Passau. Der Winter verschwindet so langsam, so mancher Bewohner des Hog’n-Landes bestellt schon seinen Garten. Allerdings bedeuten frühlingshafte Temperaturen auch, dass die Hochwassergefahr wieder zunimmt. Etwa, weil die Flüsse die Wassermengen der abschmelzenden Schneemassen nicht mehr bewältigen können. Und weil zwischen Main und Inn auch noch eine Menge anderer Faktoren für Hochwasser verantwortlich sein können, hat sich da Hog’n in den Risikogebieten einmal tief unter Wasser begeben – und zeigt, wo und wann und warum im Freistaat Obacht gegeben werden muss.
Die Hochwasserarten
Hochwasser ist nicht gleich Hochwasser, denn es unterscheidet sich dadurch, wo das Wasser herkommt. Aus diesem Grund kennt der Fachmann drei Kategorien, die das Hochwasser grob einteilen:
- Beim Flusshochwasser stecken meist lange und großräumige Regenfälle dahinter. Je nach Region reicht dazu aber auch schon eine ungewöhnlich starke Schneeschmelze nach schnellen Temperaturwechseln. Meist sind entsprechend auch landkreisübergreifende Gegenden betroffen.
- Die Sturmflut hat für die Hog’n-Region keine Bewandtnis und wird nur der Vollständigkeit halber genannt. Sie entsteht nämlich dadurch, dass starke Winde das Meerwasser in Richtung Küste drücken. Betroffen sind dann große Küstenstreifen, teilweise bis ins Landesinnere.
- Die Sturzflut tritt nach sehr starken Gewitterstürmen auf. Die Hochwasserkatastrophe in Niederbayern im vergangenen Jahr gehörte beispielsweise dazu. Tückisch sind Sturzfluten schon deshalb, weil sie meist kaum Vorwarnzeit haben. In der Regel beschränkt sich ihre Gewalt jedoch auf ein vergleichsweise kleines Gebiet – oft sogar nur einzelne Ortschaften.
Vermeiden lässt sich keine dieser Hochwasserarten, denn solche Wassermassen kennen keine menschlichen Barrieren. Allenfalls durch Deiche und Wälle können die Fluten in Bahnen gelenkt werden.
Werden Hochwasser immer häufiger?
Klickt man sich durch die Hochwassermeldungen der einschlägigen Web-Nachrichtenportale, beschleicht einen leicht das Gefühl, dass Hochwasser in der Vergangenheit zugenommen hat. Allerdings ist die Antwort auf die in der Zwischenüberschrift gestellte Frage eher ein schwammiges „Jein“, denn die allgemeine Hochwasserlage ist ein kompliziertes Geflecht aus Ursache und Wirkung:
- Wahr ist es insofern, als dass durch den Klimawandel die Wetterextreme zunehmen werden. Das heißt es wird ebenso längere und stärker anhaltende Regenphasen geben, wie es Trockenperioden gibt und auch die Intensität von Gewitterstürmen wird zunehmen.
- Unwahr ist es deshalb, weil die gefühlte Häufigkeit von Hochwasser vor allem daraus resultiert, dass die Nachrichtenlage heute selbst den kleinsten über die Ufer steigenden Nebenfluss erwähnt – wo früher die Abendnachrichten im TV nur wirkliche Großereignisse inkludierten.
Hinzu kommt die Tatsache, dass immer mehr Flüsse begradigt, umgeleitet und direkt an den Rändern bebaut werden – und das führt ebenfalls zu Hochwasser. Insofern stimmt abschließend die These, dass Hochwasser häufiger werden in bestimmten Grenzen durchaus.
Schäden durch und für die Bevölkerung
Bebauung ist generell ein kritischer Punkt. Insbesondere, weil auch abseits der Flüsse immer mehr Oberflächen durch Bebauung versiegelt werden. Der Erdboden ist aber ein extrem wichtiger Wasserspeicher, denn er funktioniert wie ein Schwamm und kann gewaltige Regenmengen aufnehmen und nach und nach an die Flüsse abgeben. Durch Versiegelung indes fließt das Wasser direkt in die Flüsse und Bäche – die wegen ihres durch Begradigung verringerten Volumens und der nicht mehr vorhandenen Auen direkt auf Ortschaften treffen und dort Schäden anrichten – also ein menschgemachtes Problem, das ihn direkt betrifft.
Allerdings haben sich eben wegen dieser Tatsachen auch eine Menge technischer Maßnahmen etabliert, die das Schlimmste verhindern und das tun sie auch ziemlich effektiv – jedoch hat jede Maßnahme auch ihre Grenze.
Die Basis in jeder noch so kleinen Gemeinde ist ein funktionierendes Abwassersystem. Die Kanalisation ist eben nicht nur dafür da, das häusliche Abwasser aus Dusche und Toilette aufzunehmen, sondern ist extra so voluminös, dass auch ungewöhnlich große Regenfälle darin Platz finden. Doch wenn der Kanal buchstäblich voll ist, läuft er über. Der Fachmann spricht hier von einem sogenannten Rückstau. Die Gesetzeslage hierzu ist eindeutig, denn wiewohl die Gemeinden für die Abwasserleitungen verantwortlich sind, trifft das auf die Rückstauprävention nur bis zu einem gewissen Grad zu.
Verantwortlich für ausreichenden Schutz sind die Hausbesitzer selbst, sie haften darüber hinaus auch selbst für Schäden, die durch Rückstau entstehen – allerdings sind die üblichen Hausrats- und Wohngebäudeversicherungen nicht ausreichend, sie decken den Beschädigungen durch Rückstau ohne Zusatzklausel nicht ab. Da sowohl die Gemeindesatzungen als auch die DIN EN 12056-4 lediglich Vorsorgemaßnahmen für mehr oder weniger häufiger eintretende Wetterereignisse vorsehen, ist persönliche Vorsorge zwingend notwendig. Dann schwerwiegende Überschwemmungen, wie sie die Jahrhundertflut von 2013 für den Freistaat mit sich brachte, verursachen schnell Kosten in Milliardenhöhe.
Warum man nirgendwo wirklich sicher ist
Viele Menschen, die abseits von Gewässern leben, wiegen sich in trügerischer Ruhe: „Wo kein Fluss ist, kann mir auch kein Keller volllaufen.“ Das ist zwar nicht ganz falsch, aber weit davon entfernt, richtig zu sein. Um das zu erklären, muss man nur einen erneuten Blick auf die Hochwasserarten werfen.
Flusshochwasser können auch Orte bedrohen, die kilometerweit von jeglichem Wasserlauf entfernt sind. Als etwa während des Elbehochwassers 2013 in dem Örtchen Fischbeck (Sachsen-Anhalt) ein Deich brach, wurden auch Orte in Mitleidenschaft gezogen, die weit davon entfernt lagen.
Dabei muss man sich ein Flusshochwasser wie eine Welle vorstellen. An irgendeinem Punkt an einem Fluss, der besonders betroffen ist, steigt der Pegel rasant an. Und dieses örtlich begrenzte Hochwasser drückt sich dann wellenförmig flussabwärts. Nun ist diese Welle teilweise kilometerlang, weshalb sie dem menschlichen Auge nicht so auffällt wie eine Strandwelle, doch der Effekt ist der gleiche.
Kritisch wird es in Gebieten, in denen mehrere Flüsse zusammenlaufen. Dann können sich deren „einzelne Hochwasser“ aufaddieren und abwärts des Zusammenflusses für sehr großflächige Schäden sorgen.
Und Fluten nach Gewitterstürmen können sowieso überall vorkommen, auch wenn wirklich kein Wasserlauf in der Nähe ist. Im Gegenteil: Die Abwesenheit eines regulierenden Wasserlaufs vergrößert sogar noch das Risiko, weil sich nichts in der Nähe befindet, das diese schlagartig auftretenden Wassermassen aufnehmen könnte.
Wo ist man besonders gefährdet?
Wie das vorherige Kapitel beschreibt, gibt es keinen Ort, an dem man wirklich sicher vor Überflutungen ist, allerdings gibt es einige Faktoren, die dazu beitragen. Diese errechnen sich sowohl aus Ereignissen der Vergangenheit, als auch dem Ist-Zustand:
- Nähe zu Gewässern
- Schäden in der Vergangenheit
- Lage in einem Überflutungsgebiet
- Vorhandene Hochwasserschutzeinrichtungen
- In der Vergangenheit übergelaufene Kanäle
- Rückstau in der Vergangenheit
- Lage in einer Senke (sowohl das Grundstück selbst als auch der Ort)
- Hanglage
- Feuchtigkeit im Keller durch Grundwasser
Aus all diesen Faktoren lässt sich ein Risikofaktor für einen Ort oder auch ein einzelnes Gebäude ermitteln, der sich im sogenannten Hochwasserpass widerspiegelt.
Und natürlich liefert auch das Internet weitere Hilfestellungen in Form der Karte der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Auf dieser lassen sich für jeden Ort in ganz Deutschland selbst noch für den kleinsten Fluss und Bach die potenziellen Überflutungszonen anzeigen und somit die Wahrscheinlichkeit, dass das eigene Häuschen irgendwann ausgepumpt werden muss, ermessen.
Wie man sich selbst vor Hochwasser schützen kann
Das perfekte, absolut hochwassersichere Haus steht mindestens zehn Kilometer vom nächsten Bachlauf entfernt auf der Spitze eines Hügels, der aus einem weiten, flachen Land herausragt, hat ein groß dimensioniertes Regenrinnensystem und ist an ein ebenso mächtiges Kanalnetz angeschlossen. Da ein solches Haus aber in den meisten Fällen Theorie bleiben wird, gibt es Maßnahmen des persönlichen Hochwasserschutzes, die man ergreifen sollte – zumindest wenn die unmittelbare Lage bereits in der Vergangenheit mit Fluten zu kämpfen hatte.
- Ein relativ hoher, nicht bis zur Decke im Boden steckender Keller, der vollständig gefliest ist, über verschließbare Ablaufgitter im Boden verfügt und durch eine absolut wasserdichte Wanne vom Erdreich entkoppelt ist.
- Ein ausreichend großer Dachboden, der notfalls alles, was im Keller gelagert ist, aufnehmen kann. Hier sollte auch der Haussicherungskasten hängen, der Keller und Außenbereich unabhängig vom restlichen Haus abtrennen kann.
- Ein Stromerzeuger-Aggregat mit genügend Treibstoff, zwei leistungsstarke Tauchpumpen (müssen schmutzwassergeeignet sein) sowie ausreichend lange Schläuche, Verlängerungskabel und wasserdichtes Elektro-Klebeband.
- Wasserdichte Sandsäcke aus Kunststoff, Schaufeln, Bretter und Nägel, mit denen Kellerfenster und Hauszugänge im Notfall abgedichtet werden können. Wichtig: Eine Sandsack-Lage ist rund zehn Zentimeter dick, pro Quadratmeter benötigt man also acht bis zehn Säcke.
Und dann gilt es, jeden Tag den Wetterbericht zu verfolgen – denn zumindest Flusshochwasser entstehen nicht von heute auf morgen, sondern über mehrere Tage oder gar Wochen hinweg.
Gibt es dann erste Anzeichen dafür, dass die Pegel über Gebühr anschwellen könnten, sollten auf der Webpräsenz der für die eigene Region zuständigen Wasserbehörde die Pegelstände im Auge behalten werden. Der wichtigste Anlaufpunkt ist der Hochwassernachrichtendienst Bayern, der für alle größeren und kleineren Flüsse die Pegelstände laufend überwacht. Und sollte man in einer der Risikozonen liegen, die weiter oben auf der Karte der Bundesanstalt für Gewässerkunde genannt wurden, ist es dann Zeit, zumindest den Keller leerzuräumen und die Sandsäcke und das Werkzeug bereitzulegen.
Geht es jedoch um die Gefahr vor Sturzfluten, so kann man sich weit weniger gut vorbereiten. Grundsätzlich sollte man zwar beim Regionalwetter auf die Worte „Gewitter“ und „Niederschläge“ lauschen, doch ist spätestens seit den Sturzfluten im Frühjahr und Sommer 2016 bekannt, dass selbst die Wetterdienste aus falscher Fürsorge vor Panikmache zu spät oder zu unzureichend warnen.
Aus diesem Grund sollte man an solchen Tagen, an denen mit Gewittern zu rechnen ist, seine eigenen Sinne voll schärfen und auf die typischen Vorboten solcher Starkwetterereignisse achten:
- Hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit (Schwüle)
- Plötzlich stark auffrischender Wind
- Bildung von kleinen Haufenwolken am Vormittag, die sich allmählich zu einem blumenkohlartigen Gebilde verschmelzen.
- Schnell fallendes Barometer, das plötzlich wieder steigt
- Wetterleuchten bzw. Donnergrollen in der Ferne
- Kribbelndes Gefühl auf der (Kopf-) Haut
Wenn diese Vorzeichen eintreten, dann ist zumindest höchste Vorsicht geboten. Als erste Maßnahme sollte man sich dann soweit wie möglich von typischen „Flutgassen“ entfernen, also beispielsweise engen, bergab führenden Straßen, Hohlwegen usw.
Normalerweise schützt ein Auto aufgrund seiner Eigenschaft als faradayscher Käfig gut vor Gewittern. Gegen Sturzfluten sind Fahrzeuge jedoch machtlos. Deshalb, sobald man sich im Falle von Hochwasser in einem gefährdeten Gebiet befindet, am besten die oberen Stockwerke von festen Gebäuden aufsuchen.
Fazit
Es gibt keinen Ort in Bayern, der hundertprozentigen Hochwasserschutz bietet. An allen Flüssen und auch weit entfernt davon kann es passieren und Sturzflutgefahr besteht zudem überall. Verhindern lässt sich alleine schon deshalb nichts, weil die versiegelten Flächen nun mal nicht zurückgebaut werden können. Deshalb ist es wichtig, zumindest vorbereitet sein und auf die Vorzeichen zu achten.