Altreichenau. „A vakeade Meinung is owei na besser wia goa koa Meinung – wei dann hod ma wenigstens spekuliert.“ Klartext. Dafür ist Ludwig Gaaß aus Altreichenau bekannt. Als „Der Mann vom Fensterbrett“ blickt er beim Social-Media-Portal Facebook regelmäßig auf die Ereignisse in seiner Heimatgemeinde Neureichenau. Teils kritisch, manchmal aber auch lustig und unterhaltsam diskutiert er brisante Themen aus dem Gemeinderat sowie touristische und gesellschaftliche Ereignisse. „I trau ma zu schreiben, was mir ned passt“, bringt es der 71-Jährige prägnant auf den Punkt. Somit ist er eine Art „kleiner Bruder“ des Onlinemagazins „da Hog’n“, das sich Vergleichbares auf die Fahnen geschrieben hat.
Ein kritischer, hinterfragender Mensch ist Ludwig Gaaß schon seit jeher. Als gelernter Zimmerer, der kurzeitig beim Grenzschutz („des war ma z’langweilig“) angestellt und später bei zwei großen Unternehmen beschäftigt war, zählt er sich immer schon zu denjenigen, die zu ihrer Meinung stehen. Gleichzeitig liegt dem gebürtigen Hinterebener seine Heimat am Herzen. Er möchte deren Schönheit unterstreichen, aber auch Missstände ansprechen. So war es irgendwie logisch, dass Ludwig Gaaß auch an schneeeck.de, eine Art Internetzeitung für Altreichenau und Umgebung, beteiligt war. Seitdem diese Plattform wegen internen Streitigkeiten eingestellt werden musste, veröffentlicht „Der Mann vom Fensterbrett“ seine Kommentare ausschließlich auf seiner Facebook-Seite, die er gemeinsam mit seiner Tochter betreibt. „Des is schad, dass de Seit’n nimma gibt.“ Sein Künstlername geht übrigens zurück auf ein Kabarettstück im Loipenstüberl – dort „predigte“ Ludwig Gaaß lange Zeit am Fenster, das den Gastraum vom „Brettersaal“ trennt.
„I han s’große Ganze im Blick. Und aa is ned owei ois nur kritisch“
Die Anfänge seiner schreiberischen Ader liegen auch im Altreichenauer Dorfleben. Als Vorsitzender des örtlichen Schützenvereins wollte er seinen Mitgliedern etwas bieten, verfasste zu verschiedensten Anlässen lustige und kritische G’setzal.
Dass diese mittlerweile aufmerksam verfolgt werden, bestätigte auch Neureichenaus Bürgermeister Walter Bermann in einem früheren Hog’n-Interview. Damals sprach der Kommunalpolitiker die Internetseite schneeeck.de und die dort veröffentlichten Kritiken – auch gegenüber seiner Person – an. Bermann wies darauf zudem hin, dass durch einige Beiträge auf der Seite die Gebietsreform weiter in den Köpfen der Gemeindebürger verhaftet bleibe. Altreichenau gegen Neureichenau, „Oidhiddn“ gegen „Reichenau“ – davon will Ludwig Gaaß nichts wissen. Seiner Meinung nach ist das „eine konstruierte Sache“. Auch, dass er mit seinen Kommentaren bewusst für Stimmung zwischen den Ortsteilen sorge, streitet der 71-Jährige ab. „I han eher s’große Ganze im Blick. Und aa is ned owei ois nur kritisch.“
Ludwig Gaaß: „I ha ma ned nur Freind g’mochd“
In seinen Berichten beschreibt Ludwig Gaaß deshalb auch die schöne Landschaft rund um den Dreisessel, gibt Tipps, welche Rad- und Wanderwege besonders empfehlenswert sind. Er initiierte auch einige Spendenaktionen, unter anderem die gemeindeinterne Fluthilfe Passau. Dennoch ist ihm durchaus bewusst, dass er mit seinen Berichten polarisiert.
„I ha ma ned nur Freind g’mochd.“ Schon mehrmals wollte er deshalb aufhören. Doch seine „Fans“ hinderten ihn daran. „De Leid g’foids, wenn oana d‘ Woahrad sogd.“ Deshalb nimmt er auch die Mühen der Recherche auf sich. Er besucht so gut wie alle Gemeinderatssitzungen, nimmt sich Zeit, Dinge auszuarbeiten – und schließlich ist da noch die Leidenschaft fürs Schreiben. „I schreib’s an oan Dog – und dann schlof e namoi a Nochd driwa. I schau owa ned af d‘ Uhr, wei es gern dua.“
Während Ludwig Gaaß von seinem Hobby erzählt, wirkt er eher wie ein gemütlicher „Opa-Typ“ als ein knallharter Kommentator. Man nimmt ihm ab, dass er mit den Beiträgen seine Heimatgemeinde ein Stückchen besser machen will. Deshalb geht er mit ihr auch hart ins Gericht. „D’Gemeinde und da Buagamoasta hamd eara Pflichtaufgab. D’Perspektive feijd owa a bissal.“ Und schon ist „Der Mann vom Fensterbrett“ wieder in seinem Element…
Helmut Weigerstorfer