Spiegelau. Nein, seinen Künstlernamen hat Christian „Balboo“ Bojko nicht seiner bisher recht erfolgreichen Karriere als Musiker zu verdanken. Vielmehr geht der Name auf eine sportliche Sternstunde des heute 44-Jährigen zurück: Im Tor der Klingenbrunner Fußball-Mannschaft parierte er einmal mehrere Elfmeter. Ehrfürchtig nannten ihn seine Freunde daraufhin „Balboa“ – in Anlehnung an den gleichnamigen Hauptdarsteller des US-Film-Klassikers „Rocky“. „Wir sind nach dem Spiel noch ein bisschen beisammen gesessen – und mit dem ein oder anderen Bierchen verschwindet halt dann mal das ‚A‘ am Ende“, erklärt der Spiegelauer lachend. Aus dem anfänglichen Spitznamen ist heute sein Künstlername geworden. Aus dem damaligen Amateur-Goalie ein Profi-Musiker, der weit über die Landkreis-Grenzen hinaus bekannt ist.
Der „Weg nach oben“ aber war schwierig. Nicht nur einige gerissene Saiten, sondern auch viele andere Probleme stellten sich in den Weg des Waidlers. Doch seit jeher findet Christian Bojko, dessen Vater aus Galizien stammt und nach dem 2. Weltkrieg in Spiegelau landete, vor allem in der Musik Halt. „Ja, das ist mein Leben“, sagt der hünenhafte Mann und nickt. Wohl wissend, dass er es geschafft hat. Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Er verdient mit dem Geld, was er gerne macht – und das wichtigste dabei: Er ist zufrieden.
Die Eltern wollten, dass Christian Bojko einen soliden Beruf erlernt
Bereits in jungen Jahren kommt er das erste Mal mit Musik, Noten und Instrumenten in Kontakt. Der kleine Bub spielt Akkordeon, klimpert auf Weihnachtsmärkten häufig den Schneewalzer. „Das hat mich dann irgendwann angekotzt“, sagt er heute – deshalb steigt er relativ schnell um, lernt Bass. Dass es später zu einer Musik-Karriere reichen soll, ist in diesem Moment alles andere als klar. Seine Eltern möchten, dass ihr Christian einen soliden Beruf erlernt. Nach seinem Hauptschul-Abschluss wird er in Riedlhütte zum Zentrallheizungs- und Lüftungsbauer ausgebildet, holt die Mittlere Reife nach und geht dann zum Zoll.
„Das war in meiner Metal-Zeit: Die hatten Probleme mit meinen Haaren“, sagt Balboo, fasst sich auf seinen Glatzkopf und schmunzelt: „Vielleicht sollte ich es da heute noch einmal probieren.“ Schnell wird klar: Bojko nimmt sich selbst nicht allzu ernst; ein guter Typ, der Spaß versteht. Trotz seiner hühnenhaften, fast einschüchternden Gestalt kommt er gleich auf den ersten Blick sympathisch rüber, sein Lachen ist ansteckend. Über sich selbst sagt er: „Ich bin vogelwuid. Und a bissl a Zigeiner“ – ein typischer Musiker eben.
Dessen Karriere spielt sich aber vorerst noch im Hobby-Keller ab. Dennoch erlangt er nach und eine gewisse Bekanntheit – vor allem in der heimischen Heavy-Metal-Szene. Unter dem Band-Namen „No Naym“ wird in der „Hackinger-Säge“ in Spiegelau geprobt. „Wir waren nicht gut, aber laut“, denkt Balboo gerne an diese Zeit zurück. Am Rosenmontag 1992 soll seine Musik-Karriere dann eine prägende Wende nehmen: Der Bassist hilft bei einem Jazz-Konzert aus, tritt mit Thorsten Skringer, dem heutigen Saxophonisten von Stefan Raabs TV-Total-Band auf – und entdeckt von da an Musikrichtungen wie Jazz und Blues für sich.
Viele Rückschläge: „Das war eine brutale Zeit, überhaupt nicht easy“
Doch Bojko muss nach diesem ersten, großen Aha-Erlebnis auch einen ersten, großen Rückschlag verdauen: Nach einer Party mit Freunden im Zwiesler Jugendcafé wird er auf dem Heimweg von einem Kleinbus angefahren, seine linke Seite ist daraufhin gelähmt. „Der hat mich damals einfach über den Haufen gefahren.“ Die Folge: Zahlreiche Therapien, viele Aufenthalte in Krankenhäusern – aber auch einer der vielen Schlüsselmomente in Bojkos Leben. „Ich habe ja ein bisschen Geld von der Versicherung bekommen. Ein Freund und ich haben dann kurzerhand beschlossen, in Wien die amerikanische Musikschule für Jazz zu besuchen.“
Ein paar Jahre später folgt dem erfolgreichen Abschluss jedoch ein neuerlicher Tiefschlag: Nach seiner Rückkehr in den Bayerwald erfährt er, dass das Diplom der amerikanischen Musikschule in Deutschland nicht anerkannt ist. Bis 1999 besucht er daraufhin das Music College in Regensburg, darf sich erst dann als staatlicher Musiklehrer bezeichnen. Balboo wird schließlich Lehrer in einer Musikeinrichtung in Regen. Doch das Glück währt wieder nur kurz: Nach nur einem Jahr endet die Zusammenarbeit, weil sich die Einrichtung neu orientiert. Christian Bojko steht von einem auf den anderen Tag auf der Straße. „Das war eine brutale Zeit, überhaupt nicht easy“, erinnert er sich.
Doch erneut findet der Vollblut-Musiker einen Ausweg, eröffnet „Balboos Music Garden“ und unterrichtet von nun an selbst junge Musik-Talente. „Gott sei Dank blieben mir meine Schüler treu und wechselten zu mir.“ Von nun an läuft alles wie geschmiert: Christian Bojko unterrichtet immer mehr Schüler, ist auch als Musiker mit und ohne Band immer gefragter. Er ist endlich dort angekommen, wo er immer hinwollte – trotz der vielen Schwierigkeiten.
Ab jetzt heißt es für ihn: Allegro ohne Pause! Es folgen Auftritte in Barcelona, in der Schweiz oder in Russland. Beim Unterricht mit den Kindern und Jugendlichen blüht Balboo auf, zudem macht er sich als Arrangeur einen Namen. Freundin Barbara ist das letzte Mosaiksteinchen zum absoluten Glück.
Seine Heimat, den Bayerischen Wald, hat er trotz aller Weltenbummlerei nicht vergessen: Denn am wohlsten fühlt er sich immer noch zu Hause. Mit Hündin Tessy ist er oft in der Natur unterwegs, hat nach eigenen Aussagen schon jeden Berg im Nationalpark-Gebiet erklommen. „Ich lebe im Woid und bin sehr heimatverbunden.“
Balboo als „Musik-Botschafter“ Niederbayerns in der Welt unterwegs
Und dennoch zieht es den 44-Jährigen immer wieder hinaus in die Welt. Lässt es die Zeit zu, ist Balboo gern unterwegs – auch im Namen der Musik. Zuletzt reiste er auf Initiative seines russischen Freundes Sascha nach Moskau. Mit seiner neuen Kombo Manda tourte er durch das größte Land der Welt: „Das war Wahnsinn.“
Christian Bojko, der in den Medien des Öfteren als „Musik-Botschafter Niederbayerns“ bezeichnet wird, achtet dabei stets darauf, die bayerische Kultur in die Welt hinaus zu tragen. „Wir spielen überall in Lederhose. Außerdem versuche ich immer im Dialekt zu sprechen.“ Nichtsdestotrotz vermischt Balboo – manchmal bewusst, manchmal unbewusst – seine ganz eigene Musikrichtung mit anderen Kulturen und Einflüssen. „Die Eindrücke aus der Welt tun gut.“ Wie früher im Klingenbrunner Tor hechtet Balboo also auch heute durch die Gegend – zwar nicht mehr nach dem Fußball, dafür aber nach neuen musikalischen Abenteuern.
Helmut Weigerstorfer
Danke Helmut, ein sehr schöner Bericht. Beste Grüße Balboo