Zwiesel. Am 20. April 1945, ausgerechnet an Hitlers Geburtstag, musste die Stadt Zwiesel das wohl traurigste Kapitel ihrer jüngeren Geschichte erleben. Kampfflugzeuge der 8. United States Army Air Forces (USAAF) bombardierten die Bahnanlagen im Gleisdreieck der „Zwieseler Spinne“ mit der Hauptstrecke Plattling-Zwiesel-Pilsen sowie den Nebenverbindungen Zwiesel-Bodenmais und Zwiesel-Grafenau. Mehr als 200 Sprengbomben entfalteten laut einer Pressemitteilung innerhalb weniger Minuten ihre verheerende Zerstörungskraft und verursachten ein Inferno, das den Tod von 18 Menschen, darunter 10 Kindern, zur Folge hat.
Eugen Lux (1926-2010) aus Offenbach am Main hat in seiner Dokumentation „20. April 1945 – Target Zwiesel“ die dramatischen Ereignisse von damals bis ins Detail rekonstruiert. Seine umfangreiche Arbeit aus dem Jahr 1993, an dessen Entstehen auch Zwiesels ehemaliger Stadtarchivar Alfred Baran maßgeblich beteiligt war, ist eine wertvolle Quelle zur Aufarbeitung der lokalen Geschichte zum Ende des 2. Weltkriegs. Im Archiv der Stadt Zwiesel wird die Dokumentation von Eugen Lux für nachkommende Generationen bewahrt.
Der Angriff
In den frühen Morgenstunden des 20. April 1945 starteten auf den Flugfeldern der 8. US-Luftflotte im Osten Englands unter anderem 831 viermotorige Bomber, um sich zu drei Angriffsformationen zu vereinen. Ziel war die Bombardierung von Verschiebebahnhöfen und Eisenbahnanlagen im Osten und Südosten Bayerns. Aus dem dritten Angriffsverband löste sich ein Pulk von 56 Langstrecken-Tagbombern des Typs B-24J Liberator für den Anflug auf Zwiesel. Dieser Angriffspulk bildete den 96. Combat Wing, der sich aus Flugzeugen der 467. und 458. Bomber Group zusammensetzte.
In der Zeit von 11.57 bis 11.59 Uhr warfen 26 Langstrecken-bomber der 467. BG 113 Sprengbomben ab. In einer zweiten Angriffswelle, aus 29 Flugzeugen der 458. BG bestehend, fielen von 11.59 bis 12.03 Uhr noch einmal 94 Bomben auf Zwiesel. Von einem teilnehmenden Flugzeug der 445. BG wurden zusammen mit Flugblättern zwei weitere Sprengbomben abgeworfen. Damit gingen innerhalb von nur sechs Minuten 209 Sprengbomben mit einem Gesamtgewicht von 123,3 Tonnen auf die Stadt nieder. Das Bombardement wurde von den Amerikanern durch insgesamt vier Luftaufnahmen dokumentiert. Nach dem Abwurf der Rauchmarkierungen aus dem Führungsflugzeug folgte der verheerende Bombenhagel, der mit gewaltigen Explosionspilzen einherging und mächtige Rauch- und Staubwolken verursachte.
Ein sinnloses Unterfangen
Aus heutiger Sicht wird der Luftangriff auf die Zwieseler Spinne als völlig sinnlos und jeglicher Grundlage entbehrend eingestuft. Zu diesem Ergebnis gelangt auch der Heimatforscher Harald G. Dill, der sich eingehend mit dem Luftkrieg über Bayern beschäftigt hat. Der Angriff auf die Waldstadt war laut Dill insofern strategisch sinnlos, weil Zwiesel zwar auf der Bahnlinie von den Skoda-Werken in Pilsen zu den Panzerfabriken in Aschaffenburg und Nürnberg lag, diese sich aber am 20. April 1945 bereits in amerikanischen Händen befanden.
Tod und Zerstörung
Dem Angriff folgte noch am Nachmittag ein Aufklärungsfoto, das Aufschluss über den Erfolg des Bombardements geben sollte. Das Luftbild zeigt deutlich die vollständige Zerstörung im Abwurfgebiet. Die Bombardierung hatte jedoch nicht nur die Unterbrechung der Gleisanlagen der Zwieseler Spinne zur Folge, sondern verursachte auch verheerende Schäden an Wohngebäuden in der Langdorfer Straße sowie der benachbarten Schlachthofstraße. So wurde beispielsweise das Anwesen Langdorfer Straße 26 durch einen Volltreffer völlig zerstört. Allein in diesem Haus fanden neun Menschen den Tod.
Unweit der Eisenbahnbrücke über den Schwarzen Regen errichtete Georg Tröppl 1946 unter Mithilfe der Nachbarschaft an der Langdorfer Straße eine Kapelle zur Erinnerung an den Bombenangriff vom 20. April 1945. Bis heute ist die Tröpplkapelle in Zwiesel der einzige Ort des Gedenkens an die schrecklichen Geschehnisse jenes Apriltages geblieben, die unmittelbar vor Kriegsende Tod und Verderben über die Stadt brachten.
da Hog’n