Straubing/Niederbayern. Social-Media-Kanäle wie Facebook und Twitter stellen inzwischen eine eigene, virtuelle Welt dar. Sie sind mediale Plattformen, die sowohl im positiven als auch negativen Sinne genutzt werden können. Aktuelles (Negativ-)Beispiel ist die Meldung eines Regeners, der jüngst bei Facebook einen Post absetzte, dass Ausländer mit weißem Turban Kinder mit Süßigkeiten anlocken wollen. Dieser – wie sich später herausstellte – sogenannte Hoax verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Social Web. Um solche Meldungen wahrnehmen, aber auch um beispielsweise Fahndungen effektiver gestalten zu können, hat das Polizeipräsidium Niederbayern vor rund einem Monat eine eigene Facebook-Seite ins Leben gerufen. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht Michael Emmer vom polizeilichen Social-Media-Team über dieses Projekt.
Herr Emmer, warum hat sich das Polizeipräsidium Niederbayern dazu entschlossen, einen eigenen Facebook-Kanal ins Leben zu rufen?
Die Erfordernis ergab sich nicht zuletzt aus polizeilichen Erfahrungsberichten von Verbänden, die bereits seit längerer Zeit online gegangen sind, wie z. B. die Polizeipräsidien München, Oberbayern-Süd und das Bayerische Landeskriminalamt. Aber auch die Amok- bzw. Terrorlagen in Bayern in der vergangenen Zeit haben uns in unserer Sichtweise bestärkt. Außerdem ist zu bemerken, dass wir nicht nur einen Facebook-, sondern auch einen Twitterkanal nutzen. Nicht zuletzt waren es mehrere Vorfälle – auch in Niederbayern -, in deren Folge in den Netzwerken zum Teil mit den wildesten Gerüchten spekuliert, diskutiert und kommentiert wurde. Hätten wir hier bereits die Sozialen Netzwerke nutzen können, hätte so manche Spekulation richtig gestellt werden können.
„Wichtige Infos für Bürger, Journalisten und Kollegen“
Was erhofft man sich mit diesem Social-Media-Auftritt?
Zum einen wollen wir der Öffentlichkeit die Polizeiarbeit näher bringen. Es können über unsere Accounts schnell, unbürokratisch und ungefiltert wertvolle Infos weitergegeben werden. Einen besonderen Nutzen erhoffen wir uns im Bereich „Fahndung“ bzw. „Hinweise aus der Bevölkerung“. Innerhalb kürzester Zeit können uns die Bürger bei der Suche nach Tatverdächtigen oder Vermissten helfen. Aber auch im Bereich der Präventionsarbeit auf dem Verkehrs- oder Kriminalitätssektor können Soziale Netzwerke sehr sinnvoll eingesetzt werden. Dass hier auch nette, kuriose und bunte Geschichten mit Polizeibezug zu finden sein werden, versteht sich von selbst. Den Twitterkanal werden wir hauptsächlich im Einsatzgeschehen nutzen und hier kurz und bündig, in rascher Zeitfolge, über den Einsatzverlauf berichten – wie beim Gäubodenvolksfest, Karpfhamer Fest und politischem Gillamoos-Montag. Nicht nur die Öffentlichkeit und die Journalisten werden dadurch sehr aktuell auf dem Laufenden gehalten, sondern auch unsere Kollegen selbst.
Hat die Polizei Niederbayern nicht ein bisschen spät erkannt, welch große Rolle die Sozialen Netzwerke inzwischen spielen?
Das würde ich so nicht sagen wollen. Wir haben nach dem Ballungsraumpräsidium München und dem Präsidium Oberbayern-Süd, die aufgrund des G7-Gipfels einen Social-Media-Account eingerichtet haben, kurz nach dem Bayerischen Landeskriminalamt dem Betrieb als viertes Polizeipräsidium in Bayern im August dieses Jahres aufgenommen. Im Vorfeld war selbstverständlich hinsichtlich konzeptioneller Arbeit sowie Beschaffung von Hard- und Software einiges vorzubereiten. Hospitationen bei bereits online gegangenen Präsidien zeigten sich äußerst gewinnbringend. Ebenfalls darf nicht unerwähnt bleiben, dass natürlich auch die Personalrekrutierung ein Thema war, mit dem man sich intensiv befassen musste.
Folgen denn nun auch einzelne Inspektionen und Dienststellen mit eigenen Facebook-Auftritten?
Diese Frage kann kurz und bündig mit Nein beantwortet werden. Die Niederbayerische Polizei betreibt in den Räumlichkeiten des Polizeipräsidiums Straubing lediglich einen Facebook- und einen Twitterkanal für den gesamten Verband – einschließlich aller niederbayerischen Dienststellen. Wir haben uns als Social-Media-Team auf die Fahnen geschrieben, dass wir sehr viel in den Regionen unterwegs sein und die Basisarbeit aller unserer Beschäftigten nicht außer Acht lassen werden. Dazu sind wir aber auch auf Informationen der Mitarbeiter vor Ort angewiesen. Das wird sich definitiv nach und nach immer besser einspielen.
„Bei Notrufen weiterhin die Nummer 110 nutzen!“
Welche Inhalte werden auf der Seite gepostet?
Nachfolgend exemplarisch einige Beispiele. Bei Facebook: Zeugenaufrufe zu aktuellen Fällen, Fahndungen, Themen zur Verkehrs-, Jugend- bzw. Kriminalprävention, polizeiliche Nachwuchswerbung, im Ausnahmefall Parallelveröffentlichung von Pressemeldungen, bunte und kuriose Geschichten aus dem Polizeialltag, tagesaktuelle Themen – zum Beispiel Urlaubsverkehr, Grill- bzw. Badeunfälle, Sicher zur Schule, Wachsamer Nachbar, Haustürgeschäfte, Rettungsgasse, Darknet, Waffenrecht, Pyrotechnik, Motorradfahrer usw.
Bei Twitter: Einsatzbegleitende Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise bei folgenden Veranstaltungen: Größere Volksfeste (Straubing, Karpfham, Landshut, Passau), Hochwasserthematik, Migrationsthematik, politischer Aschermittwoch, Landshuter Hochzeit, Elefantentreffen Solla, Demonstrationsgeschehen usw. Selbstverständlich wird dieses Medium auch bei polizeilichen Groß- bzw. Sonderlagen zum Einsatz kommen.
Ist gar eine Art Notruf per Facebook möglich?
Weder das Absetzen von Notrufen noch die Möglichkeit, Anzeigen über polizeilichen Plattformen zu erstatten, ist möglich. Darauf weisen explizit unsere jeweiligen Startseiten bei Facebook und Twitter hin. Wer einen polizeilichen Notruf abzusetzen hat, muss unbedingt die Nummer 110 wählen. Anzeigen von Bürgern in weniger dringlichen Fällen werden gerne von den jeweiligen Dienststellen aufgenommen. Hinsichtlich dieser Vorgehensweisen wird sich in naher Zukunft auch nichts verändern.
„Eventuell führt ein Weg zurück zum Pressesprecher“
Sie waren vorher als Pressesprecher der Polizei Niederbayern der Öffentlichkeit bekannt, nun haben Sie die Projektleitung des Facebook-Auftritts übernommen. Welche Überschneidungen gibt es?
Die jahrelange Arbeit als polizeilicher Pressesprecher hat sich als sehr gewinnbringend für die Arbeit in den Sozialen Netzwerken erwiesen. Sowohl rechtliche Vorkenntnisse als auch der unkomplizierte und unbürokratische Umgang mit Menschen und insbesondere vielen Medienvertretern und Journalisten erleichtern die Arbeit im Social-Media-Bereich immens.
Überschneidungen gibt es tagtäglich, liegt doch das neue Betätigungsfeld sehr nah an der klassischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dran. Hier erleichtert die jahrelange Erfahrung und auch die im Laufe der Zeit zahlreich geknüpften Kontakte die Arbeit enorm. Diese wertvolle Erfahrung und diese Vorkenntnisse aus dem Pressegeschäft versuche ich auch sehr rasch an meine beiden Kollegen, Ellen Simmerl und Imad Sammar, weiterzugeben. Unser Trio hat auf alle Fälle sehr viel Tatkraft, Elan, Freude und Spaß an der Arbeit – was jedoch nicht ausschließt, dass es für mich persönlich irgendwann mal wieder einen Weg zurück zum Pressesprecher geben könnte.
Vielen Dank für das Interview – wir wünschen Ihnen alles Gute.
Interview: Helmut Weigerstorfer