Freyung-Grafenau. Wir befinden uns auf der Karte des Zukunftsatlas 2013. Ganz Bayern leuchtet optimistisch orange-rot. Ganz Bayern? Nein! Zwei unbeugsame Landkreise zerstören die sonst makellose Bilanz des Freistaates: Wunsiedel im oberfränkischen Fichtelgebirge – und der Landkreis Freyung-Grafenau. Der Zukunftsatlas 2013 des privaten Beratungsunternehmens Prognos hat dem Landkreis kein besonders rosiges Zeugnis ausgestellt. Im bayernweiten Vergleich hat FRG die zweitschlechtesten Zukunftsperspektiven …
Einsam leuchtet im östlichen Eck Freyung-Grafenau hellblau auf. Hellblau bedeutet: Das Schweizer Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Prognos sieht leichte Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung des niederbayerischen Landkreises. Damit folgt Freyung-Grafenau nicht dem Trend. Denn die Forscher bei Prognos stellten fest: „Der Süden der Republik zieht den restlichen Regionen wirtschaftlich immer weiter davon.“
Zu diesem Ergebnis kommt Prognos, nachdem es 29 verschiedene Indikatoren der 402 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte verglichen hat. Dabei haben die Forscher zwischen Aussagen zur Gegenwart und zur Zukunft unterschieden und sie im sogenannten Zukunftsindex zusammengefasst. Freyung-Grafenau gehört mit Platz 320 zum unteren Fünftel.
Wie kommen die Ergebnisse des Zukunftsatlas zustande?
Die Aussagen zu den wirtschaftlichen Zukunftschancen beruhen auf Daten zu:
- Demografie
- Arbeitsmarkt
- Wettbewerb und Innovation
- Wohlstand und Soziale Lage
Diese vier Bereiche unterteilen sich in „Stärke im Status-quo“, die sich auf die Gegenwart bezieht, und „Dynamik“, die auf die Zukunft anspielt. So spielen beispielsweise für den Status Quo die Fertilitätsrate und der Anteil junger Erwachsener eine Rolle, während die Bevölkerungsentwicklung und die Differenz zwischen Menschen, die zuwandern, und solchen, die aus den Regionen abwandern, auf die Dynamik Einfluss nehmen.
Eine genaue Betrachtung der Indikatoren, die für die jeweiligen Bereich eine Rolle spielen:
Warum schneidet der Landkreis FRG so schlecht ab?
Die schlechte Platzierung hat vor allem mit der demografischen Entwicklung zu tun: Nur 22 Landkreise können eine ähnlich negative Bevölkerungsentwicklung vorweisen. Kein Wunder also, dass der Landkreis dann auch im Bereich Arbeitsmarkt im unteren Drittel rangiert. Die Abwanderung von hochqualifizierten jungen Menschen ist ein bekanntes Problem.
Insgesamt ist der Landkreis Freyung-Grafenau bei der Betrachtung der Gegenwart durchgefallen. Prognos attestiert eine unterdurchschnittliche „geringe Stärke“ und einen 338. Platz von 402.
Gibt es auch gute Nachrichten?
Ja. Kleine Funken des Optimismus sprühen bei der Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung auf. Dort landet Freyung-Grafenau mit Platz 152 im Mittelfeld und hat mit der Bemerkung „mittlere Dynamik“ das Klassenziel erreicht.
Auch bei Wettbewerb und Innovation liegt Freyung-Grafenau nur knapp unter dem Durchschnitt – im Vergleich zur Demografie und zum Arbeitsmarkt keine schlechte Platzierung. Am stärksten schneidet der Landkreis beim Wohlstand ab: Dort konnte sich FRG einen Platz unter den ersten 100 Kreisen und kreisfreien Städten sichern und offenbar aus der Kombination einer geringen Krimininalitätsrate, wenigen Singlehaushalten und einer hohen Kaufkraft profitieren.
War der Landkreis im Zukunftatlas immer schon so schlecht?
Auch beim letzten Zukunftsatlas aus dem Jahr 2010 hat der Landkreis mit Platz 314 schlecht abgeschnitten. Allerdings können diese Zahlen nicht einfach miteinander verglichen werden. Denn in Mecklenburg-Vorpommern gab es etwa eine Kreisgebietsreform, nach der es zehn Landkreise weniger als bei der Analyse von 2010 gab.
Wie schaut’s im Nachbarlandkreis Regen aus?
Der Landkreis Regen steht mit dem Rang 278 besser da. Wie auch Freyung-Grafenau hat der nördliche Nachbar eine „geringe Stärke“ und eine „mittlere Dynamik“. Allerdings kann Regen vor allem in den Gebieten Demografie und Arbeitsmarkt wesentlich bessere Zahlen vorweisen. Abgehängt wird Regen von Freyung-Grafenau eindeutig im Bereich Innovationen: Regen steht auf Platz 279, Freyung-Grafenau auf Platz 206. Auch beim Wohlstand liegt Freyung-Grafenau vorn – wenn auch wesentlich knapper (FRG: 99/REG: 107).
Und nun? Besteht denn noch Hoffnung?
Peter Kaiser von Prognos stellt fest, dass der Begriff „ländliche Region“ nicht automatisch „rückständig, trostlos und ohne Zukunft“ bedeute. Besonders solche Regionen hätten eine gute Zukunftsperspektive, die sich im sogenannten Speckgürtel von Großstädten befinden. Blöd nur für den Landkreis Freyung-Grafenau, dass boomende Städte wie Regensburg oder München mindestens 150 Kilometer entfernt liegen. Wirtschaftlichen Erfolg trotz ländlicher Lage haben laut Prognos Regionen, die Cluster bilden, hohe Geburtenraten haben oder vom positiven Einfluss aus der Wissenschaft profitieren – die Technologiecampi sind da eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung, damit Freyung-Grafenau beim nächsten Zukunftsatlas nicht wieder so unangenehm hellblau auffällt.
Katharina Brunner
Ob es noch Hoffnung gibt hängt zu einem großen Teil auch vom Handeln der Lokalpolitiker und des Regionalmanagments ab. Derzeit schreiben sich viele einflussreiche Personen die „Bildungsregion“ auf die Fahnen, man scheint allseits bemüht, die Fachkräfte und Akademiker in der Region zu halten oder sie sogar zum Heimkehren zu bewegen.
Leider rudern alle Beteiligten sehr schnell zurück, wenn es konret wird. Mein Mann und ich stammen aus der Region und sind seit Jahren in der universitären Forschung tätig. Sehr gerne würden wir zurück in die Heimat kommen. Nach etlichen Terminen mit den Regionalmanagments FRG und REG und Regionalpolitik würde aber deutlich, dass auch bei Vorlage innovativer Konzepte keinerlei Unterstützung zu erwarten ist. Aber es reicht eben nicht aus, alle paar Monate von Heimkehrern zu berichten, die sich selbstständig gemacht haben. Um die Wirtschaftlichkeit der Region zu fördern, müssen neue Wirtschaftszweige angesiedelt werden, die sich mit dem naturverbundenen Image vereinen lassen. Für Unternehmen der Lebenswissenschaften oder der weißen Biotechnologie, die keine schädlichen Emmisionen produzieren, wäre der bayerische Wald der ideale Standort.
Derzeit gibt es keine Möglichkeit als Akademiker zurüchzukehren, solange man nicht in den Ingenieurwissenschaften studiert hat. Auf eine Unterstützung aus Politik und Regionalmanagment ist nicht zu hoffen. Das Potential, das der Region dadurch verloren geht, ist kaum abzuschätzen.