch da sein wird, wenn er einmal alt genug dafür ist. Immerhin: Alkohol wird er in der Ruine wohl nicht mehr finden. Den haben nämlich andere Pubertierende längst entwendet und damit wahrscheinlich ihren ersten Rausch erlebt…
Sabine Simon
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