Mitterfirmiansreut. Man schrieb das Jahr 1964, als auf Initiative von Karl Kisslinger die Ortschaft Mitterdorf das erste Mal in Sachen Skifahren Bedeutung fand – in Zeiten des Vietnamkriegs, Charles de Gaulle und der Inhaftierung von Nelson Mandela. Die Welt hat sich inzwischen verändert – und auch der Wintersport in Mitterfirmiansreut hat in den vergangenen 50 Jahren eine erstaunliche Entwicklung genommen. Ein Meilenstein: die Gründung des Zweckverbandes Skizentrum Mitterdorf 1988. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht der Mann der ersten Stunde, Geschäftsführer Manfred Selwitschka (63), über die baulichen Maßnahmen in den vergangenen fünf Jahrzehnten, über seine größte Niederlage, den Tourismus in der Gemeinde Philippsreut und dessen Zukunftsperspektiven.
Herr Selwitschka: Heuer steht das Jubiläum „50 Jahre Skizentrum Mitterdorf“ an. Wie wird das Ganze gefeiert?
Zunächst hatten wir eine große Veranstaltung samt Festschrift geplant. Letztlich hat es sich aber auf die Freifahrt am vergangenen Sonntag reduziert – das reicht (lacht). Denn: Wo lässt sich dieses Jubiläum besser feiern als auf der Piste?
Ein Blick zurück in die Geschichte. Warum wurde 1988 der Zweckverband Skizentrum Mitterdorf gegründet?
Da muss ich etwas weiter ausholen. 1964 hat Karl Kisslinger das Skizentrum privat gegründet – gemeinsam mit einem Investor hat er den gleichnamigen Lift und eine Skihütte gebaut. 24 Jahre später hat das Ganze dann der Zweckverband Skizentrum Mitterdorf übernommen, weil die Gemeinde die Kosten nicht mehr stemmen konnte – es waren keine Rücklagen mehr da. Und wollte man den Anschluss an die anderen Skigebiete wie dem Hochficht nicht verlieren, musste man handeln, um konkurrenzfähig zu bleiben.
„Ich blieb Geschäftsführer. Übergangsweise – für 25 Jahre“
Der Zweckverband war also die Rettung für die Skilifte in der Gemeinde Philippsreut?
Ja, so kann man es sagen. Hätte sich damals Landrat Schumertl nicht dazu entschieden, wären einige Liftanlagen wohl aus Altersgründen nicht mehr in Betrieb. In den 25 Jahren seit Gründung des Zweckverbandes wurden insgesamt 17 Millionen Euro ins Skizentrum investiert.
Und seit der Gründung sind Sie Zweckverbands-Geschäftsführer. Wie ist es dazu gekommen?
Ich war damals Tourismusreferent des Landkreises Freyung-Grafenau. Und in dieser Funktion habe ich bei den Vorgesprächen den damaligen Philippsreuter Bürgermeister Otto Damasko öfters begleitet. Übergangsweise hat mich Landrat Schumertl dann zum Geschäftsführer bestimmt. Eigentlich sollte mich dann der frühere Langlauf-Bundestrainer Detlef Nirschl ablösen. Er wurde aber Bürgermeister in Schönberg – und ich blieb Geschäftsführer. Übergangsweise – für inzwischen 25 Jahre (lacht).
An welche Ereignisse in dieser Zeit erinnern Sie sich besonders?
Im Vergleich zum damaligen Mitterdorf ist der Ort heute eigentlich nicht wiederzuerkennen. Die Hütten in der Ortsmitte samt Trafo mussten einem schönen Zentralgebäude weichen, die Lifte wurden erneuert und ersetzt, der ‚JuniorSkiZirkus‘ wurde gebaut, der Speichersee angelegt und eine Beschneiungsanlage installiert. In dieser Hinsicht müssen wir uns beim Forst bedanken, der uns da sehr unterstützt hat.
Hat sich das Skizentrum so entwickelt, wie es bei der Zweckverbands-Gründung angedacht war?
Nicht unbedingt. Vor allem die Anbindung des Kisslinger-Liftes hätte ich gerne verwirklicht. Ansonsten bin ich mit der Entwicklung eigentlich zufrieden – wir haben ein kompaktes Skizentrum für Einsteiger und Fortgeschrittene geschaffen.
Wann und wo hat es die größten Wiederstände gegeben?
Eigentlich immer (lacht). Zum Beispiel beim Kauf der Wolfsteiner Hütte, die mittlerweile eine Jugendherberge ist. Der Zweckverband hat sie als Ruine erworben und wieder saniert – mitsamt Gaststätte. Da sind dann sofort einige Wirte auf die Barrikaden gestiegen, es hat damals eine Unterschriftenaktion gegeben. Mittlerweile weiß jedoch jeder, dass es in der Hochsaison zu wenige Plätze in den Gaststätten gibt.
„Meine größte Enttäuschung war die Sache mit dem Kisslinger-Lift“
Wohl nicht das einzige Problem während Ihrer Amtszeit?
Genau. Auch beim Bau der Sesselbahn hat es Diskussionen gegeben. Viele Stimmen verlangten nach einem Schlepplift. Doch inzwischen hat sich der Sessellift bewährt, viele kommen nur wegen dieser Anlage. Ein großes Problem war auch der Bau des ‚JuniorSkiZirkuses‘, der unbedingt im Dorf selbst platziert werden sollte – obwohl kein geeigneter Hang gefunden werden konnte… Meine größte Enttäuschung war jedoch die Sache mit dem Kisslinger-Lift.
Warum?
Vor drei Jahren stand eine Anbindung an das übrige Skizentrum auf der Agenda. Die Planungen waren fertig, der Förderbescheid für eine sogenannte Wieli-Bahn lag vor mir. Letztlich ist sie aber von der Bevölkerung abgelehnt worden. Uns ist es gelungen, die bewilligten Fördergelder für das Skizentrum zu retten, wir haben damit die Förderbänder im ‚JuniorSkiZirkus‘ überdacht und die Toilettenanlagen am Almberg errichtet.
Jüngst sorgte die Gemeinde Philippsreut vor allem auf der politischen Ebene für Schlagzeilen. Glauben Sie, dass die Streitigkeiten nach dem Bürgermeister-Wahlen den Betrieb beeinflussen?
Nein, das glaube ich nicht. Per Satzung ist der Bürgermeister, also Helmut Knaus, stellvertretender Vorsitzender des Zweckverbandes. Zudem ist Fred Schraml noch immer mein Stellvertreter. Ich arbeite mit beiden gut zusammen.
Während das Skizentrum gewachsen ist, haben sich die großen Hotels gegenteilig dazu entwickelt. Woran liegt’s?
An dem, dass in Mitterdorf nur eine Wintersaison möglich ist – im Sommer ist hier nichts los. Und mit Wandern alleine kommt man nicht weit. Auch die Schneekirche brachte nicht den erwarteten nachhaltigen Erfolg.
Kann der Zweckverband da helfen?
Wenn, dann nur indirekt. Man kann Gespräche mit möglichen Investoren führen, eine Vermittlerrolle einnehmen – mehr aber auch leider nicht. Aufgrund unserer finanziellen Lage kann ich einen Kauf durch den Zweckverband ausschließen. Außerdem sind die bestehenden, leerstehenden Hotels sehr marode – auch das Drumherum fehlt hier.
„Einige hegen den Wunschgedanken, dass ich aufhöre“
Schade eigentlich.
Es fehlt am Zusammenhalt. Früher hat es eine Tourismusgemeinschaft gegeben, die sich aber mittlerweile aufgelöst hat. Und bis auf wenige Ausnahmen bieten die Beherbergungsbetriebe keine besonderen Angebote außerhalb der Weihnachts- und Faschingsferien.
Haben die Gäste womöglich auch nicht mehr so viel Geld?
Das würde ich so nicht sagen. Mit einem Vier-Sterne-Hotel hätten wir sicher viele Übernachtungen mehr, da der Gast bereit ist, für entsprechende Leistungen auch einen hohen Preis zu bezahlen.
Warum soll man dann ausgerechnet in die Gemeinde Philippsreut zum Skifahren kommen?
Zum einen ist unser Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu den Nachbar-Skigebieten unschlagbar. Zum anderen überzeugen wir durch unsere Schneesicherheit. Auch in der vergangenen, eher schneelosen Saison waren die Lifte von Weihnachten bis Mitte März in Betrieb.
Bis Februar 2017 werden sie wohl noch Geschäftsführer bleiben. Wie geht es dann weiter?
Einige hegen den Wunschgedanken, dass ich schon eher aufhöre. Es passt so manchem nicht, dass es Vorgaben gibt, die eingehalten werden müssen – wie lange läuft welcher Lift, wann wird beschneit, wie viele Freikarten gibt es usw. Man muss bedenken, dass der Landkreis die bisherigen Investitionen alleine gestemmt hat und die Betriebskosten bisher auch erwirtschaftet werden konnten. Wer mein Nachfolger wird und wie es nach mir weitergeht, kann ich jetzt noch nicht sagen. Fest steht: Die Geschäftsstelle wird immer am Landratsamt bleiben – und nicht nach Philippsreut wechseln.
Was ist die nächsten Jahre im Skizentrum Mitterdorf geplant?
Bereits sehr konkret ist die Beschneiung des Kisslinger-Liftes – das soll im kommenden Jahr über die Bühne gehen. Wir hoffen, dass über die Petition beim Landtag gegen die Flutlichtanlage bald entschieden wird. Ich bin da zuversichtlich, da nach dem vorliegenden saP-Gutachten (spezielle, artenschutzrechtliche Prüfung – Anm. d. Red.) keine besonders gefährdeten Tierarten betroffen sind. Ein Traum wäre zudem, wenn wir den Kleinen Almberglift und den Almwiesenlift einmal durch eine Sesselbahn ersetzen könnten.
Vielen Dank für das Gespräch – und eine erfolgreiche Saison.
Interview: Helmut Weigerstorfer