Schönberg. Nein, die Lust am Morden wird ihnen nicht so schnell vergehen. Die Spannung, das Rätseln, das Ungewisse lässt sie einfach nicht mehr los. Gemeint sind Alexander Frimberger (51) aus Schönberg und Lothar Wandtner (50) aus Riedlhütte, die gemeinsam den Schönberger Buchladen betreiben. Doch nicht nur das. Mit der Erzengel-Reihe haben sich die beiden Autoren zuletzt überregional einen Namen gemacht. Und so ganz „nebenbei“ haben sie auch noch den Golbet Verlag gegründet, mit dem sie Bücher, die sich mit ihrer Heimat, dem Bayerischen Wald, beschäftigen, vertreiben.
Der eine, Frimberger, ein gebürtiger Münchener, hat sich erst als Jugendlicher für den Woid entschieden – sein Papa wurde damals Hausarzt in Schönberg; der Junior ging mit. Wandtner, der andere, ein gebürtiger Riedlhütter, ist seit jeher zwischen Viechtach und Passau heimisch. Kennengelernt in den Kneipen der Region vor mehr als 30 Jahren, eint die beiden die Liebe zum Woid und zur Literatur. Sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass Alexander Frimberger den Buchladen am Kirchplatz in Schönberg eröffnet hat. „Bei einem Anstandsbesuch zur Eröffnung sind wir schnell beim Thema Krimi gelandet – und irgendwie nicht mehr davon losgekommen“, erinnert sich Lothar Wandtner.
„Man lebt irgendwann mit den im Buch beschriebenen Leuten mit“
Mehr und mehr kristallisierte sich sodann heraus, dass beide den gleichen Schreibstil und auch den gleichen Blick auf Situationen und Personen haben. „Wir ergänzen uns einfach prima“, bringt es Frimberger auf den Punkt. Erste gemeinsame Buchprojekte ließen nicht lange auf sich warten. Die Erzengel-Reihe, in deren Rahmen der erst knurrige, später sanfter werdende Kommissar Ralf Bender im Bayerischen Wald ermittelt, machte die Autoren überregional bekannt. Die Belohnung für eine anstrengende, aber auch schöne Zeit. „16 Monate haben wir für Raphael, den ersten Krimi der Reihe, gebraucht. Wahnsinnig viel Zeit. Irgendwann lebt man mit den im Buch beschriebenen Leuten mit“, erzählt Frimberger begeistert. Und Wandtner ergänzt: „Zehn Seiten pro Tag sind das absolute Maximum. Danach geht gar nichts mehr.“
Zwei Autoren für ein Buch – das stellt man sich eher schwierig vor. Ist es aber nicht. Weder Frimberger noch Wandtner haben ein Spezialgebiet wie Anatomie, Ermittlungstaktik oder das Privatleben der Kommissare – jeder schreibt alles. „Wir besprechen zuerst die grobe Vorgehensweise, dann wechseln wir uns gegenseitig mit dem Schreiben ab – Szene für Szene“, erklärt Frimberger. „Wir sind da wie ein altes Ehepaar. Wir streiten eigentlich nie – und ergänzen uns recht gut.“ Das Schreiben ist beiden zwar nicht in die Wiege gelegt, dennoch begleitet es die ausgebildeten Redakteure schon seit ihrer Kindheit. „Die Schullektüren haben mich zum Beispiel überhaupt nicht interessiert“, erinnert sich Wandtner. „Da waren die Bücher meines Onkels schon interessanter.“
„Viele legen noch Wert darauf, ein Buch in der Hand zu halten“
Krimis, Romane, Kinderbücher – diese finden sich im Schönberger Buchladen wieder. Sechs Jahre bzw. 72 Monate, in denen sich dort viel verändert hat. Das herkömmliche Buch hat große Konkurrenz bekommen: PCs, Laptops, Spielekonsolen, Smartphone, Tablets – und vor allem E-Books. „Trotzdem hat sich am Leseverhalten unserer Kunden nicht viel verändert“, berichtet Lothar Wandtner, seit vergangenem Jahr gleichberechtigter Geschäftsführer des Buchladens. „Viele Leser legen einfach Wert darauf, ein Buch in der Hand zu halten, es zu riechen und zu spüren“, fügt Alexander Frimberger hinzu. Dennoch verschließen sich auch die beiden Waidler nicht vor den neuesten Errungenschaften moderner Lesetechnik. So haben sie bereits einen Onlineshop ins Leben gerufen und bieten auch E-Books an.
„Harry Potter“, „Herr der Ringe“ oder „Shades of Gray“ hätten freilich einen wahren Medienhype ausgelöst – und so viele Leute zum Lesen animiert. Nach kurzer Zeit jedoch fand sich in den Buchläden der Region wieder die Stamm-Leserschaft ein, wie Frimberger erklärt. Er selbst hat – wie es sich für einen Buchverkäufer gehört – viele der zum Verkauf angebotenen Werke gelesen: „Das ist wichtig. Ich muss ja meinen Kunden weiterhelfen können. Jedoch habe ich viele Bücher nur quergelesen.“ Denn Zeit ist – wie bei vielen anderen Selbstständigen auch – Mangelware. Schreiben, verkaufen, verlegen – der (Arbeits-)Tag ist vollgepackt mit allem, was sich um die Literatur dreht. „Zehn Stunden bräuchten wir, um lesen zu können. Neun Stunden, um den Laden zu öffnen – und vier, um zu schreiben. Aber wann sollen wir dann schlafen?“
„Schönberg – der schönste Ort der Welt“
Freilich ist die eher beschauliche Marktgemeinde Schönberg nicht unbedingt ein Standort-Vorteil – Frimberger und Wandtner müssen sich auf die Stammkundschaft und Leute, die bewusst zu ihnen kommen, verlassen (können). „Man kennt sich einfach. Und unser Service ist einmalig“, rührt Lothar Wandtner die eigene Werbetrommel. Ein Umzug des Geschäfts in eine größere Stadt komme daher nicht in Frage. Zu sehr hängen die beiden an ihrer Heimat. „Schönberg ist der schönste Ort der Welt“, ist sich Frimberger, der in seiner beruflichen Vergangenheit unter anderem auch als Reisejournalist tätig war, sicher. Lothar Wandtner pflichtet ihm bei: „Das hier ist für mich einfach eine Wohlfühl-Gegend.“
Der Bayerische Wald – Insel der Glückseligkeit? Wohl nicht immer. Dafür sorgen Lothar Wandtner und Alexander Frimberger selbst. Wenn auch nur fiktiv – zum Beispiel mit ermordeten und verstümmelten Leichen, die in der Glas-Arche am Lusen aufgefunden werden…
Helmut Weigerstorfer
Die große Masse des Genres „Regionalkrimi“ ist literarischer Schund. Trotzdem boomt das Genre seit Jahren; der Büchermarkt wird geschwemmt mit heimat- und volkstümelnden Romanen, die weder an literarischer Kreativität noch am Aufzeigen gesellschaftlicher Ambivalenzen und Konflikte interessiert sind. Beim Publikum sind diese Krimis trotzdem beliebt. Das versinnbildlicht eine oft zu vernehmende Tendenz: das konservative Bedürfnis zur Betonung des Regionalen und Abgeschlossenen sowie die verklärende Liebe zu einem diffusen Heimatbegriff. Dies wird mit künstlerisch nichtssagenden Regiokrimis gestützt und bedient.
Hallo Helmut, mit dem Portrait über die beiden Krimi-Spezialisten Frimberger und Wandner hast Du genau ins schwarze getroffen. Es freut mich, dass Du über sie geschrieben hast. Danke!