Freyung. „Bürgermeister des Jahres“ – angesichts des deutlich erkennbaren Aufschwungs der Stadt Freyung in den vergangenen Jahren hätte sich Dr. Olaf Heinrich diesen Titel verdient. Etwas stutzig macht es einen dann aber doch, wenn man, so wie auch die Hog’n-Redaktion am Dienstag dieser Woche, von einer gewissen „Bestfall GmbH – Agentur für Public Relations“ per E-Mail eine Nachricht mit der Betreffzeile „PM: Freyunger ist Bürgermeister des Jahres“ übermittelt bekommt (das „PM“ soll für „Presse-Meldung“ stehen). Darin wird erklärt, dass Heinrich soeben „bei einer Feierstunde im Rathaus“ mit diesem Preis, ausgelobt von der „LKC Rechtsanwaltsgesellschaft in der LKC Gruppe, einer Kanzlei für Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Recht mit
Hauptsitz in Grünwald, ausgezeichnet wurde – in der Kategorie „Zukunft ländlicher Raum“. Diese Ehrung sei ihm, wie in der „Presse-Meldung“ zu lesen, für „zahlreiche Projekte, mit denen er die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt verbesserte“, von einem gewissen „Altbürgermeister Dr. Stefan Detig von der LKC-Gruppe“ überreicht worden (siehe Screenshot).
Herbert Graf hat Heinrich nominiert – der hatte „von nichts gewusst“
Sie denken jetzt sicherlich auch? LKC-Gruppe? PR-Agentur Bestfall? Ist das jetzt gut oder schlecht? Muss ich mich jetzt irgendwie schämen, weil ich’s nicht kenne? Ähm: Nein! Müssen Sie nicht. Uns haben diese Namen ebensowenig gesagt wie Ihnen. Aber wir haben uns da mal kurz informiert bzw. – die Presse-Meldung gab uns da ja ohnehin sehr zuvorkommend Auskunft:
„Die LKC Gruppe ist Mitglied von HLB Deutschland und berät an elf Standorten in Südbayern, München, Nürnberg und Berlin in allen Fragen der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Recht (…). Die LKC-Gruppe hat 2012 ein Umsatzwachstum von 33 Prozent auf 20 Millionen Euro (2011: 15 Millionen Euro) verzeichnet und gehört damit bundesweit zu den 25 umsatzstärksten Unternehmen der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüferbranche. Weitere Informationen unter www.lkc.de.“
Aha. Alles klar. Ja wenn das so ist, dann muss die Auszeichnung auf alle Fälle ganz was Tolles sein…. wow… LKC… Und dieses HLB Deutschland – das klingt auch sehr beeindruckend. Ähm – was war das noch gleich??? Auch hier gibt’s prompt die Erklärung von Bestfall mit dazu geliefert:
„HLB Deutschland ist ein 1972 gegründetes Netzwerk von 19 selbstständigen und unabhängigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften an 33 Standorten. (…). HLB Deutschland gehört mit einem Gesamtumsatz der einzelnen Mitglieder von 121 Millionen Euro im Jahr 2012 zu den Top 10 der in Deutschland tätigen Netzwerke (…).“
Gut, jetzt bestehen keine Zweifel mehr: 19 (!) unabhängige Prüfungs- und Beratungsgesellschaften. 33 Standorte. Ein Gesamtumsatz von 121 Millionen Euro!!! Diese Auszeichnung ist überragend! Einfach genial. So eine Art Oscar für Bürgermeister! Wahnsinn! Klasse! Langsam gehen einem die Superlativen aus…
Und die PR-Agentur „Bestfall“? Die wirbt auf Ihrer Internet-Seite mit dem Sprüchlein: „Sie suchen einen Partner, der Sie dabei unterstützt, Ihre Stimme erfolgreich in den Medien zu erheben? (…) Der Ihre Interessen mit den richtigen Mitteln und über die richtigen Kanäle kommuniziert?“ Nach Recherchen des Onlinemagazins „da Hog’n“ war es Herbert Graf, Geschäftsleiter der Stadt Freyung, der nach jenem „Partner“ gesucht hat. „Die Nominierung erfolgte durch den Geschäftsleiter der Stadt Freyung, Herrn Dr. Herbert Graf. Herr Dr. Heinrich hatte von der Nominierung nichts gewusst und war dementsprechend überrascht über die Auszeichnung“, teilt Julia Eckelt von Bestfall auf Hog’n-Nachfrage mit.
Unter anderem sind das regionale Anzeigenblättchen „Passauer Woche“ („Glückwunsch, Herr Dr. Heinrich“) und der Passauer Regionalsender „TRP1“ sogleich auf diesen „PR-Presse-Zug“ mitaufgesprungen. Erstere stellte die Meldung nahezu in Rekordgeschwindigkeit und in quasi unveränderter Form per Copy&Paste-Verfahren online und auf ihrer Facebook-Seite bereit. Der TV-Sender zog am selben Tag nach und brachte den Beitrag als 48-sekündige „News-Meldung“, gespickt mit reichlich Archiv-Material von lachenden und fröhlich klatschenden Lokal-Politikern – der „Off-Text“: inhaltlich nahezu unverändert von der PR… (Verzeihung!) Presse-Meldung übernommen. Dass diese in der nächsten Ausgabe des Anzeigenblättchenchenchens „Neue Woche“ ebenso ungekürzt und als „echter“ redaktioneller Beitrag zu lesen sein wird, darf hier getrost schon einmal angenommen werden…
Heinrich selbst fühlt sich geehrt – und teilt bei Facebook
Insgesamt habe es elf Nominierungen gegeben, die Ehrungen erfolgten in drei Kategorien, erklärt Julia Eckelt weiter. So zählten in der Rubrik „Newcomer kommunale Zusammenarbeit“ acht Bürgermeister – vom Schrobenhausener Land über Köngismoos bis Waidhofen – zu den Preisträgern. In der Rubrik „Kommunale Wirtschaftsförderung“ nahm Alfons Sittinger, Bürgermeister des Marktes Arnstorf, die Ehrung entgegen (die PNP berichtete darüber) – und, wie gesagt, Dr. Olaf Heinrich in der Kategorie „Zukunft ländlicher Raum“. Die LKC-Gruppe habe die Leistungen der einzelnen Bürgermeister nach den Kriterien „Dynamik, Innovation, soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit, Erkennen und Umsetzen von Chance “ bewertet. Die Auszeichnung sei „überregional, die Jury bestand aus ehemaligen ersten Bürgermeistern und kommunalwirtschaftlich erfahrenen Personen. Es war nicht die reine Amtsdauer maßgeblich, sondern die Verdienste der Bürgermeister während ihrer Amtszeit“, gibt Frau Eckelt freudig Auskunft.
Und schon wieder sind wir dazu geneigt „Super-klasse-toll-toll-toll!!“ zu schreien, wie das Bayerns Trainer Pep Guardiola gerne tut. Sie etwa nicht?
Und wie steht der „Ausgezeichnete“ selbst zum vermeintlichen Ehren-Titel? Die Bestfall-PR-Fachleute lassen in der Meldung verlauten:
„Diese Auszeichnung ehrt uns sehr“, sagte Heinrich bei der Übergabe der Urkunde stellvertretend für seine Rathauskollegen. „Sie zeigt, dass wir auf einem zukunftsfähigen Weg sind, nicht nur nebeneinander, sondern vor allem miteinander zu arbeiten und unsere Stadt gezielt zu entwickeln.“ Projekte wie die Gestaltung des Naherholungsgebietes „Auenpark“ und der FreyArena zählen ebenso zu seinen Verdiensten wie eine aktive Wirtschaftsförderung, eine erfolgreiche Standortbewerbung für die Fachhochschule und der Technologiecampus.
Und ja, Freyungs Bürgermeister scheint sich wirklich über diese Auszeichnung zu freuen, denn: Auf seiner Facebook-Seite hat er den Bericht des Lokalsenders seinen Freunden und Lesern mit dem Hinweis „Aktueller Bericht von TRP1″ am Mittwoch mitge-teilt.
Mit Verlaub, Herr Heinrich (und ohne Ihre Verdienste um die Stadt und ihre Bürger schmälern zu wollen), aber: A G’schmäckle hat das Ganze schon, wie der Schwabe zu sagen pflegt, meinen Sie nicht? Die positive Darstellung von Erfolgen nach außen hin gehört freilich zum täglich Brot eines jeden Bürgermeisters – und gerade diese Disziplin beherrscht Freyungs Stadtoberhaupt bekanntermaßen wie kein zweiter. Doch Positivismus um jeden (Pseudo-)Preis? Braucht’s das? Da hat die eigene „PR-Maschinerie“ dann wohl doch ein bisschen versagt – ob freiwillig oder unfreiwillig…
Übrigens: Wir vom Onlinemagazin „da Hog’n“ überlegen gerade, die Auszeichnung „Journalist des Jahres“ auszuloben. Zusammenarbeiten werden wir sicherlich mit der PR-Agentur Bestfall, der LKC-Gruppe und der HLB Deutschland. Der Plan: Kollege Weigerstorfer nominiert den Kollegen Hörhammer. Und wer weiß: Vielleicht holen wir uns den Titel ja…
da Hog’n
Es tut sehr gut, verschiedene Medienangebote in unserer Region nutzen zu dürfen. Vielen Dank für diese Arbeit und die Inhalte, die die Hog’n Redaktion weitergibt.