Srní. Seine ungewöhnliche Marmelade hat „das Mädchen aus dem Böhmerwald“ in der Welt bekannt gemacht. Naturreine Marmelade, die inzwischen bis an den britischen Königshof vorgedrungen ist, wo die Queen sich gerne mal mit den Delikatessen aus Tschechien das Frühstück versüßt. Den Thron der Marmeladenkönigin hat Blanka Milfaitová zum ersten Mal im Jahr 2013 bestiegen, als sie bei den „World Marmelade Awards“ zwei Goldmedaillen für ihre Zitronen-Konfitüren-Kreation gewann. Auch 2014 und 2015 stand die 38-jährige Böhmerwäldlerin erneut ganz oben – und schaffte somit den Hattrick. Seit diesen Erfolgen hat sie sich vor allem in die Herzen ihrer Fans geschrieben, denn: Blanka Milfaitová ist auch Schriftstellerin. Im Dezember 2014 erschien ihr erstes Buch („Die Geschichte wirklicher Leidenschaft“) – kein Kochbuch, sondern ein Buch über ihr Leben und ihren Werdegang als mittlerweile selbständige Unternehmerin. Mit Bescheidenheit, Fleiß, Begeisterung und viel Optimismus hat sie sich international (u.a. mit Geschäften in London, Rom und Zürich) einen Namen gemacht.
Trotz aller Erfolge, hinter denen viel harte Arbeit, Schweiß und Tränen stecken, ist sie dabei immer auf dem Boden der Realität geblieben – und hat sich heute auf eine kleine Manufaktur mit einer Auswahl erlesener Kunden beschränkt. Was sich in ihrem Leben so alles verändert hat, hat Blanka Milfaitová, die auf Sizilien lebt und sich derzeit auf großer Marmeladen-Expedition befindet, jüngst unserem tschechischen Partnerblog www.sumava.eu berichtet.
„Ein Buch, das einen zum Nachdenken anregen soll“
Blanka, zunächst einmal: Liebe Grüße aus dem Böhmerwald, wo teilweise noch Schnee liegt. Wo in Europa befinden Sie sich gerade – und was ist das Ziel Ihrer Expedition?
Vielen Dank und liebe Grüße zurück in meinen geliebten Böhmerwald. Das Ziel meiner Reise ist es, Marmelade aus all den typischen Früchten zu kochen, die ich auf meiner Tour in den jeweiligen Regionen vorfinde. Außerdem will ich interessante Gasthäuser besuchen sowie Rezepte und Geschichten sammeln, die dann in meinem nächsten Buch, das im Oktober erscheinen soll, veröffentlicht werden. Eigentlich nichts Neues im Vergleich zu meiner vorherigen Expedition – mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal nicht mit dem großen Wohnmobil unterwegs bin, sondern mit meinem Volvo. Denn ich möchte gerne auch Orte aufsuchen, die nicht ganz so einfach zu erreichen sind. Das neue an dieser Tour ist, dass ich vor allem auch die südlich gelegeneren Inseln abgrase. Wir sind zu viert unterwegs und bereiten jeden Monat ein Expeditionsvideo vor.
Ihr erstes Buch wurde zum Bestseller. Erzählen Sie uns doch noch ein bisschen mehr von Ihrem geplanten Nachfolgewerk.
Es ist eine Mischung aus Reisebericht, Rezepten und Begebenheiten in verschiedenen Kneipen, in die ich mich auf meiner zweiten Expedition begeben habe. Aber es ist auch ein Buch, das einen zum Nachdenken anregen soll, zum Schmunzeln, zum Augen schließen und zum Träumen. In meiner zweiten Geschichte erfahren meine Leser zudem noch mehr über das Mädchen aus dem Böhmerwald.
Während Ihrer ersten Reise haben Sie Ihr Kind geboren. Unterhalb eines Vulkans. Das war sicherlich ein freudiges Ereignis, als Ihre Tochter Mia Ronja das Licht der Welt erblickte. Wie erging es Ihnen dabei?
Die Angst vor der Geburt – das bin nicht ich. Ich habe mich auf das Kind gefreut – und ich weiß, dass früher alle Frauen ihre Kinder auf dem Feld geboren haben, mehr oder weniger während der Arbeit. Wir waren für Fotoarbeiten auf dem Vulkan Ätna, einen Tag bevor mein Kind zur Welt kam. Ja, ich bin eine zähe Frau. Die Geburt fand dann in einem sizilianischen Krankenhaus statt. Was dort an Komfort fehlte, haben die Leute um mich herum ersetzt. Ich habe dort meine zweite Familie gefunden.
„Ich bin zu Hause… überall da, wo meine Familie ist“
Hat die Geburt der kleinen Mia Ihre Reisepläne durcheinander gebracht?
Wir hatten unsere Reise für zwei Tage unterbrochen. Aktuell sind wir in Andorra, wo ich meinen ersten Youtube-Film drehe. Danach geht’s weiter nach Barcelona, dann auf die Balearen-Inseln, wo wir ein weiteres Kapitel für mein Buch schreiben und natürlich Marmelade machen werden. Unsere Tour hat im September 2015 auf Sansibar und in Tansania begonnen. Danach folgten Malta im Januar, die Äolischen Inseln im Februar und, wie gesagt, die Balearen im März. Weiter geht’s im April auf Zypern und Kreta, im Mai auf die Château d’If und die Frioul-Inseln, im Juni auf die Cook-Inseln nach Polynesien, im Juli sind wir auf Island, den Färöer-Inseln und der Ilse of Man, im August kommen die Hebriden, die Orknay-Inseln und die schottischen Shettland-Inseln, im September geht’s nach Vesteral in Norwegen sowie nach Alandy in Schweden.
Wollen Sie denn irgendwann auch wieder mal nach Hause in den Böhmerwald zurückkommen? Oder bleiben Sie lieber in Sizilien, wo sie Ihre neue Familie gefunden haben?
Nach Hause? Ich bin zu Hause… überall da, wo meine Familie ist. Es ist egal, wo wir gerade sind – wichtig ist nur, dass wir zusammen sind. Der Böhmerwald ist meine Heimat, aber unsere Heimat ist auch unser Wohnmobil. Früher war es Afrika, heute ist Sizilien mein Winterdomizil. Wir verbringen hier eine schöne Zeit, wir sammeln Früchte, werfen Steinchen ins Meer – das magt Eliška am liebsten – und dieses Jahr wurde hier Ronja geboren. Ich mag Sizilien, denn: Die Sizilianer überraschen mich jeden Tag aufs Neue. Sie vergeuden ihre Möglichkeiten, sie sind unordentlich und nicht allzu zuverlässig. Aber ich mag sie.
Wie viele Menschen nehmen an Ihrer Expedition teil?
In unserem Team sind vier Leute. Und Mutti – das bin ich – bereitet das Frühstück, das Mittagessen und das Abendsessen zu, sammelt Füchte für die Marmeladen und kocht sie ein, Mutti macht die Wäsche, bügelt, kauft ein, wäscht die Kinder und manchmal auch den Partner, leitet das Expeditionsteam, schreibt das Buch, tauscht sich mit Journalisten und Fans aus, macht sauber – und lächelt immerzu freundlich. Unsere Kinder stehen an erster Stelle und sie fragen zumeist nach der Mutti, wenn es ein Problem gibt. Und Vati? Der muss eigentlich immer nur wissen, wo die Mutti gerade ist, die dann alles erledigt. Wir sind ein Team…
„Bei vielen steht der Preis an erster Stelle, nicht die Qualität“
Welche neuen Erkentnisse haben Sie in Sachen Marmelade bereits sammeln können? Wo waren Sie bisher am erfolgreichsten?
Ich koche manchmal heimlich ein bisschen Marmelade für meine Familie ein. Leute sind hungrig und erfinderisch. Ich habe aber keinen Überblick über meine Erfolge. Ich weiß nicht, wo meine Notizen gerade sind. Ich koche, weil ich es mag. Und ich verkaufe die Marmeladen-Kreationen meiner Expeditionen nicht, weil ich den Preis nicht kenne – die Kosten wären ohnehin zu hoch.
Wenn Sie kurz zurückliblicken: Was haben Sie im letzten Jahr alles erreicht?
Zwischen der afrikanisch-europäischen Expedition und meiner Inseltour habe ich nicht allzu viel geschafft. Zwei Buchpräsentationen in Böhmen und Mähren, dazu ein paar Buch-Besprechungen. Sechs Monate war ich dann auf der EXPO in Mailand. Ach ja: Und ich war schwanger (lacht).
Nich allzu viel? Okay… zurück zur Marmelade. Jedes Land hat seine verschiedene Geschmäcker und Vorlieben. Gibt es einen Unterschied zwischen tschechischen, deutschen, franzözischen, englischen oder anderen Konsumenten?
Obwohl wir immer wieder mal in verschiedenen Magazinen lesen können, dass sich die Verpflegungskultur verbessert hat, glaube ich nicht daran. Bei vielen Menschen steht der Preis an erster Stelle, nicht die Qualität. Dabei ist es egal, ob wir über Marmelade oder Brot sprechen, oder über Speisen im Restaurant. Im Ausland hingegen achten Leute mehr auf Qualität. Oder anders gesagt: Wenn sie sich ein Smartphone, Auto, Kleidung, Alkohol und Zigaretten leisten können, dann müssen sie auch Geld für Essen haben. In Tschechien haben wir dieses Verhältnis nicht. Anderswo sind die Leute auch selbstsicherer, das heißt: Wenn etwas unessbar ist, kaufen es die Leute nicht – oder geben des wieder zurück. Und dann gehen sie das nächste Mal eben woanders hin – das ist eine Art natürliche Selektion.
Die nationalen Geschmäcker existieren definitiv. Auf meiner Expedition habe ich Rezepte mit Grapefruit und Kumquat gefunden – oder Marmeladen, die aus den süßesten Orangen und Wein hergestellt worden sind. Ich freue mich über jedes regionale Produkt. Sie sind alle eine echte Gabe.
„…doch den Böhmerwald trage ich immer in meinem Herzen“
Welche Geschmacksrichtungen haben Sie entdeckt? Welcher Geschmack war am merkwürdigsten? Was war die sonderbarste Marmelade, die sie hergestellt haben?
Die Variationen waren unglaublich vielfältig. Zum Beispiel haben wir eine Marmelade aus gekochter Distel hergestellt. Mit Zitrone und Knoblauchzehen. Vermengt mit reichlich Olivenöl. Ein bisschen Salz dazu, aber keine Gewürze oder Kräuter. Arme, sizilianische Küche. Unsere derzeitige Expedition steht ja noch am Anfang, wir haben bisher drei von 17 Reisezielen besucht. Die bis dato besten Marmeladenvariationen kommen aus Tansania. Ich dachte bis dahin, dass ich mich mit Früchten gut auskenne – doch dort habe ich erkannt, dass ich wohl nur ein Laie bin. So viele, so unglaublich viele Sorten! Jackfruit-Marmelade aus dem Brotfruchtbaum etwa – die schmeckt ganz ausgezeichnet!
Gibt es etwas Böhmerwäldlerisches, das Sie auf Sizilien vermissen?
Den Böhmerwald vermissen wir jeden Tag. Ich habe mein Haus auf Sizilien, wir verbringen hier eine sehr schöne Zeit. Ich habe viele Länder durchreist, doch den Böhmerwald trage ich immer in meinem Herzen.
Sie haben viele Leute kennengelernt – gewöhnliche und ungewöhnliche. Sie haben auch viele Kulturen gesehen. Wenn sie Europa mit Tschechien vergleichen – wie ist Ihre Meinung zur momentanen Flüchtlingssituation?
Ich habe die Flüchtlingslager in Süd-Europa und in Calais gesehen. Ich habe die Verzweiflung und die Angst der Menschen gesehen. Und offen gestanden möchte ich nicht über dieses Thema sprechen. Es quält mich zu sehr. Was ich dazu sagen will: Ich habe mich in vielen unterschiedlichen Kulturen und Religionen bewegt und habe mich immer an das antike Recht gehalten: ‚in Rom ein Römer sein‘.
Blanka, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Glück, Erfolg und viele neue Rezeptideen auf Ihren Expeditionen.
Andrea Staňková, sumava.eu