München/Freyung. Mächtig stolz war er, der Alexander Muthmann. So stolz war er schon lange nicht mehr, wie’s einem beim Anblick der Fotos von seiner vor wenige Tagen zu Ende gegangenen Nahost-Reise erscheint. Stolz, weil ihn der Landesvater auserwählt hatte. Ihn, den Freien Wähler, den Oppositionspolitiker, der als einziger Landtagsabgeordneter von der Gegenseite mit „Horstis Diplomaten-Karavane“ mitziehen durfte. Nach Saudi-Arabien, in die Wüste. Und nach Katar. Wo’s auch viel Sand gibt – und demnächst auch neue Stadien für die Fußball-WM 2022. Und vielleicht auch schon bald neue Waffen „made in Germany“.
Generell sehe Muthmann solche Wirtschaftsreisen als gewinnbringend, wie er per Pressemitteilung unmittelbar nach seiner Rückkehr verkündet – „vor allem in Länder wie Saudi-Arabien oder Katar, in denen der König oder Emir noch unmittelbar Investitionsentscheidungen treffen kann.“ Und: „Wenn der Emir oder der König anordnen, dass 1.000 Gasbusse von einer deutschen Firma gekauft werden sollen, ist dies beschlossene Sache“, so Muthmann. Deswegen sei dem Freien Wähler zufolge das Knüpfen solcher Wirtschaftsbeziehungen von großer Bedeutung für Bayern. Wir haben bei ihm in Sachen Menschenrechte, Waffen-Deals und WM 2022 noch einmal nachgefragt…
„Ein Land wie Saudi-Arabien kommt da sehr langsam voran“
Herr Muthmann: Im Vorfeld Ihrer Reise war das Medieninteresse an Ihrer Person sehr groß, wie Ihrer Pressemitteilung zu entnehmen war. Darin haben Sie sich von Ihrer Landtagskollegin, der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Margarete Bause, die sich im vergangenen Jahr auf Seehofers China-Reise als Geleit-Oppositionelle „ohne Absprache mit dem Regimekritiker Ai Weiwei“ getroffen hatte, klar distanziert – und angekündigt, dass „ein solches Verhalten“ von Ihnen nicht zu erwarten sei. Sie mahnten zur Geschlossenheit, wenn man als Delegation im Ausland auftrete – und betonten, dass Sie kritische Themen dennoch nicht aussparen möchten. Wertefragen sollten in diplomatischen Gesprächen angesprochen werden.
Gab es denn dann die Gelegenheit, kritische Themen wie die in Saudi-Arabien häufig mit Füßen getretenen Menschenrechte anzusprechen? In Ihrer Pressemitteilung nach der Rückkehr, in der sie ja eine positive Reisebilanz ziehen, berichten Sie unter anderem davon, dass die Burka in Saudi-Arabien für Frauen Pflicht und Autofahren für sie verboten sei. Von der nicht gegebenen Religionsfreiheit ganz zu schweigen…
Ja, Ministerpräsident Horst Seehofer hat beim Treffen mit dem saudischen König erklärt, dass es im Vorfeld der Reise in Bayern eine kritische Debatte über die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien gegeben habe. Das Gespräch ist nach diesem Hinweis deutlich abgekühlt, der König hat klar darauf hingewiesen, dass sich Saudi-Arabien eine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten verbiete. Wer glaubt, dass Vertreter einer bayerischen Delegation nur den mahnenden Zeigefinger in Saudi-Arabien zu heben brauchen und dann ändern sich die bestehenden Gesetze, der irrt. Ein Land wie Saudi-Arabien kommt da sehr langsam voran, aber es öffnet sich doch erkennbar.
In welcher Art und Weise „öffnen“ sich denn die Saudis genau? Welche Beispiele für eine Öffnung gibt es?
Das aussagekräftigste Beispiel ist, dass Frauen studieren dürfen. Sobald ein Land Frauen zur Bildung zulässt, kann meines Erachtens der Prozess der Öffnung und Gleichberechtigung nicht mehr aufgehalten werden (unterrichtet werden sie in separaten Frauen- Universitäten – Anm. d. Red.). Das ist schon ein hoffnungsvolles Signal. Auch die weltweite Kommunikation via Internet sowie die Tatsache, dass zahlreiche Mitglieder des Königshauses im Ausland studieren, ist ein Beleg für die Öffnung.
Horst Seehofer kündigte an, Waffen-Deals mit Saudi-Arabien einfädeln zu wollen. Wie stehen Sie, Herr Muthmann, zu diesem Vorhaben des Ministerpräsidenten?
Der Besuch hat deutlich gemacht, dass Saudi-Arabien in diesem Krisengebiet ein Anker der Stabilität ist – gerade in Anbetracht der angespannten Lage im Jemen oder in Syrien. Daher halte ich Waffenlieferungen im Rahmen der ohnehin bestehenden Restriktionen und im Rahmen der internationalen Verpflichtungen für möglich.
Sie halten Waffenlieferungen „für möglich“ – was heißt das genau? Sind Sie also ein Befürworter dieser Absicht, Waffen nach Saudi-Arabien zu liefern? Und: „Anker der Stabilität“ – heißt das, dass aus Ihrer Sicht die Stabilität ausschließlich mit Waffen garantiert werden kann?
Waffen und Krieg haben noch nie dauerhaft zu Frieden geführt. Daher müssen bei der Friedenssicherung und -erhaltung Kommunikation und diplomatische Bemühungen natürlich im Vordergrund stehen. Aber wenn jemenitische Terroristen im nördlichen Teil Jemens Raketen in Stellung bringen, um auf Saudi-Arabien schießen zu können, dann muss man den Saudis schon die Möglichkeit einräumen, sich verteidigen zu können.
Ein Beitrag des Satiremagazins „quer“ über die Nahost-Reise Seehofers, in dem ebenso vom „Stabilitätsanker“ die Rede ist:
https://youtu.be/5y90ByiWdVU
„Hatten das Gefühl, dass es sich um Vorzeigeobjekte handelt“
Wechseln wir ins Ihrer Erfahrung nach „modernere Katar“, dem zweiten Land Ihrer Reise und gleichzeitg reichsten Land der Welt. Dort bestehe keine Burka-Pflicht für Frauen in der Öffentlichkeit, Auto fahren sei ihnen hier erlaubt. Es gab ein Treffen mit WM-Organisa-tionschef Hassan Al-Thawadi, der sich akutell um den Bau der Fußball-Stadien kümmere. „Zwischen acht und zwölf Stadien sollen schon bis 2019 gebaut werden, nach der WM werden einzelne nach derzeitigem Stand der Planungen abgebaut und nach Afrika transferiert“, heißt es in Ihrer Pressemitteilung. Sie fordern, dass „das Land bei dem Vorhaben auch unter Beweis stellen muss, dass vernünftige Arbeitsbedingungen herrschen.“
Zwei Maßnahmen seien bereits eingeleitet worden: Zum einen verpflichten sich laut den Organisatoren der Fußball-WM die Firmen, die beim Bau der Stadien Aufträge erhalten, gewisse Mindeststandards für Arbeitnehmer einzuhalten. Außerdem führe das Land selbst Kontrollen durch. Welche Mindeststandards, welche Kontrollen sind dies im Detail, um zu verhindern, dass dort unzählige Wanderarbeiter ums Leben kommen?
Die Standards betreffen die Bezahlung, die Unterbringung der Arbeiter sowie die Sicherheitsvorkehrungen. Von staatlicher Seite werden Kontrolleure nicht nur zu den Baustellen, sondern auch zu den Unterkünften geschickt. Wichtig dabei: Auch die FIFA muss sich diesem Thema annehmen.
Welche Bezahlung erhalten die Arbeiter genau? Wo sind sie untergebracht? Und: Welche Sicherheitsvorkehrungen herrschen auf den Baustellen im Detail?
Uns wurden Fotos von Baustellen und Unterkünften gezeigt – und dabei hatten wir das Gefühl, dass es sich um Vorzeigeprojekte handelt. Selbst waren wir nicht vor Ort, wir können uns nur auf die Informationen berufen, die wir vom Organisationschef der Fußball-WM 2022 erhalten haben. Aber es ist auch nicht Aufgabe einer bayerischen Delegation zu verifizieren, ob alle Vorgaben umgesetzt sind. Hier ist die FIFA als Veranstalter in der Pflicht. Wir haben den Verantwortlichen vor Ort durch unseren Besuch das Gefühl gegeben, dass wir die Vorbereitungen zur WM aufmerksam beobachten und sie dafür sensibilisiert. Schließlich will sich Katar bei dieser Großveranstaltung in ein gutes Licht rücken.
(schriftliches) Interview: Stephan Hörhammer