Freyung. Es ist mittlerweile nicht mehr zu übersehen, das neue StadtplatzCenter. Von Tag zu Tag wird es höher und höher … und manch Freyunger fragt sich bereits, ob die Kirchturmspitze nach Fertigstellung des modernen Gebäude-Komplexes mit vier Kinosälen, Edeka-Vollsortimenter sowie mehreren Geschäften von weitem noch zu sehen sein wird. Doch während die Bauarbeiten unablässig voranschreiten, ziehen dunkle Wolken über dem künftigen „Schmuckstück“ auf: Es donnert Kritik von Seiten der BGStuL und der FDP.
Gegenstand des oppositionellen Grolls: die Tiefgarage. Diese wird bekanntermaßen durch die Stadt und die Städtebauförderung mitfinanziert. Der „Städtebauliche Vertrag“, in dem die Details für den Deal zwischen der Investorengruppe BFIK und der Kreisstadt festgehalten sind, wurde bereits durch die zuständigen Behörden überprüft, die Zustimmung laut Investor Christian Fürst längst erteilt.
„Warum sollen Steuerzahler für ein Privat-Objekt aufkommen?“
Dennoch stößt dieses Vorgehen BGStuL-Fraktionssprecherin Maria Degner und FDP-Stadtrat Gerhard Drexler immer noch sauer auf. Die alles entscheidende Frage ihrer Meinung nach lautet: „Warum sollen Steuerzahler für ein Objekt aufkommen, das nicht der Stadt, sondern privaten Investoren gehört?“
In einer gemeinsamen Pressemitteilung der beiden Oppositionsparteien heißt es:
„Die neue Tiefgarage in Freyung ist kein gutes Geschäft für den Bürger und Steuerzahler! Der Nießbrauch (Nutzungsrecht) ist das unveräußerliche Recht, die Nutzungen (§ 100 BGB) aus einer Sache oder eines Rechts zu ziehen (Nießbrauch an Sachen, § 1030 BGB). Das Nießbrauchrecht an der Tiefgarage bringt rund 1,6 Millionen Euro an Einnahmen und endet nach 30 Jahren. Das Nießbrauchrecht kostet dem Steuerzahler allerdings mehr als 3 Millionen Euro und nach 30 Jahren bekommt der INVESTOR die kompletten Einnahmen (ca. 50.000 Euro pro Jahr).“
Freyungs Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich sieht in der Förderung allerdings eine wichtige und notwendige Unterstützung der Stadtentwicklung:
„Wer möchte, dass sich Kleinstädte im ländlichen Raum positiv entwickeln, der wird immer zielgerichtet Steuergelder einsetzen müssen. In keinem Fall ‚rechnet‘ sich die Investition direkt. Kann sich ein Kurhaus in Freyung, ein Karoli-Badepark in Waldkirchen, eine städtische Tiefgarage im Kirchenweg in Waldkirchen rechnen? Nein, sie rentieren sich mittelbar, indem die Städte belebt werden, die Geschäftswelt sich positiv entwickelt, Menschen vor Ort wohnen bleiben oder in die Region ziehen.“
Drexler: „Nach 30 Jahren verdient nur noch der Investor“
Die absolut notwendige Unterstützung ländlicher Strukturen bestreitet Drexler nicht. „Aber im Gegensatz zu den von Herrn Heinrich aufgeführten Beispielen, die auch über einem Zeitraum von 30 Jahren hinaus Einnahmen erzielen, ist die Tiefgarage nicht im Eigentum der Stadt – und nach 30 Jahren verdient nur noch der Investor.“
Freyung hätte die Tiefgarage bauen oder kaufen sollen, so Drexler weiter, dann wäre irgendwann der Verlust amortisiert worden. Der Kauf eines Nießbrauchrechts für drei Millionen Euro – „und das für die Dauer von nur 30 Jahren“ – ist seiner Meinung nach ein Fehler gewesen.
„Die Stadt Freyung hat sich entschieden, anstelle von Eigentum ein Nießbrauchsrecht für die Tiefgarage am Stadtplatz zu erwerben, gerade eben um die Risiken für die Stadt und ihre Bürger zu minimieren“, entgegnet die Freyunger Stadtverwaltung auf Drexlers Vorwurf.
„In zahlreichen Fällen müssen Tiefgaragen nach einer Nutzungsdauer von 30 bis 35 Jahren generalsaniert werden“, erklärt Geschäftsführer Herbert Graf. Diese Sanierung sei dann nicht mehr förderfähig und müsse komplett von der jeweiligen Kommune bezahlt werden. Als Beispiel verweist Graf auf „einen aktuellen Fall“ aus der Region, bei dem eine Kommune für die Sanierung eine siebenstellige Summe aus Steuermitteln aufzuwenden habe. „Durch die Vereinbarung eines Nießbrauchrechts bleibt der Steuerzahler von möglichen Sanierungskosten verschont“, betont Graf.
Graf: „Das Nießbrauchrecht bringt den Freyunger Bürgern nur Vorteile“
Und wer kommt dann letztlich für eventuelle Reparaturen während des 30-jährigen Nießbrauchs auf? Auch darauf gibt es seitens des Geschäftsführers eine passende Antwort, ohne dabei jedoch konkrete Zahlen zu nennen: „Die Unterhaltskosten werden nach einem festgelegten Schlüssel von Seiten des Nutzers und der Investoren aufgeteilt. Hier wurde eine Begrenzung der maximalen jährlichen Instandhaltungskosten für die Stadt Freyung vereinbart, sodass auch in diesem Bereich die Risiken für den Steuerzahler minimiert wurden.“
Das Nießbrauchrecht bringe für den Freyunger Bürger also nur Vorteile mit sich, konstatiert Graf. Denn die Kreisstadt erwarte während der Nutzungsdauer ungefähr dieselbe Summe an Parkeinnahmen, die für das Nutzungsrecht letztendlich bezahlt würden. Wie das konkret aussieht, rechnet Bürgermeister Heinrich vor:
„Die Stadt Freyung wird rund 850.000 Euro Eigenmittel für die Tiefgarage im Stadtzentrum aufwenden, um damit die gesamte Innenstadt zu beleben. 850.000 Euro, die von der Stadt aufgewendet werden, stehen voraussichtlich Parkeinnahmen von rund 900.000 Euro über die nächsten 30 Jahre sowie Mieteinnahmen von Edeka in Höhe von voraussichtlich 650.000 Euro gegenüber. Also: 900.000 Euro Ausgaben und 1,5 Millionen Euro Einnahmen.“
Heinrich: „Eine Tiefgarage im ländlichen Raum rechnet sich nirgends“
Degner und Drexler sind jedoch keineswegs der Meinung, dass diese Rechnung stimmt. Ihrer Ansicht nach wird den Bürgern hier eine falsche Summe vorgegaukelt, weil der BFIK insgesamt ein Nettobetrag von drei Millionen Euro für das Nießbrauchrecht aus öffentlichen Mitteln gezahlt würden.
Betrachte man das ganze Zahlenkonstrukt nämlich nicht nur aus der Sicht des Freyunger Bürgers, sondern mit den Augen aller Steuerzahler, dann müsse man zu den 850.000 Euro der Stadt eben auch noch die 2,2 Millionen Euro an Fördergeldern hinzurechnen. So gesehen ergebe sich für den Steuerzahler dann ein Verlust von 1,6 Millionen Euro, schlussfolgert Drexler.
„Die Städtebauförderung finanziert in den ländlichen Regionen Bayerns Baumaßnahmen von öffentlichem Interesse mit Steuergeldern“, kontert Heinrich, denn: „Dass sich eine Tiefgarage im ländlichen Raum nirgends rechnet, sollte jedem bekannt sein. Wären in Freyung Parkeinnahmen zu erzielen wie in München, dann würde die Tiefgarage von der Städtebauförderung logischerweise auch gar nicht bezuschusst.“
Auf Hog’n-Nachfrage, ob dies nun ein Steuergeschenk an die Privatunternehmer sei, geht man in der Stadtverwaltung nicht näher ein. Ebensowenig äußert man sich dazu, ob damit möglicherweise ein Präzendenzfall geschaffen worden sei. Könne also, wer künftig ein Geschäft in Freyung eröffnen möchte, jeder eine Förderung erwarten?
Wie dem auch sei: Der Bund der Steuerzahler hat sich nun mit einem Schreiben an Heinz Grunwald, den Regierungspräsidenten von Niederbayern, gewandt. Darin bittet Vizepräsidentin Maria Ritch um eine Stellungnahme zum Sachverhalt. Bürgermeister Heinrich sieht dieser Anfrage allerdings mit Gelassenheit entgegen: Jeder Anfrage bzw. jedem Hinweis eines Bürgers werde vom Bund der Steuerzahler nachgegangen. In den allermeisten Fällen stelle sich heraus, dass die Beschwerden ins Leere führen und die Entscheidungen wohl begründet waren, so Heinrich. Dass der Bund der Steuerzahler nun abkläre, ob die Argumentation der Stadt von der Regierung geteilt werde, sei weder ungewöhnlich noch ein Anmelden von Bedenken.
Und weiter: „Dass ein Stadtratsmitglied (Gerhard Drexler, Anm. der Redaktion) alles versucht, um die Stadt Freyung schlecht zu reden, ist seit längerem bekannt. Dass er sich beim Bund der Steuerzahler beschwert hat, wurde der Stadtverwaltung vor Monaten mitgeteilt.“ Laut einem Bericht der Heimatzeitung wurde auch die Stadt Freyung von Ritch gebeten, sich zur Verwendung der Steuergelder zu äußern, was diese bereits getan habe. Bleibt abzuwarten, wie der Regierungspräsident diesen Fall beurteilt …
Dike Attenbrunner, Stephan Hörhammer