Viechtach. Eigentlich wäre die Bahnprobebetriebsthematik erst der neunte Tagesordnungspunkt der jüngsten Kreistagssitzung des Jahres 2014 gewesen. Ein interfraktioneller Antrag hatte aber eine Vorverlegung gefordert – und einstimmig folgten die Kreisräte diesem Wunsch. So konnten die rund 120 Zuschauer in der Mensa des Gymnasiums Viechtach erleben, wie sich der Kreistag – nach mehr als zweistündiger Diskussion – für einen Bürgerentscheid aussprach.
„Kleine Entmannung des Kreistags, sollte Bürgerentscheid kommen“
Aber der Reihe nach. Die Kreisräte hatten theoretisch drei Möglichkeiten, die von Landrat Michael Adam vorgestellt wurden. Das Gremium konnte entscheiden zwischen dem interfraktionellen Antrag, den fünf CSU-Kreisräte (Franz Wittmann, Birgit Nistler, Edwin Schedlbauer, Siegfried Niedermayer, Horst Blüml), fünf Kreisräte der Unabhängigen (Heinrich Schmidt, Walter Schlicht, Anton Alt, Monika Müller, Hans Greil) sowie eine ÖDP-Rätin (Brigitte Baueregger) gestellt hatten, dem Vorschlag der Verwaltung und dem Antrag auf Ratsbegehren der Kreisrätin Rita Röhrl. Der interfraktionelle Antrag sah der Zustimmung zum Probebetrieb und beim Scheitern eine Kostenbeteiligung des Landkreises von zehn Prozent vor. Der Verwaltungsvorschlag sah einen Bürgerentscheid auf Landkreisebene mit maximal 400.000 Euro Kostenbeteiligung, einem Busergänzungsverkehr zur Bahnlinie bei erfolgreichem Bürgerentscheid sowie die Einführung einer Expressbuslinie Viechtach-Gotteszell bei gescheitertem Bürgerentscheid vor. Auf Antrag von Helmut Brunner wurde hier zudem aufgenommen, dass das Bürgervotum auch bei einem Nicht-Erreichen des Quorums (sprich: weniger als 15 Prozent der Wahlberechtigten) umgesetzt wird.
Eine mehr als zweistündige Diskussion schloss sich an die Antragsvorstellung an. Bürgerentscheidsbefürworter wie -gegner ergriffen das Wort. So stellte die Kreisrätin Röhrl (SPD) fest, dass in den vergangenen 36 Jahren kein Thema so heiß diskutiert worden sei, deswegen halte sie es für angemessen, dass die Bürger sich aktiv einbringen können. Auch Staatsminister Helmut Brunner (CSU) stimmte dem zu und verwies darauf, dass auch sein Kabinettskollege, Innenminister Joachim Herrmann, einen Bürgerentscheid für ein legitimes Mittel halte. Brunners Meinung nach könnte ein Bürgerentscheid durchaus eine „demokratische Sternstunde“ im Landkreis sein. Diesen Ansichten widersprachen Heinrich Schmidt (Unabhängige UA), Günther Iglhaut (ÖDP), Werner Blüml (CSU), Georg Bruckner (SPD), Sigrid Weiß (Grüne), Edwin Schedlbauer (CSU), Brigitte Baueregger (ÖDP) und zahlreiche weitere Kreisräte. Sie alle setzten sich dafür ein, dass der Kreistag sich zu einem Probebetrieb entschließen solle.
Walter Schlicht (UA) sprach gar von einer „kleinen Entmannung des Kreistages“, sollte der Bürgerentscheid beschlossen werden. Die Grünen-Kreisrätin Damar Spiewok meinte, dass die Bürger bereits ihre Stimme abgegeben hätten und mit „tausenden Unterschriften“ für die Bahn gestimmt hätten. Monika Müller (UA) sprach von einer „historischen Entscheidung“ – also sollten sich die Kreisräte auch „historisch verhalten“. Birgit Nistler (CSU) forderte die Gleichstellung der Landkreisteile. Der dritte Landrat, Erich Muhr (SPD), sieht im Probebetrieb eine „große Chance“ und drückte so das Empfinden der Befürworter aus. Auch Viechtachs Bürgermeister Franz Wittmann (CSU) sprach davon, dass die Bahn wirtschaftlich notwendig sei. Zudem verwies er darauf, dass ein erfolgreicher Probebetrieb ein wichtiger Schritt in Sachen ÖPNV sei, der „gar nichts“ koste.
Freie Wähler waren letztlich das Zünglein an der Waage
Dass die Befürworter eines Bürgerentscheids dies anders sahen, liegt in der Natur der Sache. So forderte beispielsweise Walter Nirschl (Freie Wähler FW), dass man einen guten ÖPNV im gesamten Landkreis brauche, das Erreichen von 1.000 Fahrgastkilometern auf der Strecke Gotteszell-Viechtach nannte er „reines Wunschdenken“, das realistisch nicht zu erreichen sei. Röhrl betonte, dass sie sich als Bürgervertreterin sehe und in der Bevölkerung keine Mehrheit für die Bahnreaktivierung erkennen könne. Auch Willi Köckeis (CSU), Walter Fritz (CSU) und zahlreiche andere Kreisräte sahen kein Problem in einer Beteiligung der Bevölkerung. Möglicherweise sei dies sogar eine Möglichkeit mehr Interesse bei den Bürgern zu wecken, denn ein Probebetrieb könne nur gelingen, wenn viele Menschen die Bahn wirklich nutzten.
Landrat Adam gab als letzter sein Statement ab. „Ich möchte, dass die Bevölkerung entscheidet“, sagte er, deswegen werde er gegen den interfraktionellen Antrag stimmen. Er werde sich dann für den Verwaltungsvorschlag aussprechen und den Bürgern die Annahme des Probebetriebs empfehlen. Er habe sich stets für die direkte Demokratie eingesetzt und habe sich bei wichtigen Fragen immer für Bürgerentscheide ausgesprochen, deswegen unterstütze er jetzt auch einen solchen.
Spannend wurde dann die namentliche Abstimmung zum interfraktionellen Antrag. Während bei der CSU und der SPD eine Mehrheit für die Ablehnung stimmte, stimmten die Unabhängigen, die ÖDP, die Grünen, die IG Frauen und die FDP alle für den Antrag, so dass letztendlich die Freien Wähler das Zünglein an der Waage waren. Nur einer von ihnen stimmte für den Antrag, so dass der Antrag am Ende mit 27 zu 29 Stimmen abgelehnt wurde.
Die Ablehnung hatte zur Folge, dass dann über den Verwaltungsvorschlag abgestimmt werden konnte, denn: Wäre der Antrag angenommen worden, wäre die Entscheidung gefällt gewesen. Der Verwaltungsvorschlag wurde dann mit 51 zu fünf Stimmen angenommen, so dass Anfang 2015 ein Bürgerentscheid stattfinden kann. Auch die weiteren Verwaltungsvorschläge wurden mehrheitlich angenommen. So stimmten 48 Kreisräte für die Empfehlung, den Probebetrieb zu befürworten. Einstimmig stimmten die Räte auch dafür, dass im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheids im Probebetrieb auch Ergänzungsleistungen angeboten werden. 47 Kreisräte sprachen sich zudem dafür aus, dass bei einer Ablehnung des Probebetriebs eine Expressbuslinie mit entsprechendem Zubringerverkehr angeboten werde. Einstimmig entschieden sich die Kreisräte zudem dafür, dass der Bürgerwille auch umgesetzt werde, wenn das Quorum nicht erreicht wird.
da Hog’n
Also wenn ich mir ansehr wie seit über einem Jahrzehnt der Nationalpark sehr heiß diskutiert wird, dann wage ich die Aussage von Frau Röhrl stark anzuzweifeln.
Dazu fordere ich von den Bedenkenträgern des Schülerverkehrs ein zukunftsfestes Konzept, dass auch mit den deutlich niedrigeren Schülerzahlen der Zukunft funktioniert. Den es wird egal ob mit oder ohne Bahn kein Weg an längeren Schulwegen vorbei führen. Den der heutige Schülerverkehr wird schon in wenigen Jahren unbezahlbar.