Freyung. Auch wenn ihm der Abschied aus der Waldmünchener Jugendbildungsstätte nicht gerade leicht gefallen ist – Martin Wagner ist froh und dankbar, dass er seit April wieder in heimischen Gefilden leben und arbeiten kann. Der 34-Jährige spricht dabei von einem „wahren Glücksfall“. Und als gebürtiger Freyunger dürfte der neue Geschäftsführer des Kreisjugendrings (KjR) definitiv keine Eingewöhnungsschwierigkeiten haben – auch wenn er sich freilich erst einmal orientieren und die heimischen Strukturen der Jugendarbeit kennenlernen muss. Netzwerken steht deshalb ganz oben auf seiner To-Do-Liste – „weil’s wichtig ist, um gemeinsam Projekte auf den Weg zu bringen“. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n gibt sich Martin Wagner offen und sympathisch, berichtet über die Umstände, wie es zu seiner Rückkehr in den Woid gekommen ist, spricht über seine Aufgaben und Ziele – und erklärt, warum sich Smartphone und ein Spaziergang in der Natur nicht ausschließen müssen.
Herr Wagner: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie nach Ihrer Zeit in Waldmünchen wieder nach Freyung zurückkehren?
Geplant war’s ja schon länger, dass wir, das heißt meine Frau Martina und ich, nach Freyung gehen. Im vergangenen Jahr war der Freyunger Stadtrat auf Klausur in Waldmünchen. Dabei stand auch die Besichtigung der Jugend-Bildungsstätte auf dem Programm, bei der ich die Hausführung übernommen hatte. War auch nett, wieder zwei meiner ehemaligen Lehrerinnen zu treffen…
Ich hab dann auch Bürgermeister Heinrich über meine Freyung-Pläne informiert, der sich gleich sehr begeistert davon zeigte. Er hatte mir seine Unterstützung zugesagt – wenn sich eine Stelle auftun sollte, gibt er mir Bescheid. Und wie’s der Zufall wollte, wurde die Geschäftsführerstelle des Kreisjugendrings nur wenige Wochen später ausgeschrieben. Auch meine Frau, eine studierte Pädagogin, hat kurz darauf ein Jobangebot in Freyung entdeckt: beim Kreiscaritasverband, als Betreuerin einer Wohngruppe von unbegleiteten Minderjährigen.
Chancen, die sich für uns sicherlich in der Form nie wieder ergeben hätten. Wir haben uns dann auf die Stellen beworben – und für uns beide ging’s am Ende positiv aus. Wir haben die Entscheidung auf keinen Fall bereut, auch wenn der Abschied von Waldmünchen uns beiden nicht leicht gefallen ist.
„Bildung und Jugendarbeit ist nichts als Beziehungsarbeit“
Mit welchen Aufgaben sind Sie als neuer Geschäftsführer des KJR betraut?
Überwiegend mit der Planung und Durchführung von Projektarbeiten sowie der Erstellung des Ferienprogramms. Neu für mich ist die Verbandsarbeit: Dabei gehört es zu meinen Aufgaben, den Kontakt mit Vereinen und Verbänden wie Feuerwehren, Jugend-Rot-Kreuz oder der Sportjugend zu suchen, die etwa Schulungsbedarf ihrer ehrenamtlichen Jugendleiter haben. Oder sie Beratung in rechtlichen Angelegenheiten benötigen.
Zudem habe ich mir vorgenommen, in nächster Zeit die Öffentlichkeitsarbeit weiter auszubauen. Dazu gehört auch die Weiterentwicklung der Homepage, wo noch mehr Informationen zu unserer Arbeit und einzelnen Aktionen zu lesen sein werden. Gerne möchte ich auch einen Newsletter für die Verbände einrichten, um den Kontakt weiter zu verbessern.
Ansonsten sind wir bemüht, die Zahl der Betreuer für die Ferienangebote zu erweitern, etwa durch gezielte Werbung an den Schulen im Landkreis. Aktuell haben wir 38 Betreuer im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Darunter sind viele Schüler. Die Betreuer bekommen regelmäßig Schulungen, lernen wie man sich als Aufsichtsperson verhält, wie man mit Gruppen umgeht.
Gute Jugendarbeit funktioniert nur über guten Dialog mit Jugendlichen – würdest Du dem zustimmen?
Grundsätzlich stimme ich dem zu, ja. Mir ist von meiner vorherigen Wirkungsstätte vor allem ein Leitsatz in Erinnerung geblieben: Bildung und Jugendarbeit ist im Grunde nichts als Beziehungsarbeit. Es geht also darum, eine positive Beziehung zu den Menschen aufzubauen, mit denen man tagtäglich zu tun hat. Im Optimalfall respektieren Dich die Leute dann – und halten Dich auch für kompetent und authentisch. Der Dialog ist hierbei sehr wichtig. Wenn Du als Betreuer, Gruppenleiter oder auch als Lehrer nicht akzeptiert bist und somit auch keine gute Beziehung zu Deinen Schutzbefohlenen hast, dann werden diese auch nicht viel von Dir lernen. Davon bin ich überzeugt.
Ich richte mein Arbeit auch nach dieser Philosophie aus. Ich habe mich immer um eine positive Beziehung zu den Menschen in meinem Umfeld bemüht – egal ob Kollegen, Kooperationspartnern oder Schülern.
Verständnis und Empathie gehören zum A und O der Jugendarbeit
Wer ist eigentlich für den Job in der Jugendarbeit geeignet?
Derjenige, der grundsätzliches Verständnis und Empathie für sein Gegenüber mitbringt. Der erkennt, was im Jugendlichen gerade vorgeht. Es geht um die Frage: Was braucht der Jugendliche gerade? Oftmals denkt man sich als Erwachsener die tollsten Aktionen aus – doch das komplett an der Realität der Jugendlichen vorbei. Immer wieder heißt es etwa: Die jungen Leute sollen rausgehen und die Natur wiederentdecken und ihre Handys und Medien komplett weglegen. Da denk ich mir dann schon auch: Medien gehören nun mal heutzutage zum Leben mit dazu. Insofern gilt es zu schauen, wie die beiden Dinge, Natur und Medien, unter einen Hut gebracht werden können.
Wie schafft man das?
Ein Beispiel, das ich schon mit einer Gruppe Jugendlicher durchgeführt habe, sind etwa die sogenannten GPS-Ralleys. Dabei wird zum einen das technische Spielzeug , das GPS-Gerät, genutzt – zum anderen bewegen sich die Teilnehmer frei in der Natur. Und das kommt recht gut an. Ich hab von Eltern etwa gehört: Seitdem mein Sohn die GPS-App auf dem Handy installiert hat, macht ihm sogar Spazieren gehen wieder Spaß. Auch über diese Schiene ist Jugendarbeit möglich. Eine GPS-Rallye, kombiniert mit Naturfragen.
Sehen Sie den heutigen Handy- und Smartphone-Konsum der Jugendlichen als Gefahr? Wie schätzen Sie dies ein?
Grundsätzlich empfinde ich es als schwierig, wenn man bei neueren Technologien sofort von einer Gefahr spricht. Ich denke, man soll zuerst mal beobachten, was sich verändert – ohne dies zunächst großartig zu werten. Dass sich Dinge verändern, war schon immer so – die Frage ist, wie man damit umgeht. Ein Zuviel von etwas ist sicher nie optimal – der Auftrag von Jugendarbeit ist dann auch, dass man sich den jungen Leuten darüber spricht.
Die Kommunikation hat sich in den letzten Jahren permanent verändert – aber das heißt nicht, dass die Jugendlichen nicht mehr miteinander reden, nur weil sie heute öfters ins Handy schauen.
„Die Kunst besteht darin, den Nerv junger Leute zu treffen“
Sind junge Leute heutzutage eigentlich noch begeisterungsfähig?
Ja, ich denke, dass sie begeisterungsfähig sind – die Kunst besteht darin, den Nerv zu treffen. Beim aktuellen Ferienprogramm haben wir schon mehrere Rückmeldungen bekommen – das heißt: Die meisten Punkte werden ganz gut nachgefragt. Tagesausflüge nach München in die Allianz-Arena kommen etwa besonders gut an – auch die Camps sind schon fast ausgebucht. Ich bin überzeugt, dass wir bis zu den Sommerferien alle Angebote belegt haben.
Bei der Projektarbeit ist es wichtig, den Jugendlichen zu vermitteln, dass das Projekt ‚ihr Ding‘ ist. Sprich: Sie sind hauptverantwortlich für die Ausgestaltung und Umsetzung. Sie können nachfragen – aber letztendlich sollen sie ihre eigenen Ideen verwirklichen. Das ist entscheidend.
Die Frage an den Pädagogen Wagner: Wird heutzutage das Wissen und der Lernstoff an den Schulen noch zeitgemäß vermittelt?
Das ist meiner Meinung nach sehr stark von der Schule selbst abhängig, von der Frage, welche Philosophie das Lehrerkollegium verfolgt. Da gibt es durchaus Unterschiede, was etwa neue Unterrichtsmethoden oder Projektarbeiten anbelangt. Ich denke aber auch, dass eine Schule das gesamte Spektrum an Methoden leisten kann, weil aus meiner Sicht der Lehrplan schon sehr voll ist.
Mein ganz persönlicher Eindruck ist, dass alles immer mehr auf die Anforderungen der Leistungsgesellschaft hinausläuft. Dass die jungen Leute heute so schnell wie möglich funktionieren müssen, damit sie für die Wirtschaft gewinnbringend sind.
Schule und Außerschulisches kann nebeneinander funktionieren
Das Gymnasium wurde verkürzt, das Studium hat man mit der Einführung von Bachelor und Master ebenfalls verkürzt. Die Leute sind heute teilweise mit 21 Jahren mit dem Studium fertig – doch am Ende will nicht einmal mehr der Staat diese jungen Absolventen einstellen. Begründung: zu wenig Lebenserfahrung, fachlich zu wenig ausgebildet. Das ist bedenklich. Auch wenn man das straffe Freizeitprogramm von Jugendlichen heute aufgrund der vielen zu leistenden Schulstunden betrachtet – hier passiert vieles aus reinem Aktionismus, in der Hoffnung, dass sich das dann gut im Lebenslauf macht.
Doch es braucht außerschulische Aktivitäten. Es braucht dies als Ergänzung zur Schule, die ich nicht schlecht machen möchte. Beides kann nebeneinander existieren – es gibt viele Kooperationsmöglichkeiten. Ich würde es andererseits auch nicht gut finden, wenn es nur das Außerschulische geben würde, nur Projektarbeiten und freies Schaffen.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.
Interview: Stephan Hörhammer