Achleiten/Wegscheid/Lackenhäuser. „Passau ist derzeit das Lampedusa Deutschlands“, stellte Frank Koller, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Passau, im Hog’n-Interview Mitte August fest. Damals sprach der 48-Jährige noch von einem „absoluten worst case“, als am 17. August im Bereich der Inspektion 680 Flüchtlinge aufgegriffen wurden. Diese Zahlen gehören jedoch längst der Vergangenheit an. Es gibt kaum noch Tage, an denen weniger als 5.000 Migranten über die deutsch-österreichische Grenze zwischen Wegscheid und Simbach am Inn kommen. „Es ist mehr als extrem“, beschreibt Koller die Situation wie gewohnt offen und direkt.
„Transitzonen? Dann spielt sich vieles an der grünen Grenze ab“
Ein kleiner Grenzabschnitt, der bisher nicht von der Flüchtlingswelle betroffen ist, ist der Übergang bei Lackenhäuser in der Gemeinde Neureichenau. „Von dort sind uns bisher fast keine Aufgriffe gemeldet worden“, berichtet Hauptkommissar Koller. „Wir haben keine Erkenntnisse, dass kleinere Grenzübergänge wie Lackenhäuser angesteuert werden.“ Das bestätigt auch Walter Bermann, Bürgermeister der Gemeinde Neureichenau, der direkt an der deutsch-österreichischen Grenze wohnt: „Momentan ist es sehr ruhig. Wir können keine Flüchtlinge vermelden.“
Vor der Wiedereinführung der Grenzkontrollen war das noch anders – damals „strandeten“ immer wieder Flüchtlingsgruppen mit bis zu 35 Personen in der Dreisessel-Gemeinde, wie Bermann berichtet. „Ob Lackenhäuser noch einmal zum Schwerpunkt wird, wird sich dieses Wochenende entscheiden, wenn in Berlin über die Flüchtlingsthematik diskutiert wird. Setzt sich Seehofer mit seinen Transitzonen, die meiner Meinung nach nicht realisierbar sind, durch, wird sich vieles wieder an der grünen Grenze abspielen.“ Größere Vorbereitungen seien in dieser Hinsicht bisher noch nicht getroffen worden, ein Notfallplan liege nicht in der Schublade des Amtszimmers.
… für die Beamten emotional sehr belastend
Auch die Hochwaldhalle in Lackenhäuser werde derzeit nicht als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt, obwohl dies durchaus wieder der Fall sein könnte. In seiner typischen Art betont Walter Bermann: „Kommen die Massen an Flüchtlingen, die derzeit in Slowenien sind, zu uns – dann: Prost, Mahlzeit!“
Die österreichischen Flüchtlings-Transporte beschränken sich nach Aussage von BuPo-Sprecher Frank Koller auf Wegscheid, Achleiten, Simbach am Inn und den Passauer Bahnhof. Dort ist die Einsatzbelastung der Beamten – auch wenn sich die Lage zwischenzeitlich immer wieder entspanne – Koller zufolge immens. Zum einen seien die Massen an Flüchtlingen, die in sehr kurzen Abständen ankommen, fast nicht zu bewältigen. Zum anderen seien die Zustände, die Bilder Hunderter wartender Menschen in Eiseskälte, psychisch und emotional sehr belastend.
Personell ist man durch die Unterstützung der Bundes-Bereitschaftspolizei inzwischen gut aufgestellt. Doch nicht nur der Ansturm von Flüchtlingen macht dem BuPo-Presseteam zu schaffen, auch der Medienrummel rund um Passau ist in diesen Tagen extrem. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen ist Frank Koller bis zu 15 Stunden im Einsatz. „Im Minutentakt gibt es Presseanfragen. Das Medienaufkommen ist mit drei Leuten fast nicht zu stemmen. Aber es bleibt uns keine Wahl.“
„Kroatien, Serbien, Österreich – die werden überrannt“
Eine Abschwächung der Flüchtlingswelle sei bisher nicht absehbar; die zuvor quasi nicht-existente Koordination mit den österreichischen Polizeikollegen scheint sich nach und nach zu bessern. „Wir sind aber deshalb nicht grantig auf die Österreicher. Vor Ort haben wir ein super Verhältnis mit den Kollegen aus dem Nachbarland“ Koller sieht vielmehr Gesprächspotenzial auf politischer und höherer polizeilicher Ebene. „Kroatien, Serbien, Österreich – die werden alle schlichtweg überrannt.“
Helmut Weigerstorfer